Tatort – Schwarze Einser

Gustl Bayrhammer, Karlheinz Böhm, Helmut Fischer, Willy Purucker. Mitgiftjäger

Foto: BR
Foto Tilmann P. Gangloff

„Schwarze Einser“, ein „Tatort“ aus München, ist ein gutes Beispiel für die sparsam inszenierten Krimis der späten Siebzigerjahre: Die Kamera schaut den Akteuren geduldig bei der Arbeit zu, Schnitte gibt es, übertrieben formuliert, nur bei Szenenwechseln. Der Film erzählt eine alles andere als ungewöhnliche Krimigeschichte: Eine vermögende Frau ist beim Sturz vom Balkon ums Leben gekommen. Trotzdem ist der Film sehenswert, weil der weltgewandte Karlheinz Böhm (als Mitgiftjäger) und der volkstümliche Gustl Bayrhammer als leicht zu unterschätzender Mundartkommissar interessante Gegenspieler abgeben.

1981 ging Karlheinz Böhm in einer der ersten „Wetten, dass..?“-Ausgaben eine Wette ein, die sein Leben verändern sollte; fortan ließ er sein Dasein als Schauspieler hinter sich und widmete sich nur noch der Afrikahilfe. Der drei Jahre zuvor ausgestrahlte „Tatort“ aus München war sein letzter Fernsehfilm. Nicht nur deshalb ist ein Wiedersehen interessant, denn „Schwarze Einser“ ist ein typischer Krimi der späten Siebzigerjahre: unaufgeregt, mit einer weitgehend statischen, allenfalls mal schwenkenden oder zoomenden Kamera und langen Einstellungen. Bei Dialogen beispielweise verzichtet Regisseur Wolf Dietrich meist auf Schnitte und zeigt stattdessen beide Gesprächspartner in einem Bild. Oft gibt es auch Totalen, die Vorgänge in einer für heutige Sehgewohnheiten verblüffenden Ausführlichkeit zeigen, weil in den Einstellungen gemessen an derzeitigen Erwartungen im Grunde nichts passiert. Trotzdem gibt es immer wieder mal ungewöhnliche Blickwinkel, wenn etwa die Leiche zu Beginn in vertikaler Draufsicht oder der Kommissar aus der Froschperspektive gezeigt wird.

Das Drehbuch des im vergangenen Jahr gestorbenen Grimme-Preisträgers Willy Purucker („Die Löwengrube“) erzählt die Geschichte eines Mannes, den man früher Mitgiftjäger genannt hätte, und der vor zwei Jahren verstorbene Böhm, der wegen seines Franz Josephs in den „Sissi“-Filmen stets auf die Rolle des charmanten Liebhabers festgelegt war, versieht die Figur mit einer süffisanten Abgründigkeit: Cellist Prelinger, weltgewandt und gutaussehend, lässt sich offenbar gern von begüterten Damen aushalten. Als seine derzeitige Freundin, eine Witwe, die über ihren Mann wertvolle Anteile einer Brauerei besitzt, vom Balkon ihrer Wohnung zu Tode stürzt, führen die Ermittlungen alsbald zu dem Musiker, doch der hat ein wasserdichtes Alibi: Er war in Berlin. Trotzdem wird Veigl das Gefühl nicht los, dass Prelinger etwas mit dem Mord zu tun hat; und das nicht nur, weil  er die Briefmarkensammlung der Toten verhökert hat (der Titel bezieht sich auf die äußerst wertvollen ersten bayerischen Briefmarken überhaupt). Zum Finale finden sich alle Beteiligten in Nizza ein, wo sich der Playboy mit einer Geliebten tummelt, nicht ahnend, dass ihn eine weitere Liebschaft bis zum bitteren Ende auf Schritt und Tritt beobachtet. Die Musik ist im Übrigen ähnlich sparsam wie die Kameraarbeit; in den Vordergrund tritt sie erst im dritten Akt, als zu den Urlaubsbildern von der Côte d’Azur entsprechend gutgelaunte Ferienklänge erklingen.

Tatort – Schwarze EinserFoto: BR
Karlheinz Böhm und Bayrhammer im „Tatort – Schwarze Einser“. 1978 wurden Fernsehkrimis noch sehr „szenisch“ aufgelöst.

Das Drehbuch erzählt die einfache Geschichte überraschend komplex, weil die verschiedenen Nebenfiguren, darunter die Schwester der Toten, nicht einfach nur Stichwortgeber sind. Außerdem erfreut Purucker mit Details, die dem Krimi eine eigene Note geben, etwa dem Running Gag des ersten Akts, als sich Veigl, der mitten in der Naht zum Tatort gerufen worden ist, verzweifelt um einen Kaffee bemüht; als er ihn Stunden später endlich bekommt, wirft sein Mitarbeiter Lenz (Helmut Fischer) den Becher um. Das Verhältnis der beiden ist ohnehin von unterschwelligen Spannungen geprägt. Veigl lässt Lenz ständig spüren, dass er nicht allzu viel von ihm hält; sein Verhalten ist stellenweise schikanös. Vor fast vierzig Jahren war das vermutlich heiter, zumal eine von Volksschauspieler Gustl Bayrhammer verkörperte Figur unzweifelhaft Sympathieträger war; heute würde ein solcher Umgang mit einem Untergebenen an Mobbing grenzen. Der leicht grantige Kriminalhauptkommissar, der seit 1976 für den BR ermittelte („Schwarze Einser“ war sein elfter Fall), ist ohnehin eine differenziert entworfene Rolle, denn der Dialekt und sein gemütliches Auftreten haben zur Folge, dass Gegenspieler den Polizisten leicht unterschätzen, aber als Veigl am Ende nach Nizza fliegt, stellt sich heraus, dass er sogar Französisch kann. (Text-Stand: 20.7.2016)

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Reihe

BR

Mit Gustl Bayrhammer, Willy Harlander, Helmut Fischer, Karlheinz Böhm, Marilene von Bethmann, Renate Grosser, Joseph Saxinger, Helena Rosenkranz

Kamera: Edgar Scholz

Szenenbild: Robert Hofer-Ach, Barbara Siebner

Schnitt: Karin Fischer

Musik: Joachim Ludwig

Produktionsfirma: Bayerischer Rundfunk

Drehbuch: Willy Purucker

Regie: Wolf Dietrich

EA: 03.12.1978 20:15 Uhr | ARD

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