Tatort – Wahre Lügen

Krassnitzer, Neuhauser, Hackl, Matic, Emily Cox, Thomas Roth. Polit-Verschwörung

Foto: Degeto / ORF / Domenigg
Foto Volker Bergmeister

Der neue Wien-“Tatort – Wahre Lügen“ (ORF / Cult Film) kommt so gar nicht wienerisch daher. Die Gründe dafür: Der Film spielt in Teilen am drei Stunden von der Hauptstadt entfernten Wolfgangsee; außerdem handelt es sich um einen brisanten Polit-Krimi mit starken Bezügen zur österreichischen Vergangenheit, in dem nicht Strizzis den Ton angeben, sondern Verbrecher in feinem Zwirn. Autor und Regisseur Thomas Roth ist ein überlegt konstruierter, spannender Krimi gelungen, in dem weniger agiert als diskutiert wird und in dem Fellner & Eisner – dem ernsten Thema gemäß – nicht so humorvoll und bissig agieren wie sonst.

Inkasso-Heinzi außer Gefecht, Kollege Schimpf (Thomas Stipsits) diesmal auf Fortbildung: Der neue Wien-“Tatort – Wahre Lügen“ kommt so gar nicht wienerisch daher. Das liegt zum einen daran, dass er in Teilen am drei Stunden von der Hauptstadt entfernten Wolfgangsee spielt, und zum anderen daran, dass es sich um einen brisanten Polit-Krimi mit starken Bezügen zur österreichischen Vergangenheit handelt, in dem nicht Strizzis den Ton angeben, sondern Verbrecher in feinem Zwirn. Somit beweist der ORF-“Tatort“ einmal mehr, dass er mit Eisner und Fellner ein Duo hat, dem man stets gerne zusieht, und dass er thematisch immer für Überraschungen gut ist und sich dadurch auch der erzählerische Ton verändert.

Tatort – Wahre LügenFoto: Degeto / ORF / Domenigg
Look mit Stil, zwei Schauspieler von Format: Robert Hunger-Bühler & Emily Cox

„Das muss ja unglaublich schön sein, hier in der Gegend Urlaub zu machen“, sagt Bibi Fellner (Adele Neuhauser), als sie sich mit ihrem Kollegen Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) dem Tatort am wunderbar gelegenen Wolfgangsee nähert. Der kontert nur knapp: „Und unglaublich teuer“. Ein rätselhafter Mordfall erwartet die Ermittler aus Wien im Salzkammergut. Ein Auto wurde aus dem See geborgen, am Steuer saß eine Frau. Sie wurde erschossen. Es handelt sich um eine Hamburger Journalistin, die zuletzt an einer Geschichte über illegale Waffengeschäfte gearbeitet hat. Die Inspektoren durchleuchten das berufliche und private Umfeld des Opfers. Da ist die verzweifelte Lebensgefährtin der Toten, Sybille Wildering (Emily Cox). Da ist ihr Chefredakteur (Alexander Absenger), der nicht mit offenen Karten spielt. Und da ist ein ehemaliger Polizist namens Hans-Werner Kirchweger (Peter Matic), der das Kommissar-Duo auf einen mysteriösen und auch nach Jahrzehnten noch immer nicht restlos aufgeklärten Todesfall eines ehemaligen österreichischen Ministers aufmerksam macht. Damit nicht genug, Bibi und Moritz bekommen auch den langen Arm der Generaldirektion für Innere Sicherheit zu spüren. Die hat unter der Leitung von Dr. Maria Digruber (Franziska Hackl) offensichtlich kein Interesse an einer Aufarbeitung dieses alten, politisch unbequemen Falles und übt Druck auf den Vorgesetzten der Kommissare (Hubert Kramar) aus. Doch Eisner & Fellner ermitteln unbeirrt weiter und es wird klar, dass es einen Zusammenhang zwischen beiden Fälle gibt.

Tatort – Wahre LügenFoto: Degeto / ORF / Domenigg
Über den Dächern von Wien haben die Wände keine Ohren. Bibi Fellner (Adele Neuhauser), Moritz Eisner (Harald Krassnitzer), Obert Ernst Rauter (Hubert Kramar), Lukas Kragl (Sebastian Wendelin) und Dr. Maria Digruber (Franziska Hackl)

Zum siebten Mal inszeniert Thomas Roth, der auch fast alle Filme der legendären Reihe „Trautmann“ gedreht hat, einen ORF-“Tatort“. Zuletzt waren des die Folgen „Deckname Kiddon“ und „Die Kunst des Krieges“. Wie in Letzterem zeichnet Roth auch in „Wahre Lügen“ für Buch und Regie verantwortlich. Die Story hat einen historischen Hintergrund. Der Fall Lütgendorf, zu dem die investigative Journalistin im Film recherchiert, ist ein reales Ereignis der österreichischen Kriminalgeschichte und Innenpolitik. Karl Lütgendorf war von 1971-77 Verteidigungsminister der Alpenrepublik, musste zurücktreten und starb am 9. Oktober 1981 durch einen Revolverschuss in den Mund. Offiziell gilt der Tod Lütgendorfs als Selbstmord, dennoch gibt es hartnäckige Gerüchte, dass er auf einem Jagdausflug ermordet wurde. Dieses Gerücht nimmt Roth auf und schickt die Wiener Kommissare auf eine Reise in die Vergangenheit. „Wenn wir den Stein ins Rollen bringen, rollen da jede Menge hohe Köpfe hinterher. Oder unsere eigenen“, lässt er Eisner sagen. Doch viel Licht ins Dunkel des mysteriösen Todes Lütgendorfs bringt der Autor des Krimis nicht. Das ist wohl auch nicht möglich. Aber immerhin gelingt ihm ein kluger Schachzug, da er einen Mord in seinem Film exakt so inszeniert wie auch Lütgendorf wohl zu Tode kam.

„Wahre Lügen“ ist ein überlegt konstruierter, spannender Krimi, in dem aber weit weniger agiert als diskutiert wird. Der Film setzt auf viele Dialoge, es muss ja auch viel erklärt (und gemutmaßt) werden. Das nimmt der Geschichte ein wenig den Fluss. Auch der sonst gewohnte Humor und die Bissigkeit der Kommissare bleibt hier deutlich hinter anderen Folgen zurück. Sieht man mal von der Anfangssequenz am Schießstand ab, als Eisner sich nicht sonderlich treffsicher zeigt und Bibi ihn rettet, ist die Tonlage fast durchweg ernst. Einen lockeren Ton würde diese Polit-Story auch nicht vertragen. Bibi und Moritz sind emotional mitgenommen von der Dimension dieses Verbrechens. „Warum ziehe ich das an? Das Unglück von anderen?“, sinniert Bibi. Moritz versucht ihr zu helfen: „Du darfst das alles nicht immer so tief in dein Herz hineinlassen. Du musst den Fall sehen, nicht das Schicksal.“ Doch die Kommissarin folgt ihrem Herzen, begibt sich so erneut in eine dienstrechtlich schwierige Situation, sie kümmert sich um die Freundin der ermordeten Journalistin. Da kommt bei Moritz dann doch noch ein wenig Ironie durch: „Bravo. Die Mutter Teresa der Halbwelt.“

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Reihe

ORF

Mit Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser, Franziska Hackl, Sebastian Wendelin, Susanne Gschwendtner, Emily Cox, Robert Hunger-Bühler, Peter Matic, Hubert Kramar, Alexander Absenger, Peter Appiano, Madallena Hirschal, Günter Franzmeier

Kamera: Arthur W. Ahrweiler

Szenenbild: Florian Reichmann

Schnitt: Cordula Werner

Musik: Lothar Scherpe

Redaktion: Bernhard Natschläger, Andrea Zulehner (ORF)

Produktionsfirma: Cult Film

Produktion: Burkhard Ernst, Katharina Ernst

Drehbuch: Thomas Roth

Regie: Thomas Roth

Quote: 10,45 Mio. Zuschauer (29% MA)

EA: 13.01.2019 20:15 Uhr | ARD

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