Freddy Schenk plagt das schlechte Gewissen. Nicht nur, dass er seine Großmutter in einem Altenheim einquartiert hat. Er macht auch dem Pflegepersonal Vorhaltungen – und bekommt die Quittung: “Sie schieben Ihre Oma ins Heim ab, ich darf ihr für fünf Euro den Arsch abwischen – und bin die Asoziale.” Da lässt sich nicht unbefangen ermitteln. Und das muss Schenk ausgerechnet in jenem Seniorenstift. Denn dort wird eine Ärztin ermordet und wenig später stirbt vollkommen überraschend ein Bewohner.
Pflegenotstand in deutschen Altenheimen. Auf diesem Hintergrund schrieb die Schauspielerin Nina Hoger ihr erstes Drehbuch. Und den Zwiespalt, in dem sich der Kölner Hauptkommissar im “Tatort: Hundeleben” befindet, den kennt sie nur zu gut. Auch ihre Großmutter verbrachte die letzten Jahre in einem Heim. “Man ist geplagt von dem schlechten Gewissen, einem geliebten Menschen das anzutun”, sagt sie. Aber die Tochter von Hannelore Hoger baute nicht nur auf die eigene Erfahrung, sondern arbeitete kurzzeitig aus Recherchezwecken auch als Pflegerin. “Ich war nach den beiden Arbeitstagen im Heim deprimiert und erschöpft und dankbar wieder draußen zu sein”, erinnert sich die Schauspielerin. Sie habe einen Hauch davon mitbekommen, was es heißt, als Pflegerin zu arbeiten: überlastet, in seelischem Dauerstress und dazu völlig unterbezahlt.
Foto: WDR / Uwe Stratmann
Der kammerspielhafte Film, dicht, düster und mit gelegentlichen Aufheiterungen von Manfred Stelzer inszeniert, steht in der langen Themen-”Tatort”-Tradition. Sehr eindringlich und nachhaltig wird das Leben im Heim erzählt. Dargestellt wird es als zwischenmenschlicher Mikrokosmos, in dem wie überall auch mal ein Mord passieren kann. Oder, wie es ein Bewohner des Altenheims, der seine Frau verloren hat und dafür dem Personal die Schuld gibt, apokalyptisch beschreibt: das Heim als Raumschiff, das auf die Erde stürzt und verglüht.
Die genaue Verortung im Milieu, sogar echte Altenheiminsassen spielten die Komparsen, (Neben-)Figuren, die alle eine Geschichte haben und nicht vom Übergewicht der Kommissare erschlagen werden und die konsequent umgesetzte Anteilnahme am Thema: Die Qualitäten dieses “Tatorts” mögen mitunter auf Kosten der finalen Krimi-Spannung gehen, viele Szenen von “Hundeleben” sind aber so augenblicksstark und intensiv, dass gewiss selbst der größte Krimifan zwischendurch Mord und Totschlag vergessen dürfte. Und das Ensemble ist große Klasse: Helga Göring, Rudolf Wessely, Anne Cathrin Buhtz und einmal mehr Anneke Kim Sarnau als eine auf gefährlichem Grat wandelnde Pflegerin. (Text-Stand: 12.4.2004)