Schimpanse Tembo, Neuzugang aus dem Kongo und Botschafter für den neuen Affenwald des Züricher Zoos, liegt erstochen im Gehege. 99 Prozent Übereinstimmung in der DNA von Mensch und Affe reichen Tessa Ott (Carol Schuler), um die Sache wie einen Mord zu behandeln. Kollegin Grandjean (Anna Pieri-Zuercher) lächelt nur müde, kann aber auch nicht erklären, warum Tembos Tierpfleger verschwunden und seine Wohnung verwüstet ist. So schwer wie die beiden, durch Mondsüchtigkeit und Schlaflosigkeit geschwächt, in dem Fall vorankommen, desto schneller dreht sich hier das Karussell. Nach einer Viertelstunde sind drei Menschen tot und das Publikum auf weitere Verluste gefasst. Funfact am Rande: Auch wer schrille Figuren mag, wird es den Zürcher Stammautoren Stefan Brunner und Lorenz Langenegger danken, dass sie gezielt die nervigsten unter ihnen bald wieder ins Jenseits entlassen. Übrig bleibt Finanzbetrügerin Aileen (Sarah Viktoria Frick, „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“, 2018), die sich in ihre Zwillingsschwester Nicole (ebenfalls Frick) verwandelt, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen. Die Basis zu ihrem neuen Leben bilden ein paar Rohdiamanten, die nach mehrfachem Besitzerwechsel bei Nicole gelandet sind. Mit den Steinen aus dem Kongo schließt sich denn auch der Kreis zu Schmuggeltier Tembo.
Foto: SRF / Sava Hlavacek
Bis dahin braucht der Irrsinn ein paar Wegmarken, auf die man sich verlassen kann. Das Schlafdefizit der Ermittlerinnen wirkt eher aufgesetzt. Gelungener sind die sich wiederholenden Momente, in denen die Auswahl ungewöhnlicher Werkzeuge auf die nächste Mordtat verweisen. Zusätzlich gönnt Regisseur Michael Schaerer den Hauptfiguren im kriminellen Geflecht ein paar schöne Spiegelszenen: Im Stillen probt Aileen ihren Auftritt als Nicole, Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig) ihre Dankesrede für den neuen Posten im Bundesgericht und der um sein Geld gebrachte Max Loosli (Michael von Burg) den Triumph gegenüber seinem Entführungsopfer Aileen. Eine zweite Ebene für die bildgewordene Spiegelung menschlicher Anmaßung findet die Kamera (Gabriel Sandru) im Züricher Zoo. Besonders gelungen ist die Montage von einem Empfang, bei dem Otts Lebensgefährte Charlie (Peter Jecklin) im Wechsel Tiere, Artefakte kolonialer Aneignung und champagnertrinkende Honoratioren der Stadt fotografiert. Charlies unsicherer Gang durch die feine Gesellschaft ergänzt einen erzählerischen Nebenstrang, der mehr als bisher über Otts drogenabhängigen Freund erzählt. Genauso balanciert „Tatort – Von Affen und Menschen“ auch das Verhältnis von Grandjean und ihrem Liebhaber Milan (Igor Kovač) aus. Die privaten Hintergründe der Ermittlerin fügen sich äußerst geschmeidig in die Haupthandlung ein.
Geschmeidig auch die Musik: Mirjam Skal komponierte einen Sound aus tackender Percussion, die sie wahlweise mit tropischen Tiergeräuschen, tickenden Uhrzeigertönen oder warmen Glocken mischt. Die Musik setzt Akzente, wirkt dynamisierend oder unterstreicht die Stimmung im Schweizer Kripo-Team. Die ist nahezu ausgelassen als Assi Noah Löwenherz (!) eine Sternstunde und knappes Lob erfährt, weil er Funkzellenauswertung, Gerichtsakten und Fotos zu einer richtigen Spur zusammenfügt. Ansonsten stehen Grandjean und Ott – nahezu durchgängig die gleiche Kleidung tragend – der wie immer höchst schicken Staatsanwältin Wegenast in freundlicher Skepsis gegenüber. Beide wissen, dass sich diese Karrieristin erneut auf einen höheren Job beworben hat und dabei auf die Unterstützung der verdächtigen Juwelierin Rosi Bodmer (Heidi Maria Glössner) angewiesen ist. Anita Wegenast wird sich entscheiden müssen und egal, worauf es hinausläuft, der Zürich-Krimi bedient auf ein Neues sein Lieblingssujet von Klassenkampf und Korruption im Spätkapitalismus.
Foto: SRF / Sava Hlavacek
Die beiden Stammautoren Stefan Brunner und Lorenz Langenegger sind seit dem Zürich-Debüt „Tatort – Züri brännt“ dabei. Sie haben die Figuren Grandjean und Ott entwickelt. Das zahlt sich in „Tatort – Von Affen und Menschen“ aus. Zwar könnte die Handlung des siebten Falls in jeder mit einem Zoo gesegneten Großstadt spielen, dafür führt das Autorenteam die Ermittlerinnen sicher durch einen Dschungel an Verdächtigungen und Verführungen, feiert ein paar schrille Momente und verleiht dem Stammpersonal in all dem Wahnsinn doch mehr Gesicht. Mit dieser Mischung waren Regisseur und Autorenteam 2024 beim Deutschen Fernsehkrimifestival in Wiesbaden für den Fernsehkrimipreis nominiert.