Tatort – Tod auf der Walz

Ein "Tatort" so richtig aus Bayern: Von Handwerksgesellen & Heimatfilm-Ambiente

Foto: BR / Rolf von der Heydt
Foto Rainer Tittelbach

Die Kommissare Leitmayr und Batic verschlägt es ins Münchner Umland. Ein Walzbruder ist gleich nach dem Beginn seiner Wanderschaft ermordet worden. Die Spuren führen zu den Handwerkern des „Freien Hoffnungsschachts“. Ein „Tatort“, in dem man nicht viel versteht, dem man aber dennoch gern folgt in die traditionelle Welt der Handwerksgesellen.

„Ken, Kunde, Ken“, begrüßen sie sich, wenn sie sich begegnen. „Schietendick“, lallen sie, wenn sei ein, zwei über den Durst getrunken haben und wenn ein „Sausebrand“ naht. Steht ihnen der Sinn nach Nikotin, zünden sie sich einen „Hustenburger“ an. Handwerksgesellen auf der Walz haben eine eigene Sprache, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Doch mehr noch der Verhaltenskodex der Zunft irritiert Außenstehende. Das fängt mit der seltsamen Kleidung an, der Kluft aus Schlapphut, Samtweste und Schlaghosen, und endet mit der Sitte, drei Jahre und einen Tag „tippeln“ zu müssen. Einerseits spiegelt sich im Alltag der reisenden Handwerksgesellen jene Freiheit, nach der man sich sehnt in einer Welt, wo alles streng reglementiert ist, andererseits muss man sich auf der Walz selbst strengen Regeln unterwerfen. Fasziniert vom Walzbuch seines Großvaters, wollte Autor Markus Fenner seit langem einen Spielfilm machen, in dem „diese autarke, nach außen abweisende Spezialwelt mit ihren bis ins Mittelalter zurückreichenden Wurzeln“ im Mittelpunkt stehen sollte.

In ein seltsames Milieu entführt einen der „Tatort: Tod auf der Walz“. Leitmayr und Batic verschlägt es ins Münchner Umland, wo selbst der Urbayer der beiden Kommissare nur noch Bahnhof versteht. Ein Walzbruder ist zu Beginn seiner Wanderschaft ermordet worden. Die Spuren führen zu den Handwerkern des „Freien Hoffnungsschachts“. Hauptverdächtiger aber ist ein übel beleumundeter Bauunternehmer, den der Ermordete kurz vor seinem Tod noch um einen Batzen Geld erleichtert hat. Ihren eignene Schuldigen haben derweil die bayerischen Dorfbewohner für sich ausgemacht: „die kroatische Hex’“ sei an allem schuld! Die würde allen den Kopf verdrehen. Glücklich die Zeiten, als Frauen das „Tippeln“ noch verboten war.

Selten fehlte den Münchner Platzhirschen so offensichtlich der Durchblick. Mit einem Führer durch die Begrifflichkeiten der Walzzunft schlagen sie sich durch den Verbaldickicht, doch auch menschlich finden sie zu den sich sehr abweisend gebenden Handwerksgesellen nur schwer Zugang. Das ändert sich, als Leitmayr bei einem Gesellenfest undercover ermittelt und die „Tippelschickse“ Franzi (sehr eindrucksvoll: Lisa Maria Potthoff) langsam Vertrauen zu ihm gewinnt. Bald schlagen hier sogar zwei Herzen im Gleichklang.

Tatort – Tod auf der WalzFoto: BR / Rolf von der Heydt
Ein sehr sehenswerter, gut besetzter „Tatort“ aus dem Umland von München. Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec, Elmar Wepper und Michael Fitz

Auch der Zuschauer braucht seine Zeit, um mit diesem überaus stimmig geschriebenen und inszenierten „Tatort“ warm zu werden. Immer wieder tun sich Barrieren im Verständnis auf. Da ist der fremde Sprachcode, da sind die merkwürdigen Sitten und Gebräuche. Aber auch bei der Mundart aus dem hintersten Flecken Bayerns gibt es für Nichtsüddeutsche nur wenig zu verstehen. Das passt aber zunehmend besser ins Bild eines schön schrägen Krimis, der bei aller Atmosphäre durchaus eine gewisse Spannung über die 90 Minuten beibehält. Regisseur Martin Enlen ist es wieder einmal gelungen, dem sonntäglichen Mörderspiel-Ritual mit reichlich Lokalkolorit auf die Sprünge zu helfen und so aus „Tod auf der Walz“ einen „Tatort“-Heimatfilm zu machen, den der Zuschauer nicht so schnell vergessen wird.

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

BR

Mit Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec, Michael Fitz, Maximilian Brückner, Elmar Wepper, Johanna Bittenbinder, Lisa Maria Potthoff, Dirk Borchardt, Johanna Bittenbinder, Monika Baumgartner

Kamera: Philipp Timme

Schnitt: Ulla Möllinger

Musik: Dieter Schleip

Produktionsfirma: Avista Film

Drehbuch: Markus Fenner

Regie: Martin Enlen

EA: 06.11.2005 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach