Die Story: Zwei junge Frauen begeben sich auf Krawalltour durch Berlin
„Tiger Girl“ erzählt von der jungen, ordentlichen Vanilla, die die durchgeknallte Tiger kennenlernt. Tiger (Ella Rumpf) schafft sich ihren Platz, nach der Regel: Wenn dir jemand eine Grube gräbt, schubs ihn hinein. Vanilla (Maria Dragus) ist unsicher, sie hat ihren Weg durch den Großstadtdschungel noch nicht gefunden. Sie wollte Polizistin werden, flog aber durch die Prüfung und landet nun bei einem privaten Sicherheitsdienst. Tiger ist fasziniert von dem Mädchen, das so krampfhaft versucht, dazuzugehören. Sie bringt Vanilla das Kämpfen bei. Als falsche Security-Frauen zocken sie Leute ab und haben dabei jede Menge Spaß. Vanilla leckt Blut, und Tiger muss eine neue Regel lernen: Wer Wind sät, wird Sturm ernten.
Jakob Lass zur Genese seines Martial-Arthouse-Mumblecore-Dramas
„Am Anfang lag der Titel in der Luft: Tiger Girl. Wie müsste eine Figur sein, die sich selbst so nennen darf? In unseren Gesprächen kreisten wir um Ohnmachtsgefühle und die daraus gespeisten Aggressionsphantasien. Die prekäre Arbeitswelt der privaten Sicherheitsdienste erschien uns als ideale Spielfläche für die Frage: Lässt sich Gewalt legitimieren? Was verändert eine Uniform? Welche Möglichkeiten schafft sie? Mit Tiger und Vanilla haben wir zwei Charaktere geschaffen, die von sehr unterschiedlichen Punkten starten und verschiedene Wertesysteme mitbringen, im Falle von Vanilla fast eher die Abwesenheit von Werten. Und wir wollten sehen, was passiert, wenn eine so ungleiche Beziehung kippt.“
Alles bleibt im Hier & Jetzt, widersetzt sich dem Zwang zur Psychologisierung
„Eine Psychologie liefert Tiger Girl nie, auch keine Vorgeschichte, die erklären würde, wie sie zu dem wurden, was sie sind. Alles bleibt im Hier und Jetzt. Das funktioniert auch durch die beiden hervorragenden Schauspielerinnen: Maria Dragus als Vanilla, deren Abgründe immer offensichtlicher werden, und Ella Rumpf als Tiger, die, als sie merkt, dass ihre Freunde sie getäuscht haben, auch verletzlich wirken kann. Denn als Vanilla einmal, einfach so, mitten auf der Straße einer Passantin die Nase zerschlägt, erkennt Tiger, dass sie oder ihre Freundschaft in Vanilla etwas losgetreten haben. »Du gehst zu weit«, schreit sie. Die Kräfteverhältnisse haben sich verschoben.“ (Rudolf Worschech: epd Film, 6.4.2017)
Sehr treffsichere Kritik von Hanns-Georg Rodek: NICHT LÄNGER NETT SEIN!
„Tiger Girl zeigt zwei junge Menschen, die lustvoll ihren Launen nachgehen, und dem Film ist klar, dass zur Lusterzeugung beim Zuschauer auch eine coole Form gehört. So zoomt die Kamera, verwendet Jump Cuts und stellt sich auch mal 180 Grad auf den Kopf. Und während Tiger und Vanilla ihre Attacke auf die Gesellschaft vollführen, vollführt Regisseur Jakob Lass seinen Angriff auf unsere Sehgewohnheiten …
Der Film und seine Figuren sind geladen von dem Element, das dem deutschen Kino am meisten abgeht: von Energie. Sie bersten geradezu davon und ja, da ist asoziale Energie am Werk, kriminelle Energie, und Jakob Lass weigert sich, sofort die Verurteilungskeule auszupacken … Tiger Girl folgt dem Lustprinzip, aber auch dem der Dialektik, des Denkens in Gegensätzen. Es geht um die kleine Schwester, die der großen über den Kopf wächst, um den Unterschied von Kriminalität und Gewalt, um Körperlichkeit jenseits der Sexualität, sowie um das Gewinnen, das Ausüben und das Begrenzen von Macht.“ (Die Welt, 6.4.2017)