Das Internet als erotische Verführung, der PC als Suchtapparat, die Weite des Cyberspace als ultimativer Kick. So beschrieben bislang TV-Movies das neue Medium. “Thrill – Spiel um dein Leben” geht einen Schritt weiter in der Durchdringung von Wirklichkeit und Medienwelt. Aus der Nische gieriger Medien-Junkies und abgedrehter Workaholics bricht das Unheil nun sogar in die kleine Welt einer modernen Patchwork-Familie ein. Das Internet ist in Jürgensmeiers Einer-gegen-alle-Thriller Plattform für die kranken Phantasien einer überreizten Gesellschaft.
Für André Falpertz (Stefan Jürgens) beginnt eines Nachts ein Alptraum. Er wird Zeuge, wie eine Taxifahrerin überfallen wird. Einen Tag später ist sie tot. Aus dem einzigen Zeugen wird der einzige Verdächtige. Die Polizei will ihm die Geschichte vom unsichtbaren Dritten nicht recht glauben. Hinzu kommt, dass ihn der 16-jährige Sohn (Tobias Schenke) von seiner Lebensgefährtin Ellen (Sylvia Haider) zunehmend belastet. Falpertz muss selber aktiv werden. Durch Zufall stößt er auf das Internet-Spiel “Thrill”, bei dem dem Sieger ein hohes Preisgeld winkt. Falpertz vermutet den Täter im Kreis der “Thrill”-Süchtigen. Während dessen hat die Polizei immer mehr gegen ihn in der Hand. Ellens Ex-Mann (Ingolf Lück), Anwalt von Beruf, erspart ihm die Untersuchungshaft. Doch was dann folgt, ist schlimmer…
Zur falschen Zeit am falschen Ort. Ein Mr. Durchschnitt muss gehörig über sich hinaus wachsen, um am Ende am Leben zu bleiben. Autor-Regisseur Peter Jürgensmeier („Anwalt Martin Berg“) operiert mit klassischen Thriller-Momenten – der Beginn des Films aber wirkt wie ein einziges Missverständnis: Eine signalhafte Bildersprache soll Rätsel aufgeben, zeigt aber viel mehr in ihrer knalligen Penetranz, dass hier einer noch üben muss. Und so bleibt bei diesem Hauch von Oliver Stone (“Natural Born Killers”) und David Fincher (“The Game”) der unangenehme Nachgeschmack von zynischem Technologie-Trash.
Doch dann gewinnt der klassische Verschwörungsthrill die Oberhand und der Film wird zum soliden Spannungs-Stück. Stefan Jürgens mimt Cary Grant. Unbedarft schlittert er in eine feindliche, fremde Welt. Er verliert den Job, zwischenzeitzeitlich die Frau, aber nie seinen etwas blauäugigen Optimismus. Der Ex-Comedian hat sich offensichtlich durch seinen Kommissar im „Tatort“ von seinem alten “Samstag Nacht”-Blödelimage befreit. Ingolf Lück hat es da schon schwerer, dass sein ernster Auftritt nicht belächelt wird. Die überzeugendste Leistung in “Thrill” liefert der Jüngste im Team: Tobias Schenke verkörpert das Resultat einer gescheiterten Ehe. Sein Daniel sehnt sich nach der “alten” Familie zurück. Ohne viel Worte bricht die Enttäuschung immer wieder aus ihm heraus. Sein Spiel gibt dem Familiendrama eine Dimension, die das Drehbuch allerdings nicht einlöst. (Text-Stand: 8.6.2000)