Und wieder mal ist der Fall völlig klar. Eine tote junge Frau im Wald, um die zwanzig, die Kleider ordentlich neben ihr drapiert: Das ist die Handschrift eines Mörders, der vor kurzem als angeblich therapiert entlassen worden ist. Nach einer Krimi-Stunde ist der Mann dingfest gemacht, der Fall gelöst, die Geschichte erzählt; spätestens der Suizid in der Zelle ist besser als jedes Geständnis. Allerdings ahnt man schon die ganze Zeit, dass diese Lösung viel zu einfach ist, und in der Tat: Nach dem Freitod des vermeintlichen Mörders stehen Max Ballauf und Freddy Schenk (Klaus J,. Behrendt und Dietmar Bär) wieder ganz am Anfang. Die Autopsien von Opfer und Täter ergeben einwandfrei: Er kann’s nicht gewesen sein.
Das ist beileibe nicht die einzige überraschende Handlungswende in diesem sorgfältig inszenierten „Tatort“ von Peter Fratzscher, der auf dem geschickten Drehbuch von Jan Hinter, und Stefan Cantz basiert. Die widersprüchlichste und reizvollste Figur ist dabei eine Journalistin (Flemming), die sich in die Recherche der Kommissare einmischt und gerade dem armen Schenk kräftig auf die Nerven geht. Seine instinktive Ablehnung erweist sich als durchaus begründet, denn die Dame trägt ein düsteres Geheimnis mit sich herum, das sie mit Hilfe des Psychologen Seitz (Samel) in den Griff zu bekommen versucht. Ein Kreis schließt sich: Seitz‘ Frau (Stolze), gleichfalls Psychologin, war die Therapeutin des Mörders… „Schlaf, Kindlein, schlaf“ ist ein packender und kurzweiliger „Tatort“ aus Köln, der nicht zuletzt aufgrund der exzellenten Kameraarbeit Jörg Schneiders in handwerklicher Hinsicht über dem Durchschnitt liegt. Außerdem liefert der gut besetzte Film auf angenehm unaufgeregte Weise einen Beitrag zur Diskussion über die Resozialisierung von psychisch kranken Straftätern. Und Freddy Schenk muss man wieder mal einfach mögen. (Text-Stand: 16.6.2002)