Theken-Cowboys

Aurel Manthei, Johannes Allmayer, Alexander Wipprecht, Orlando Klaus. Mehr Glück als Verstand

29.10.2025 10:00 ARD-Mediathek Streaming-Premiere
05.11.2025 20:15 ARD TV-Premiere
06.11.2025 00:15 ARD
03.12.2025 20:15 3sat
Foto: HR / Bluelaserboys / Triple Pictures
Foto Tilmann P. Gangloff

Theken-Cowboys“ (HR / BlueLaserBoys, triple pictures) ist eine famos gespielte, mit perfektem Timing inszenierte und temporeich erzählte Komödie über die drei Freunde Hajo, Thorsten und Guido, die ihren Feierabend an Hajos Kiosk mit Gesprächen über Gott und die Welt totschlagen, während sie vom großen Glück träumen; bis das Schicksal ihnen eines Tages einen mysteriösen Koffer zuspielt, der womöglich der Mafia gehört. Trotz einer übermütigen Fülle an Gags und Pointen nie überdreht oder überfrachtet, mit einer sympathischen Prise schwarzen Humors.

Trinkhalle“ klingt pompös und natürlich ungleich würdevoller als „Wasserhäuschen“, zumal dieser Begriff eher gegenteilige Assoziationen weckt. Tatsächlich spielt ein Klo in dieser Geschichte eine nicht unerhebliche Rolle, doch zunächst lohnt es sich, einen Blick in die Historie der Trinkhallen zu werfen: Sie wurden Mitte des 19. Jahrhunderts eingerichtet, um Fabrikarbeitern mit abgefülltem Mineralwasser eine Alternative zum mitgebrachten Bier zu bieten. Leitungswasser war damals ungenießbar, und übermäßiger Alkoholkonsum während der Arbeit ist der Produktivität erfahrungsgemäß nicht zuträglich. Im Rheinland heißen die Verkaufsstände, zu denen sich die einstigen Wasserstellen schließlich entwickelten, schlicht „Büdchen“, aber Hajos Kiosk trägt nach wie vor mit Stolz die Bezeichnung „Trinkhalle“. Hier finden sich abgesehen von einigen Stammkunden in erster Linie jeden Feierabend seine Freunde Thorsten und Guido ein, um die Vorräte an Schnaps und Bier zu dezimieren, während sie von den Ereignissen des Tages berichten und übers große Glück sinnieren. Schräg gegenüber verspricht die Plakatwerbung für ein Reiseunternehmen: „Deine Träume zum Greifen nah!“

Theken-CowboysFoto: HR / Bluelaserboys / Triple Pictures
Trio-Bild mit Dame. Alexander Wipprecht, Aurel Manthei, Johannes Allmayer und Sabrina Amali als übereifrige LKA-Beamtin

Die Gespräche sind ein Fest für alle, die mit großer Freude dem Leben lauschen, zumal Aurel Manthei, Johannes Allmayer und Alexander Wipprecht ihre Dialoge mit angemessener Ernsthaftigkeit vortragen; zu Beginn erinnert dieser Film, den Wipprecht gemeinsam mit seinem Kompagnon Orlando Klaus geschrieben, inszeniert und produziert hat, an die famose rbb-Serie „Warten auf’n Bus“ (2020) mit Ronald Zehrfeld und Felix Kramer. Das Alter der Antihelden, die hingebungsvolle Vernichtung von Alkohol, die Gesprächsthemen: Die Parallelen sind offenkundig. Das ändert sich, als mehr Bewegung ins beschauliche Dasein des Trios kommt, als ihm lieb ist: Ausgerechnet auf Hajos Klo haucht ein Gast sein Leben aus. Eine übereifrige LKA-Beamtin (Sabrina Amali) ist überzeugt, der Tote gehöre zur Mafia, wird aber von der zuständigen Ermittlerin (Bärbel Schwarz) zurückgepfiffen. Damit wäre die Sache erledigt, hätte Hajo nicht den mit Handschellen am Handgelenk des Toten befestigten Koffer unterschlagen. Der Mann hatte einen Lutscher mit einem 200-Euro-Schein bezahlt, um die Toilette benutzen zu dürfen. Womöglich ist das Behältnis voller Schwarzgeld, das niemand vermisst. Allerdings widersteht der Koffer hartnäckig auch den brachialsten Öffnungsversuchen; und dann taucht ein Typ auf, der ihn unbedingt haben will und dafür auch über Leichen gehen würde.

Wie Klaus und Wipprecht die Geschichte nun fortführen, spottet jeder Beschreibung. Obwohl sich der Film abgesehen von einer kurzen Einführung ausschließlich im und vorm Kiosk abspielt, entwickelt „Theken-Cowboys“ nicht zuletzt dank der oftmals in mehreren kleinen Ausschnitten präsentierten Bildgestaltung und vieler ungewöhnlicher Kameraperspektiven (Michael Kotschi) eine faszinierende Dynamik. Dass die Handlung trotzdem nicht überfrachtet und die Umsetzung nicht überdreht wirken, ist erstaunlich. Die Dialoge des Trios sind ohnehin ein Quell steter Heiterkeit, weil Podcast-Fan Thorsten auf wirklich jede Frage eine Antwort hat. Besonders witzig sind die nur ein kleines bisschen übertriebenen Anekdoten, die die Freunde von ihren Arbeitsstellen zum Besten geben; meist geht es dabei um harmlose Vorfälle, die von sensiblen Zeitgenossinnen zu Skandalen aufgebauscht werden.

Theken-CowboysFoto: HR / Bluelaserboys / Triple Pictures
Dank der oftmals in mehreren kleinen Ausschnitten präsentierten Bildgestaltung und vieler ungewöhnlicher Kameraperspektiven (Michael Kotschi) besitzt „Theken-Cowboys“ (HR / 2025) auch filmisch eine faszinierende Dynamik. Wipprecht, Manthei, Allmayer

Ähnlich wie in „Warten auf’n Bus“ ist irgendwann Schluss mit lustig, selbst wenn ein Killer nur halb so bedrohlich wirkt, wenn er mit heliumbedingter Piepsstimme spricht. Kurz darauf kommt der Mann gleich zweimal ums Leben. Fortan streiten sich Thorsten und Guido ständig, wer ihn auf dem Gewissen hat, denn tot bereitet er dem Trio weit mehr Ungemach als zu Lebzeiten. Zum Glück arbeitet Guido bei der Müllabfuhr, das ist ganz praktisch, wenn man eine Leiche loswerden will. Das Gefährt, mit dem er aufkreuzt, erweist sich jedoch als denkbar ungeeignet; kaum zu glauben, welch’ komisches Potenzial eine Kehrmaschine birgt. Natürlich lässt auch die Frau vom LKA nicht locker. Mit ihrer Mafia-Theorie liegt sie völlig richtig, weshalb die Handlung schließlich in einen kontrapunktisch mit „Perfect Day“ von Lou Reed unterlegten bleihaltigen Showdown eskaliert. An dem Spiel mit den Western-Elementen hatten Klaus und Wipprecht vermutlich ebenso viel Freude wie an den Nonsens-Dialogen; entsprechende Anleihen finden sich auch in der Kameraführung sowie in Niels Reinhards tiefenentspannter Filmmusik. Die verblüffende Schlusspointe setzt das Duo allerdings mit Hilfe der Plakatreklame.

Soundtrack:
The Scratch („Another Round“), Lou Reed („Perfect Day“), Umberto Tozzi („Tu“), Christopher Cross („Ride Like The Wind“)

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Fernsehfilm

HR

Mit Aurel Manthei, Johannes Allmayer, Alexander Wipprecht, Sabrina Amali, Bärbel Schwarz, Jörg Reimers, Lina Habicht, Fridolin Sandmeyer

Kamera: Michael Kotschi

Szenenbild: Mira Laczkowski

Kostüm: Ramona Petersen

Schnitt: Anton Korndörfer

Musik: Niels Reinhard

Redaktion: Jörg Himstedt, Erin Högerle

Produktionsfirma: BlueLaserBoys Wipprecht & Klaus, triple pictures

Produktion: Orlando Klaus, Alexander Wipprecht, Joshua Lantow, Seth Hollinderbäumer

Drehbuch: Orlando Klaus, Alexander Wipprecht

Regie: Orlando Klaus, Alexander Wipprecht

Quote: 3,00 Mio. Zuschauer (13,5% MA)

EA: 29.10.2025 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

weitere EA: 05.11.2025 20:15 Uhr | ARD

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