Die Münchner Kommissare Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) verschlägt es in einen beschaulichen Ort im Voralpenland, von wo aus sich tags zuvor ein Wirtschaftsprüfer noch recht lebendig auf den Weg zurück in die Landeshauptstadt machte. Der Mann ist vergiftet worden, noch vor Ort im Nonnenkloster zum Heiligen Kreuz, wo er regelmäßig die Bücher kontrollierte. Auch die gläubigen Schwestern müssen mit der Zeit gehen, um neben den Ausgaben, die ein so großes Anwesen verursacht, auch ein paar Einnahmen zu haben: So ist Schwester Angela (Ulrike Willenbacher) für den Online-Shop zuständig, in dem eigene Erzeugnisse verkauft werden; sie hat aber auch ein glückliches Händchen an der Börse. Die Oberin (Corinna Harfouch) scheint nicht von allem Kenntnis zu haben, was im Kloster vor sich geht. Dem Wirtschaftsprüfer aber dürften die falschen Rechnungen nicht entgangen sein. Das Geld, das man bei ihm findet, deutet auf Erpressung hin. Aber Nonnen als Mörderinnen? Schwester Jacoba (Petra Hartung) ist aus dem Schneider, die war wandern. Schwester Klara (Constanze Becker) wirkt viel zu vergeistigt und Novizin Antonia (Maresi Riegner) hat ganz andere Sorgen. Der junge Sandro (Samuel Benito) stellt ihr offenbar nach, wenn er dem Hausmeister (Aurel Manthei) im Kloster zur Hand geht. Und der ist mehrfach vorbestraft, hat kein Alibi und stand mit dem Toten offenbar auf Kriegsfuß.
Leere Kassen, Klosterschließungen, fehlender Nachwuchs – das ist der reale Hintergrund für die Geschichte des „Tatort – Wunder gibt es immer wieder“. Das Grimme-Preis gekrönte Autorenduo Alex Buresch und Matthias Pacht („Das wahre Leben“) hatte auch die Idee zu diesem außergewöhnlichen Fall für die beiden Großstadtermittler. Der Schauplatz Kloster ist dabei mehr als bloß dramaturgische Vorgabe für ein Kammerspiel, das von der Einheit von Raum, Zeit und Handlung bestimmt wird. Die Themen sind auch Motive des Krimiplots. Das Leben im Kloster spielt für das Erzählte eine gewichtige Rolle: Die Charaktere, die Gründe, weshalb sie dieses abgeschiedene Leben gewählt haben, diese Gemeinschaft, diese kontemplative Daseinsform, stehen nicht weniger im Mittelpunkt als der Whodunit, der dadurch weniger zum Ratespiel wird. Denn das für die Aufklärung des Mordes Wesentliche bleibt für den Zuschauer lange im Dunkeln. Manches wird allenfalls angedeutet, und die Kommissare erklären sich gegenseitig den Fall in der zweiten Filmhälfte weniger ausführlich als üblich; sie finden eher Argumente für das Verhalten der Nonnen („Die tun alles, um das Kloster zu retten“). Dafür zeigen sie, dass sie nicht nur graue Locken, sondern auch die berühmten grauen Zellen eines Sherlock Holmes besitzen. Diese altmodische Variante der Überführung des Täters, die an die Klassiker von Agatha Christie erinnert, passt gut zum Raum-Konzept, aber auch zum Personal, den Vorgeschichten und zur Anatomie des Mordes.
„Ein leichter Sommerfilm“, wie es der Regisseurin Maris Pfeiffer anfangs vorschwebte, ist „Wunder gibt es immer wieder“ nicht geworden. Zwar taucht der stets ästhetisch brillante Bildgestalter Alexander Fischerkoesen die Bilder im Garten des Klosters in ein weiches, entrückend schön wirkendes Licht; drinnen allerdings dominieren harte Hell-Dunkel-Kontraste, hinzu kommen die Kargheit und die Enge der Räume, die dem Innenleben des Klosters eine fremdartige Düsternis verleihen. Und in der Nacht geht es hier regelrecht gespenstisch zu. Bedrohliche Schatten, fahles Licht, zum Leben erweckte Heiligbilder, eine gesichtslose Nonne, die sich selbst geißelt, das Schreien rolliger Katzen. Im Nachgang erweisen sich solche Schreckensbilder zwar oft als Batics Alpträume; an der ungemütlichen Stimmung ändert das allerdings nichts. Offenbar fremdelt der Kroate stärker mit dieser unbekannten, seltsamen Welt als sein bayerischer Kollege. Der war immerhin Messdiener, kennt die geistlichen Rituale, die die Nonnen den Ungläubigen vorleben – vorbeten und (beeindruckend) vorsingen, was im Übrigen die befremdliche Stimmung auch für den Zuschauer noch verstärkt. Und die beiden Abgesandten des Vatikans, die „in einer kircheninternen Angelegenheit“ im Kloster unterwegs sind, wie es ständig heißt, hinterlassen mit ihrer geheimniskrämerischen Art auch keinen besonders vertrauensvollen Eindruck.
Ein ausgeklügelter, komplexer Krimiplot ist aufgrund der genrefernen Ausgangssituation der Geschichte bei „Wunder gibt es immer wieder“ ebenso wenig zu erwarten wie klassischer Thriller-Suspense oder Action-Momente. Die Technik, früh die Stimuli zu minimieren, ist clever und senkt die Reizschwelle für alles Kommende. Und so gibt es durchaus Spannungs-Momente in diesem „Tatort“; sie ergeben sich immer wieder aus dem Klosterambiente. Wenn es in die uralten Kellergewölbe geht, dort eine sakral angeleuchtete Nonnenfigur entdeckt wird, umgeben von allerlei Hightech-Installationen, die Kommissare diese kostbare Heilige beinahe zu Fall bringen und einer der zwielichtigen Monsignori naht, dann kommen diese Krimi-Emotionen zusammen. Und wenn schließlich Kalli (Ferdinand Hofer) mit seinem Team zur Hausdurchsuchung einfällt, dann feiert die weltliche Macht Einzug an diesem Ort der Stille, und es geht Schlag auf Schlag („Das Lügen hat ein Ende“). Jetzt ist es an den Kommissaren, die Puzzleteile der Ermittlung zusammenzusetzen, bis sie mittels Rückblenden die bereits erwähnte Old-School-Aufklärung vor versammelter Klostergemeinschaft wählen. Fazit: ein stimmungsvoller, vorzüglich gecasteter „Tatort“ (vor allem die Schauspielerinnen der Nonnen). Ein nicht überstrapazierter Whodunit, der auf die Erfahrung der Kommissare setzt und aufs Drama zielt, ohne den Krimi zu vernachlässigen. Ein Kammerspiel, dessen rätselhafte Geschichte stark von der elaborierten Filmsprache lebt. (Text-Stand: 25.11.2021)