Es geht gleich zur Sache im neuen „Tatort“ aus München. Verfremdete Bilder, Blut, Reanimationsapparaturen, aufgeregte Ärzte, Hektik, Todeskampf in Nahaufnahme. Der, der mit dem Leben ringt, ist Kommissar Batic. „Wir sind die Guten“, steht da in unsteter Schrift, als ob es gar nicht klar wäre, wer hier die Guten sind. Ein harter Schnitt. Batic, Schürfwunden im Gesicht, wankt durch die bayerische Landschaft. Es ist Sommer, die Grillen zirpen – nur der Kommissar weiß nicht mehr, wer er ist. Hatte er einen Unfall? Wird er verfolgt? Oder simuliert er? Das LKA hat schnell seine Schlüsse gezogen: Batic steht unter dringendem Verdacht, eine Kollegin der Drogenfahndung, deren Ausbilder und Geliebter er vor Jahren war, ermordet zu haben. Der Kommissar taucht unter. Alle haben sich gegen ihn verschworen. Nur Leitmayr kann nicht glauben, dass sein Freund ein Mörder sein soll.
Foto: BR / Stephen Power
„Was ist Wahrheit? Was kann man wissen? Wie viel hält eine Freundschaft aus? Und können wir so eine Geschichte im deutschen Fernsehen erzählen?“ Das sind für Udo Wachtveitl die Fragen dieses außergewöhnlichen „Tatorts“. Ein Action-Krimi-Thriller um Amnesie und Korruption und mittendrin der Held unter Verdacht und auf der Flucht, verfolgt von realen und halluzinierten Wesen. Was in US-Krimiserien zum guten Ton gehört, hat man hierzulande, wo sich der Krimi eher an Realismen orientiert, bislang selten ausprobiert. Dafür muss man dem BR schon dankbar sein. Auch wenn das Zusammentreffen dieser unerhörten Geschichte mit den spezifischen Eigenarten dieses Kumpel-Duos nicht ganz reibungslos vonstatten geht. So muss Leitmayr noch weit über die Exposition hinaus psychologisch und genretechnisch dümmer sein, als die Polizei erlaubt. „Du musst dich erinnern“, beschwört da Leitmayr den Kollegen, als ob er nicht wüsste, was Amnesie bedeutet. Solche Dinge nerven ein wenig, weil sie dem Film zwischenzeitlich die Rasanz nehmen und den Charakteren die typisch deutsche Betulichkeit geben, die man mit dieser Geschichte ja gerade abzustreifen versucht.
Nach 30 Minuten dann geht es wieder richtig los. Das Geplänkel ist vergessen. Freund bleibt Freund. Leitmayr ist bald raus aus dem Fall, Batic kämpft mit Schattenwesen – doch gemeinsam sind sie stark und werden es den anderen einmal so richtig zeigen. Bei „Wir sind die Guten“ kommen mehr Emotionalität und sehr viel höhere Spannung auf als in herkömmlichen Ermittlerkrimis. Da braucht man keine handvoll Verdächtiger, da reicht es, wenn man zwei zwielichtige Kollegen hat – und damit drei mögliche Täter-Varianten. Doch am Ende gibt es dann sogar noch einen dritten Mann in diesem auch handwerklich überzeugenden „Tatort“, der einem einmal nicht die Welt erklärt. Jobst Oetzmann bekam für seinen „Tatort: Der freie Fall“ 2002 den Grimme-Preis. Bei ihm weiß man schneller als bei den Männern im Film: Er gehört zu den Guten! (Text-Stand: 13.12.2009)