Der Sender Freies Berlin war im Vergleich zu ARD-Größen wie WDR oder NDR eine kleine Anstalt, weshalb die Zahl der Eigenproduktionen stets überschaubar blieb. Zum „Tatort“ zum Beispiel steuerte der SFB in den Siebzigerjahren gerade mal sieben Filme bei; der WDR dagegen ließ seinen Zollfahnder Kressin allein 1971 gleich drei Fälle lösen. Kein Wunder, dass sich die frühen Berlin-Krimis nicht im kollektiven Gedächtnis verankern konnten, zumal in den sieben Filmen drei unterschiedliche Kommissare ermittelten. „Sterne für den Orient“ war der erste Auftritt von Hans Peter Korff als Kommissar Behnke, der aber im Jahr darauf nach einem weiteren Fall („Gefährliche Träume“) schon wieder seinen Hut nehmen musste. Gemäß der Berliner Tradition ist der etwas langweilige Ermittler ohnehin nicht die Hauptfigur.
Günter Gräwert (auch Regie) und Georg Alten erzählen die Geschichte des Jurastudenten Peter Schäfer (Dieter Schidor), der auf die schiefe Bahn gerät, nachdem er ein Auto in die Türkei überführt hat. Ihm wird zwar klar, dass er von einer Autoschieberbande engagiert worden ist, die sich auf die S-Klasse von Mercedes spezialisiert hat (daher der Titel), aber er findet Gefallen an dem leicht verdienten Geld. Beim Diebstahl des nächsten Autos ereignet sich jedoch ein tödlicher Unfall. Für Kommissar Schumacher (Gerd Baltus), der der Bande mit seiner unterbesetzten Abteilung schon lange vergeblich auf den Fersen ist, kommt das Ereignis gerade recht; nun ist das Ganze ein Fall für die Mordkommission. Weil die Polizei fortan jeden passenden Mercedes kontrolliert, der die Grenze Richtung Tschechoslowakei passiert, wird Covacz (Walter Jokisch), der Kopf der Bande, nervös, weil er die Bestellungen nicht mehr erfüllen kann. Kfz-Meister Zankl (Hans-Helmut Dickow), der für den Diebstahl der Autos zuständig ist, soll dafür sorgen, dass die Polizei ein Bauernopfer bekommt: Schäfer.
Die Geschichte ist interessant, aber mit hundert Minuten ist der Film deutlich zu lang; auch die hörenswerte elektronische Musik von Klaus Doldinger ändert nichts daran, dass sich die Spannung in Grenzen hält. Gräwert, der zuvor schon die ungleich fesselnderen Berlin-Krimis „Rattennest“ (1972) und „Transit ins Jenseits“ (1976) inszeniert hatte, nimmt sich viel zu viel Zeit für Nebensächlichkeiten und schildert beispielsweise das raffinierte Knacken der Autos mit fast schon dokumentarischer Ausführlichkeit; das hatte nach der Ausstrahlung garantiert die Mahnung zur Folge, das Fernsehen dürfe den Autodieben nicht auch noch zeigen, wie’s geht. Reizvoll ist dagegen die Besetzung der Ganoven. Für den 1987 mit nicht mal vierzig Jahren an Aids verstorbenen Dieter Schidor („Querelle“), der 1971 als junger „Seewolf“ im gleichnamigen ZDF-Mehrteiler bekannt geworden war und fortan in einer Vielzahl von Krimifolgen gern als psychisch labile Figur besetzt wurde, war der Student, der eher aus Versehen schließlich sogar ein Menschenleben auf dem Gewissen hat, eine ungewöhnlich normale Rolle. Auch Zankl entspricht nicht dem Typus des hartgesottenen Ganoven, zumal Hans-Helmut Dickow den Mechaniker als harmlosen Mann von nebenan verkörpert, der alles andere als ein Mörder ist. Weil er sicherstellen soll, dass Schäfer bei der Polizei nicht auspackt, engagiert er ein anderes Bandenmitglied als Killer, aber Jablonski (Horst Pinnow als Berliner Urgestein) entpuppt sich als Großmaul mit vollen Hosen. Die schillerndste Figur ist jedoch Covacz, den Walter Jokisch wie einen Impresario mit slawischem Akzent verkörpert.
Soundtrack: Bonnie Tyler („It’s A Heartache“), La Bionda (“Sandstorm”), Space („Magic Fly“)
Während Gräwert die Darsteller ausnahmslos gut geführt hat, nimmt er sich ähnlich wie in seinen anderen „Tatort“-Beiträgen bei seiner Inszenierung immer wieder ungewöhnlich viel Zeit für kleine Exkurse. Auf diese Weise gibt es erneut einen Auftritt von Götz Olaf Rausch, der in „Transit ins Jenseits“ schon den von Marius Müller-Westernhagen gespielten Fluchthelfer viele Nerven gekostet hat. Hier spielt er quasi die gleiche Rolle, aber mit anderem Namen: einen redseligen Fußgänger, der Zankl vollquasselt, als der die Vorbereitungen für den Mord an Schäfer trifft. Eher bizarr wirken dagegen die Szenen aus einem in rotes Licht getauchten Club, in dem Jablonski gern den großen Max gibt, während sich der eher biedere Zankl ständig gegen die Avancen der ohnehin nicht sonderlich attraktiven leichten Damen wehren muss. Ein ratternder Projektor zeigt offenbar am laufenden Band Pornofilme, von denen aber nichts zu hören oder zu sehen ist, und die Musikbox im Hintergrund braucht immer wieder mal einen Tritt, damit sie weiterläuft. Clever gestaltet ist auch der eine oder andere Übergang, wenn etwa ein Blick auf eine Armbanduhr für einen eleganten Szenenwechsel sorgt. Ein bisschen Humor gibt es ebenfalls: Behnke und sein Mitarbeiter Hassert (Ulrich Faulhaber hatte auch schon dem Vorgänger als Stichwortgeber gedient) plaudern über den Fall, während sie Behnkes Wohnung renovieren, und setzen sich, ins Gespräch vertieft, auf die frisch gestrichene Fensterbank, was Gräwert sehr beiläufig erzählt. Mit der gleichen Haltung hat er leider auch das völlig unspektakuläre Finale inszeniert; dabei hätte sich die Spannung ganz leicht durch eine schlichte Parallelmontage steigern lassen.