Tatort – Gold

Ulrike Folkerts, Bitter, Ferch, Tscharre, Esther Wenger. Zum Golde drängt doch alles

Foto: SWR / Benoit Linder
Foto Tilmann P. Gangloff

„Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles.“ Fred Breinersdorfer und Katja Röder haben für den 78. „Tatort“ mit Ulrike Folkerts als Ludwigshafener Kommissarin Lena Odenthal die Nibelungen-Sage geplündert. Die Struktur von „Gold“ (Südwestrundfunk) orientiert sich an Richard Wagners „Ring“-Zyklus, aber die Handlung ist auch ohne Kenntnis der Oper verständlich: Ein verschwundener Bankfilialleiter hat offenbar irgendwo in den Weinbergen der Weinstraße tatsächlich den sagenhaften Schatz der Nibelungen gefunden; aber auf dem Gold liegt ein Fluch. Esther Wengers Film erfreut durch allerlei originelle Ideen, die auch optisch sehr überzeugend umgesetzt sind, durch eine formidable Musik mit vielen Wagner-Anklängen, durch eine zum Teil bühnenbildartige Ausstattung sowie nicht zuletzt durch Heino Ferch, der als Erzähler mit einem Augenzwinkern durch die Handlung führt.

Die Geschichte der Nibelungen ist die wohl älteste und sicherlich bekannteste deutsche Sage; Richard Wagner hat auf Basis des Heldenepos’ seinen insgesamt 15 Stunden langen Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“ komponiert. Der Stoff ist vielfach adaptiert worden, gern auch in Popcornversion; RTL hat vor 15 Jahren den Archäologen Eik Meiers auf die „Jagd nach dem Schatz der Nibelungen“ geschickt. Fred Breinersdorfer und Katja Röder erzählen das Nibelungenlied nun in gänzlich anderer und sehr origineller Form. Das Drehbuch besteht wie Wagners Tetralogie aus vier Kapiteln: „Rheingold“, „Die Walküre“, „Siegfried“, „Götterdämmerung“. Gesungen wird nebenbei auch. Krimifans brauchen aber keine filmische Entführung nach Bayreuth befürchten: „Gold“ ist dank der sehenswerten Inszenierung durch Esther Wenger ein zwar ungewöhnlicher, vor allem aber ein ungewöhnlich guter „Tatort“.

Tatort – GoldFoto: SWR / Benoit Linder
Melania Wolter (Pheline Roggan) ist davon überzeugt, dass Susanne Bartholomae (Ulrike C. Tscharre) ihr den Mann weggenommen hat. Als großer Fan von Ritterspielen untermauert sie ihre These mit einem Schwert. Teutsche Schwere atmet allein das Mobiliar.

Aus dem Rahmen fällt der Film zudem durch einige originelle Ideen; so führt zum Beispiel Heino Ferch als Erzähler und eigenwilliger Kurator des Wormser Nibelungen-Museums durch die Handlung. Albrecht Dürr kann sehr unleidlich werden, wenn ihm Schatzsucher in die Quere kommen: Sollte der legendäre Nibelungenhort je gefunden werden, gehört er selbstverständlich in seine Ausstellung; auch der Doktor zählt daher zum Kreis der Mordverdächtigen. Zunächst gibt es jedoch gar keine Leiche, sondern nur einen Vermissten: Boris Wolter, ein von alten Sagen begeisterter Bankfilialleiter, ist von einem Ausflug nach Deidesheim an der Weinstraße nicht zurückgekehrt. Nun macht sich seine Mutter Sorgen, zumal Boris Epileptiker ist. Fundstücke in seinem Auto legen den Schluss nahe, er könne tatsächlich den Schatz der Nibelungen entdeckt haben. Kurz drauf wird ein polizeibekannter Hehler erschossen; aber Wolter bleibt verschwunden.

Der vielfach ausgezeichnete Grimme-Preisträger Breinersdorfer und Ehefrau Röder ergänzen die Handlung zwar auch um typische Krimiumwege, etwa in Gestalt einer völlig abgestürzten Ex-Frau (Pheline Roggan), aber der Knüller ihrer Geschichte ist natürlich das Spiel mit den Sagenelementen und dem Zauber des Edelmetalls: „Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles“. Selbst Kommissarin Stern (Lisa Bitter) ist nicht gefeit, wie der Goldstaub verdeutlicht, der sie umflirrt. Die Kunst des Drehbuchs besteht in der gelungenen Gratwanderung: Wer Wagner kennt, wird die diversen Andeutungen mit Freude zur Kenntnis nehmen, aber alle anderen müssen sich nicht ausgeschlossen fühlen; die Handlung funktioniert auch gänzlich ohne Hintergrundwissen, zumal Breinersdorfer und Röder geschickt kleine Wissensbissen in die Dialoge integriert haben. Gleich zu Beginn berichtet Dürr von dem Fluch, der auf dem Schatz liegt. Ferch verkörpert den Kurator als Conferencier zudem mit einem Augenzwinkern; einmal lächelt er gar verschwörerisch in die Kamera. Die Rolle hat ihm sicher großen Spaß gemacht. Dass er sie übernommen hat, könnte mit einer langjährigen Zusammenarbeit zu tun haben: Breinersdorfer und Röder schreiben auch die Drehbücher für die 2017 mit „Ein Kind wird gesucht“ gestarteten Ingo-Thiel-Krimis im ZDF.

Tatort – GoldFoto: SWR / Benoit Linder
Heino Ferch als Albert Dürr, Spezialist für die Nibelungen, Kenner von Wagner und Liebhaber von Goldfunden. Die Rolle hat dem Star ganz offensichtlich Spaß gemacht.

Wie gut Oper und Krimi zusammenpassen, verdeutlicht nicht zuletzt die preiswürdige Musik von Robert Schulte-Hemming und Jens Langbein: Sie enthält zwar Anklänge an den Zyklus, ist aber ein eigenständiges Werk. Trotzdem ist Wagner präsent: Mal singt der Besitzer (André Eisermann) des Hotels, in dem Wolter abgestiegen ist, eine Arie aus der „Walküre“ zum Fenster hinaus, ein anderes Mal erklingt der Walkürenritt in Heavy-Metal-Version. Dazu passt das ebenfalls sehr besondere Szenenbild, das gerade in den Szenen im Nibelungen-Museum eher einem Bühnenbild gleicht. Das Museum gibt es wirklich, dort ist auch gedreht worden, aber beim Inventar hat Angelika Dufft im Sinne der Geschichte etwas nachgeholfen.

Abgerundet wird „Gold“ durch die Umsetzung. Wenger hat bereits den ähnlich vorzüglichen vorletzten Krimi aus Ludwigshafen gedreht („Das Verhör“, 2022). Die Bildgestaltung (diesmal Michael Merkel) ist genauso sehenswert. Schon der Auftakt mit dem Wormser Denkmal des Verräters Hagen von Tronje vor (allerdings digitalen) düsteren Wolken im Abendrot ist ein kleines Kunstwerk. In der Geschichte kommt ebenfalls ein Hagen vor, dessen Rolle zunächst jedoch unklar bleibt. Es ist Breinersdorfer und Röder ohnehin gelungen, den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Handlungsfäden lange offen zu lassen. Endgültig zu einem mehr als guten Krimivergnügen wird der 78. Odenthal-„Tatort“ durch auch optisch eindrucksvolle Einfälle wie das unerwartete Erscheinen eines Drachenwandgemäldes in einem Schwimmbad, dessen Wasser sich daraufhin blutrot färbt; kurz zuvor hat die Kommissarin auf dem Grund des Beckens einen Ring gefunden, allerdings aus Gummi. Einziges kleines, verschmerzbares Manko: Odenthal (Ulrike Folkerts) muss ihrer Kollegin zu oft das Offensichtliche erklären.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von ARD Mediaplayer. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Weitere Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

SWR

Mit Ulrike Folkerts, Lisa Bitter, Heino Ferch, Ulrike C. Tscharre, Annalena Schmidt, Peter Espeloer, Hendrik Heutmann, Pheline Roggan, Marie Bonnet, André Eisermann, Karin Nennemann

Kamera: Michael Merkel

Szenenbild: Angelika Dufft

Kostüm: Stephanie Kühne

Schnitt: Sabine Garscha

Musik: Jens Langbein & Robert Schulte-Hemming

Redaktion: Ulrich Herrmann

Produktionsfirma: Südwestrundfunk

Produktion: Nils Reinhardt

Drehbuch: Fred Breinersdorfer, Katja Röder

Regie: Esther Wenger

Quote: 8,39 Mio. Zuschauer (31,2% MA)

EA: 03.09.2023 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach