Ein junger Journalist erhängt sich. Er war ein Aufklärer, einer, der den Finger in die Wunde legt, ein Idealist. Was der Zuschauer von Beginn an weiß: dieser glücklos-unglückliche Mann hat sich in den populären Gewerkschaftsführer Leo Greedinger verliebt. Bevor er sich töten will, ruft er ihn noch einmal an. Doch ans Handy geht Greedingers Vater. „Ich hab deinen Arsch gerettet“, sagt der alte Mann später. Ob er damit nur das Löschen von belastenden PC-Dateien oder den Abschiedsbrief meint, den er geschrieben hat? Oder ob er nachgeholfen hat beim Sterben des Mannes, der seinen Sohn, den großen Hoffnungsträger der schönen neuen Arbeitswelt, hätte politisch vernichten können? Wer weiß! Vielleicht ist aber auch Greedinger junior zum Ort des geplanten Selbstmords gefahren? Er war ganz in der Nähe. Das sind Gedanken, die sich Batic und Leitmayer machen. Da ist die erste Halbzeit des „Tatorts“ längst vorbei. Der Zuschauer ist da schon sehr viel weiter.
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Wenn es in einem Krimi um ein Thema geht, kann man die Perspektive der Kommissare zum Maß aller Dinge machen. So kommen einem oft die Kölner Ballauf und Schenk: Prinzip „einfach gestrickt“. Auch die Münchner sind keine intellektuellen Überflieger. Und so hat sich Autor Christian Jeltsch etwas Kluges dazu ausgedacht, wie er die Handlung von seinen Ermittlern lösen kann, um dem Zuschauer so einen ebenso authentischen wie spannenden Schnellkurs in Sachen Machtspiele und Machterhalt, Öffentlichkeitsarbeit und Boulevard-Journalismus zu geben. In Anbetracht dessen, dass das Fernsehen zu viele Krimis produziert und jedes zweite Fernsehspiel vom Krimi-Genre zumindest infiziert ist, ist ein „Tatort“ wie „Um jeden Preis“ eine willkommene Abwechslung vom Whodunit-Einheitsbrei.
Herzstück dieses Films ist Thomas Sarbachers Gewerkschaftsboss in feinem Zwirn und Lackschuhen. Ein Mann, der die Vision vom globalen Netzwerk der Gewerkschaften verkauft. Ein Machtmensch, der seine Auftritte probt wie ein Schauspieler. Dass er und Batic einst engste Freunde waren, das nutzt Jeltsch, um auch andere Seiten dieses Machers zu zeigen, Seiten, die er ausblenden muss, um politisch Karriere zu machen. Auch die Kritik seines Vaters, eines Gewerkschafters der alten Schule, nimmt er sich durchaus zu Herzen. In Greedinger junior spiegelt sich der Wandel der Zeit. Autor Jeltsch sieht bei ihm „die Veränderung in der Wahl der Mittel, um für die Arbeiter etwas zu erreichen“. Das ist die Haltung. Sie lässt sich nicht in Abrede stellen. Das andere ist der politische Instinkt, sind die Tricks, die er – wenn nötig – anwendet. Das alles erzählt der von Peter Fratzscher schnörkellos inszenierte Film mit. Ein Krimi, der moralische Fragen anschneidet, ohne dabei Moral zu predigen – das ist doch mal was! (Text-Stand: 18.10.2009)