Die Kölner Ermittler widmen sich gerne den großen Themen – Kinderprostitution, Blutdiamanten, Obdachlosigkeit. Im Schatten des Doms erklären uns Freddy Schenk und Max Ballauf dann die Welt. In der Folge „Tatort – Trautes Heim“ ist alles eine Nummer kleiner. Und auch der typische Sozial-Touch fehlt im neuen WDR-Krimi aus der Rheinmetropole. Das tut gut, doch überzeugen kann die Story um ein Doppelleben, eine Kindesentführung und eine Alibi-Agentur (die mit dem „Rundum-Sorglos-Paket“) nicht. Wenig Spannung, eher absehbare Wendungen und endlose Dialoge zur Ermittlungsarbeit. Die wenigen Stärken dieser „Tatort“-Episode liegen in den Szenen mit zwei um ihre heile Welt betrogenen Frauen.
Der achtjährige Lukas wird auf offener Straße entführt. Auf der Flucht vom Tatort tötet der Kidnapper den einzigen Zeugen, der den Wagen mit seinem Motorrad verfolgt. Die Kölner Cops Ballauf und Schenk stehen vor einem Rätsel. Warum wurde der Junge gekidnappt? Geht es um Erpressung? Oder ist Lukas einem Pädophilen in die Hände gefallen? Völlig aufgelöst reagiert die Mutter des Jungen, Simone Schäfer (Alma Leiberg), auf die Nachricht. Simones Schwester (Meike Droste) und ihr Schwager (Lasse Myhr) stehen ihr bei. Lukas Vater Roman Sasse (Barnaby Metschurat), selbstständiger Software-Berater, verhält sich merkwürdig. Da werden im komplett ausgebrannten Tatfahrzeug die Überreste von Lukas Handy sichergestellt. Angemeldet ist das Kinderhandy nicht auf Lukas, sondern auf den etwas älteren Hugo (Sam Gerst). Dessen Mutter Ruth (Sandra Borgmann) hat noch nie etwas von Lukas Schäfer gehört. Es stellt sich heraus, Roman Sasse führt ein Doppelleben, seit Jahren verbringt er stets zwei Wochen bei der einen Frau mit Kind, dann zwei bei der anderen Frau mit Kind. Eine Alibi-Agentur stützt das filigrane Lügengebäude. Aber was will der Kidnapper?
Die Ballade vom Bigamisten wird gerne erzählt. Hier ist sie mit einer streckenweise sich dahinschleppender Krimihandlung ummantelt. Dieser Roman Sasse ist kein amoralisches Scheusal, mit großer Hingabe kümmert er sich um seine beiden Frauen und seine beiden Söhne. Das erinnert stark an den WDR-Film mit dem zeilenfüllenden Titel „Theo, Agnes, Bibi und die anderen“. Den Mann mit Doppelleben spielte damals ausgerechnet Dietmar Bär. Diesmal kommt der als Kommissar Freddy Schenk – gemeinsam mit Kollege Ballauf – dem Bigamisten auf die Spur. Wenn der Betrüger sich seinen beiden Familien offenbart, dann hat der „Tatort – Trautes Heim“ seine stärksten Momente. Alma Leiberg und Sandra Borgmann spielen die beiden traumatisierten Frauen mit großer Intensität. Barnaby Metschurat mimt Roman Sasse wohltuend zurückhaltend und leise. Ein Mann, der sich nicht windet, die Wahrheit offenzulegen, mit allen Konsequenzen – weil es um das Leben seines Sohnes geht.
Dem Buch merkt man an, dass mit Roland Heep und Frank Koopmann („Hai-Alarm auf Mallorca“) zwei in erster Linie erfahrene Serienschreiber am Werk waren. Viel, allzu viel, was die Geschichte voranbringen soll, wird in breiten Dialogen erklärt und weniger filmisch gelöst. Regisseur Christoph Schnee („Danni Lowinski“), setzt auf meist kühle Bilder, teilweise musikalisch unterlegt mit Jazz-Improvisationen. Die sind nicht immer glücklich: Wenn ein Motorrad vorbeifährt und so beim Täter Erinnerungen an die Beseitigung des Zeugen auf seinem Zweirad hervorgerufen werden, ist das etwas platt. Schnees zweite „Tatort“-Arbeit mit den Kölner Kommissaren nach „Schmale Schultern“ wirkt insgesamt sehr entschleunigt. Im damaligen Fall ging es auch um eine Familiengeschichte – um einen Scheidungskrieg. Der Fall wurde eng mit den Privatsorgen der Ermittler verflochten. „Trautes Heim“ kommt ohne eine solche Parallelgeschichte aus. Und das ist gut so. Für die privaten, etwas auflockernden Momente ist Assistentin Franziska zuständig, die so ihre Problemchen mit einem Lover hat. Ihr gehört auch die Abschluss-Pointe. Die spielt an der Kult-Würstchenbüde mit Blick auf den Kölner Dom. Nicht sonderlich aufregend – wie der ganze Krimi. (Text-Stand: 24.3.2013)