Ein “Tatort”, der wie ein Thriller beginnt. “Halloween” lässt schön grüßen. Dann nehmen Ballauf und Schenk den Zuschauer an die Hand bei ihrem Gang durch die gesellschaftlichen Niederungen. Da wird einmal die andere Seite von “Deutschland 2000” gezeigt – no future in der Vorstadt-Siedlung. In den Blick geraten die, die im Schatten stehen, Familien aus der „Unterschicht“, Menschen, die es nicht gelernt haben, sich gegen ihr Schicksal aufzulehnen.
Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Aus Kinderspiel wird blutiger Ernst. Am Rand einer Bunkeranlage wird ein vierjähriger Junge ermordet aufgefunden. Auf dem Bauch der Kinderleiche geheimnisvolle Zeichen. “Ein Psychopath”, weiß Schenk sofort. Und wenig später hat er sich schon einen Schuldigen ausgeguckt: Leon, den Ex-Stricher, der nun die sexuellen Wünsche so mancher weiblichen Bewohnerin in jener tristen Vorstadtsiedlung befriedigt. Ballauf, der den Tod seiner Mutter verarbeiten muss, hält sich zunächst zurück. Doch dann beginnt er, gemeinsam mit einer Kinderpsychologin, den allzu forschen Schenk zu bremsen und sich intensiver mit den eigenwilligen Kindern des Viertels auseinanderzusetzen.
Foto: WDR / NDR / Kerpenisan
Ausgangspunkt der Geschichte war für die Macher die Frage: “Wie geht die Gesellschaft mit ihren Kindern um?” Alkoholisierte Eltern, Sex vor den Augen von Kindern, ein kranker Porno-Maniac als Nachbar, Hörigkeit und Eifersucht – das ist die Realität, mit der die Kinder in “Martinsfeuer” konfrontiert werden. Ein düsteres Bild wird da entworfen. Und dennoch, die Kinder wehren sich gegen die Opferrolle. “Es ist schon ein Phänomen, wie Kinder es selbst im größten Elend schaffen, ihre kleinen Freuden zu leben”, betont Stein.
Anders manche Erwachsene. Elsie Antes beispielsweise. “I’m a big big girl”, singt sie und träumt dabei von der Jugend. Doch sie ist kein Mädchen mehr, auch wenn sie pinkfarbene Teddymäntel trägt, einen jungen Geliebten hat und sich abends selbst Märchen vorliest. Katharina Thalbach verkörpert diese Hinterhof-Schlampe, die mit einer Pulle Schnaps durch die Gegend taumelt, so eindringlich und doch beiläufig, dass einem das Schmunzeln vergeht. “Einen Scheiß lernt man in der Schule. Mit wieviel r man Geschirrrückgabe schreibt. Aber wie man alt wird oder wie man jemanden liebt ohne Fehler – das lernt man nicht.” Selbst der Vorstadt-Vamp Nadja, ebenfalls ohne jegliche Manierismen von Shooting-Star Cosma Shiva Hagen eindrucksvoll gespielt, lässt ahnen, dass es mit Jugend und Schönheit bald vorbei ist.
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