Tatort – Zeitzünder

Krug, Brauer, Krebs, Pete Ariel. Stoever & Brockmöller in der zweiten Reihe

Foto: NDR / Köhler
Foto Tilmann P. Gangloff

Der „Tatort – Zeitzünder“ aus dem Jahr 1990 erzählt eine verblüffend aktuelle Geschichte: Ein nicht näher bezeichneter islamischer Staat braucht für den Bau einer Atombombe Zünder aus Deutschland. Zwei Kleinganoven werden zu Bauernopfern eines Spiels, das viel zu groß für sie ist; und ein Bewährungshelfer muss aus Loyalität zu einem Klienten um das Leben seiner Tochter fürchten. Die Inszenierung ist allerdings etwas spannungsarm, und einige Figuren fallen recht klischeehaft aus. An diesem „Tatort“ hat der Zahn der Zeit genagt!

Es ist bei Krimi-Ausflügen in die Vergangenheit immer wieder erstaunlich, wie aktuell manche Themen nach wie vor sind. In der NDR-„Tatort“-Episode „Zeitzünder“ (EA: 1990) sucht das BKA nach einer Ladung mit 400 speziell angefertigten Impulsgebern, die als Zünder für Atombomben bestimmt sind. Der islamische Unrechtsstaat, für den diese in Deutschland hergestellten Zünder bestimmt sind, wird nie beim Namen genannt, aber das Drehbuch von Detlef Müller lässt keinen Zweifel daran, dass es sich um den Iran handelt. Natürlich ist so ein Fall kein Job für die Hamburger Hauptkommissare Stoever (Manfred Krug) und Brockmöller (Charles Brauer), die hier ohnehin nicht viel zu tun haben und im Grunde nur Fallbegleiter sind, weil das BKA sie um Amtshilfe gebeten hat: Bei einer Schießerei im Hamburger Hafen ist ein Mann getötet worden, ein zweiter ist verletzt auf der Flucht. Die beiden Männer haben allem Anschein nach die Zünder in Bielefeld abgeholt und nach Hamburg gebracht, aber nun fehlt von der Fracht jede Spur. Im Gegensatz zu den Ermittlern weiß der Zuschauer jedoch, dass der LKW leer war. Das Ganze war ein Ablenkungsmanöver, die Ware ist längst auf dem Schiffsweg in den Nahen Osten; die beiden Fahrer sollten als Mitwisser beseitigt werden.

Es ist ein bisschen schade, dass sich der vom Krimispezialisten und Actionserien erfahrenen Pete Ariel etwas spannungsarm inszenierte Film aus der großen Politik raushält. Zentrale Figuren sind wie so oft in den Krimis jener Jahre nicht die Drahtzieher im Hintergrund, sondern die Handlanger, die der Polizei ins Netz gehen. Heimlicher Hauptdarsteller von „Zeitzünder“ ist daher Diether Krebs als Kleinganove Wollek, der eigentlich ehrlich werden will, aber von einem Kumpan (Roland Nitschke) wieder auf die schiefe Bahn gelockt wird. Wie Wollek, so gerät auch sein Bewährungshelfer Maurer (Franz Boehm) ins Visier der Verbrecher, denn er weiß, wo sich Wollek, der die Schießerei am Hafen überlebt hat, aufhält. Maurer kooperiert zwar zunächst mit der Polizei, aber damit ist es vorbei, als die Gangster seine Tochter bedrohen und zur Warnung seinen Hund töten. Da sich die Ereignisse rund um Wollek & Maurer etwas im Kreis drehen, weil sich bloß der Grad der Bedrohung zuspitzt, ist es umso bedauerlicher, dass jene Rechtsanwältin, Almut Bashani, die die ganze Sache überhaupt erst ins Rollen gebracht hat, nur am Rande vorkommt. Eleonore Weisgerber versieht diese Frau von Anfang an mit einem reizvollen darstellerischen Trauerflor; tatsächlich entpuppt sich die Juristin schließlich als tragische Figur der Geschichte.

Weitere Rollen sind nicht annähernd ähnlich differenziert besetzt und gespielt. Guntbert Warns und Heinz Werner Kraehkamp, letzterer Zeit seines Lebens im Fernsehen ein Galgenvogel-Darsteller, wirken mit ihrem protzigen Import-Cabrio wie Zuhälter-Karikaturen, was andererseits auch wieder in Ordnung ist, weil ja auch echte Zuhälter gern wie Karikaturen wirken. Franz Boehm wiederum verkörpert den Bewährungshelfer derart kontrolliert und emotionslos, dass er kaum Empathie auslöst. Auch Regisseur Ariel hält sich stark zurück. Während die Musik einige allzu lautstarke Ausrufezeichen setzt, ist die Bildgestaltung mit ihrer sparsamen Kameraarbeit insgesamt recht unauffällig. Da betreiben Sonntagskrimis bildsprachlich heutzutage oft einen ganz anderen Aufwand, obwohl sie mit weitaus weniger als den damals üblichen 30 Drehtagen auskommen müssen. (Text-Stand: 2016)

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Reihe

NDR

Mit Manfred Krug, Charles Brauer, Franz Boehm, Diether Krebs, Eleonore Weisgerber, Hans Putz, Kerstin Gähte, Ronald Nitschke, Heinz Werner Kraehkamp, Guntbert Warns

Kamera: Claus Deubel, Mieke Fallert

Schnitt: Anja Cox, Angelika Lüth

Musik: Frank Langer, Frank Luchs

Produktionsfirma: Studio Hamburg

Drehbuch: Detlef Müller

Regie: Pete Ariel

EA: 04.08.1990 20:15 Uhr | ARD

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