Mord in der berüchtigten Dortmunder Nordstadt. Bei Jungkommissarin Nora gleich um die Ecke ist ein stadtbekannter Dealer und Zuhälter erschossen worden. Eine junge Prostituierte muss Zeuge der Tat gewesen sein. Der Tote war die rechte Hand von Tarim Abakay, ein Platzhirsch im Viertel, ein Ausbeuter, ein Krimineller im Nadelstreifen, den jeder Polizist in Dortmund gern hinter Gittern sehen würde. Doch diesem sogenannten Geschäftsmann war noch nie etwas nachzuweisen. Auch bei diesem Mord ist es nicht anders: aber weshalb sollte er auch einen seiner eigenen Männer umbringen?! Dennoch schießt sich Hauptkommissar Faber auf den Türken ein. Außerdem sieht er bald einen Zusammenhang mit einem anderen Toten, einem Bulgaren, der brutal in seinem Auto „abgefackelt“ wurde. Offenbar handelte es sich bei ihm um den Vater der Tatzeugin. In den Fall verwickelt sind auch der Streifenpolizist Rainer Polland, der gern Beschützer spielt und der Gerechtigkeit erzwingen will, notfalls auch mit unerlaubten Mitteln, und seine künftige Ex-Frau Sonja, selbst einst im Viertel anschaffen gewesen, von Polland „gerettet“ und heute eine Art Streetworkerin für Straßenmädchen.
Es herrscht Krieg im Viertel und die Kommissare geraten mittenrein in die Testosteron-geschwängerten Machtkämpfe zwischen Türken und Bulgaren. Gangster-Posen mit Goldkettchen, Koks-Session mit Blowjob, Asozialen-Rap, der auf dicke Hose macht – „Mein Revier“, der zweite Dortmund-„Tatort“ kommt wie der Auftaktfilm (da war es eine Sexszene) sofort zur Sache. Geballte Sozialklischees für vier Ermittler, denen nichts Menschliches fremd ist: Sex und Aggression sind die aktuellen Lebensthemen der Kommissare. Gut, dass sie sich auch mit diesen Sozialklischees auskennen. So wirkt der Elendsrealismus mit fast 100%igem Ausländer-Anteil nicht zu gut gemeint, sondern er bekommt auch etwas Authentisches: In diesem Milieu ist schwer zu ermitteln, Deutsch spricht hier kaum einer, auch die Gesichter sind fremd, sie und die Namen schwer zu behalten – auch für den Zuschauer. Das Team ist der Star – und die Verdächtigen wie eine atmosphärische „Nebensache“, bis schließlich doch die deutschen Gast-Protagonisten an Bedeutung gewinnen. Deren Motive sind für den „Tatort“-Fan aus dem deutschen Mittelstand wenigstens einigermaßen nachvollziehbar.
Irgendwie ist es mutig, was dieser „Tatort“ macht, wie er mit seinen Kommissaren, wie er mit sozialer Realität, wie er mit Klischees umgeht. Gib dem Spröden eine Chance! „Mein Revier“ ist ein schnell geschnittener „Tatort“ – aber er wirkt auch schnell gedreht und schnell geschrieben. Einiges ist dramaturgisch konventionell, auch wenn dies durch die rasche filmische Gangart und den rüden Umgangston zwischen den Figuren verdeckt wird. Vieles bewegt sich „an der Grenze“: dieser Ekelpaket-Kommissar, diese Dauer-Genervtheit, diese Provokation als Zeitvertreib, die Szenen, in den sich die attraktiven Kripo-Nachwuchskräfte dem Mob der Straße stellen müssen. Für den (kritischen) Zuschauer ist dieser Film ein Wechselbad der Gefühle. So wie man mit diesen Figuren nur schwer warm wird, so wird keiner diesen Film „lieben“ (muss er auch nicht: es reicht ja, wenn er ihn guckt). Dennoch hat er etwas Faszinierendes, weil sich dieses Team der Routine (noch) zu widersetzen scheint. Stark auf jeden Fall ist wieder die „Verbrechensaufstellung“, das Markenzeichen von Faber und Bönisch. Das Konzept, auf bekannte Schauspieler zu verzichten, geht abermals auf. Auch der Showdown kann sich sehen lassen. Und dem Prostituierten-Strich den Arbeiter-Strich gegenüberzustellen ist ein guter sozialer Sidekick. Nur bei den Dialogen hätte man noch ein wenig nachbessern (oder den einen oder anderen weglassen) können. Zwei Bullen, die sich auf der Toilette ankläffen – das wär’s doch! Weshalb dann noch dieser Satz: „Ich kann’s selber nicht leiden, wenn man an meinen Baum pinkelt.“ (Text-Stand: 20.10.2012)