Kommissar Stoever ist mal wieder beim Umzug. „Ich komme erst, wenn die Möbel zusammengeschraubt sind“, grummelt Kollege Brockmöller, wohl wissend, was ihn da erwarten könnte. Im „Tatort – Singvogel“ dürfen die beiden mal wieder die altbekannten Rituale durchspielen – sprich: eine allein von der komischen Seite bestens funktionierende Ermittler-Ehe führen. Aber auch sonst orientieren sich Autor Willi Voss & Regisseur Michael Knof vornehmlich an dem, was der Zuschauer seit Jahren von den Nordlichtern kennt.
Die Story vom „Tatort – Singvogel“ (1994)
Ein brisanter Fall im Milieu der Gefängnismafia macht Stoever und Brockmöller zu schaffen: Als die Frau des inhaftierten Millionenräubers Harald Holland ermordet aufgefunden wird, führt die Spur in das Gefängnis, in dem Holland einsitzt. Bei der Vernehmung Hollands beschuldigt er den „Knastkönig“ Ronny des Mordes an seiner Frau. Holland hat panische Angst vor Ronny, fühlt sich von ihm bedroht. Die Gefängnisleitung kann die Schilderung Hollands nicht nachvollziehen und lehnt Stoevers Forderung nach sofortiger Verlegung Hollands ab. Diese Verweigerung erweist sich als fatal. Unterdessen ist Ronny wieder auf freiem Fuß, und Gefängnisfürsorger Tiefenthal nimmt ihn gegenüber der Polizei in Schutz. Stoever und Brockmöller stoßen bei ihren Ermittlungen auf eine Mauer des Schweigens: bei den Behörden, bei Ronny, dessen Freundin Jeanette und anderen… Stoevers einzige Chance: Er schleust den jungen Kollegen Thorwald in das Gefängnis ein.
Aber auch das Episoden-Personal kommt aus dem Dramaturgie-Stehsatz: Ein „Fürsorger“, der sich besonders den Damen einsitzender „Knackis“ annimmt und dafür einen drogensüchtigen Sohn, eine entnervte Ehefrau und eine Tote auf sein Gewissen laden muss. Zwei Fieslinge, fieser kaum denkbar, und eine Gangsterbraut, die so wie eine Prostituierte aussieht wie Männerfalle Julia Roberts in „Pretty Woman“. Ein Krimi also, ganz nach dem Geschmack des vermeintlichen „Tatort“-Zuschauers, konstruiert aus gängigen Fernsehkrimi-Versatzstücken. Ob ein Mord in der Gefängnisdusche oder die Rettung des „Spitzels“ in letzter Sekunde – alles bleibt absehbar. Und auch der Täter ist ausgemacht von Anfang an.
Da können auch die Schauspieler kaum gegensteuern. Überraschungen bleiben aus, das klischeehafte Casting tut ein Übriges: Rüdiger Vogler, zerquält und Midlifecrisis-geschüttelt wie gehabt, Claude-Oliver Rudolph mit bildschirmfüllendem Brutalo-Grinsen und Claudia Messner, die mal wieder ihr Sexy-Hexy-Image ausstellen darf. Was bleibt sind 90 Minuten Klischees in Story und Besetzung, Krimi-Konventionen, die jegliche Spannung im Keim ersticken lassen. Das war schon bei den letzten Stoever-Brockmöller-„Tatort“-Fällen nicht anders. Im Norden also nichts Neues! (Text-Stand: 23.5.1994)