Anne Kempf ist 18. Mit 14 bekam sie ihren Sohn Tim. Das Girlie, das in einem Supermarkt arbeitet und noch mehrere Nebenjobs macht, ist den ganzen Tag damit beschäftigt, ihre Termine zu managen. Meistens geht es um Tim. Vater Marc kennt Verantwortung nur für seinen Fußballverein. Bislang kümmerte sich Marcs ältere Schwester Katrin viel um den Jungen. Sie geht den beiden Eltern aber oft mächtig auf die Nerven mit ihrer „Besserwisserei“ und ihrer ständigen Kritik an deren Erziehungsmethoden: Der Junge sei viel zu viel allein, werde vernachlässigt. Über dieses Thema kommt es eines Tages zum Streit, bei dem die junge Mutter in einem Stadtpark Katrin genervt über ein Geländer schubst. Die junge Frau fällt unglücklich und kommt zu Tode. Anne bekommt es nicht einmal richtig mit. Sie hat Termine.
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„Kleine Herzen“ ist ein Ausnahme-„Tatort“. Nicht die Ermittlung der Kommissare, der Alltag der jungen Mutter steht im Vordergrund. Statt Buddy-Rituale jugendliche Überlebensstrategien in der Münchner Sommerhitze. Solange, bis die Hauptfigur nicht mehr kann. Sie will nicht immer nur müssen. Sie ist jung, sie will leben, sie will Spaß haben. Umschlagpunkt ist eine bedrückende Szene: Mutter und Sohn streiten sich, Tim rennt auf die Straße, Anne verharrt auf der Stelle und schließt die Augen. Der Zuschauer kann Annes Gedanken lesen. Brutale Gedanken. Ein eiskaltes Bild. Anne nimmt ihren Jungen nun nicht mehr wahr. Sie schließt ihn weg, vergisst ihn und träumt sich ins unbeschwerte Leben eines Teenagers. Der Vierjährige ist clever. Aber er kennt nicht den Ort, an dem er sich befindet. Es wird ein quälender Wettlauf mit der Zeit. Der Junge ist am Verdursten und die Mutter handelt wie in Trance.„Sie ist nicht leicht zu durchschauen. Sie sagt Dinge, die klingen vollkommen plausibel und trotzdem hat man danach das Gefühl, dass da irgendwas nicht stimmt“, charakterisiert Leitmayr die junge Mutter. Janina Stopper spielt Anne, selbstbewusst, schlagfertig, ein Teenager, dem das Lügen zur zweiten Natur geworden ist. Das ewige Funktionieren müssen hat sie von ihren Gefühlen abgeschnitten. Und so wirkt sie im Spiel von Stopper leer, ohne Sinn für echte Empfindungen, geschweige denn für eine moralische Grundhaltung. Dem Mädchen ist einfach nur alles zu viel. Es fühlt keine Verantwortung, alles wird Zwang, Druck – bis sie aussteigt. Stoppers zartes Gesicht mit dem Porzellan-Teint ihres rotblonden Typs ist die perfekte Projektionsfläche. Die Schauspielerin legt keine Bedeutung auf ihre Wangen. Der Zuschauer sieht durch sie hindurch – in ihre verkapselte Seele. (Text-Stand: 16.12.2007)