Tatort – Eine Leiche zuviel

Prahl, Liefers, Hentsch, Heidelbach. Charaktere statt Karikaturen, aber schwacher Krimi!

Foto: WDR / Jürgen Thiele
Foto Rainer Tittelbach

Wer hat die attraktive französische Chemikerin in Jenseits befördert? Will man es überhaupt wissen bei diesem mittelmäßigen Whodunit, der weder das Milieu noch die angedeuteten Privatgeschichten ausreizt? Angenehm dagegen ist die Kommunikation zwischen Boerne & Thiel. Sie reden – dem üblichen Gefrotzel zum Trotz – ziemlich „normal“ miteinander.

Im Anatomiekurs der Uni Münster taucht eine Leiche auf, die nicht dorthin gehört. Sie ist für Jahrgang 1935 viel zu jung, sie hat eine verdächtige Einstichstelle unter den Rippen und sieht nicht nur der jungen französischen Chemikerin, die dem Institutsleiter Professor Härtling unlängst hospitierte, verdammt ähnlich – sie ist es tatsächlich. Bald taucht der Mann der Toten in Münster auf und bedroht lautstark alle Beteiligten – besonders den Institutschef, der mit der attraktiven Französin ein Verhältnis hatte. Weitere Verdächtige finden sich im anatomischen Institut. Ein DNA-Test könnte erste Klarheit bringen. Dass Ermittlung viel Laufarbeit ist – das muss Kommissar Thiel, der sich eine Bänderdehnung zugezogen hat, schmerzlich feststellen. Auch Boerne hat Grund, genervt zu sein: schließlich ist die werte Mama zu Besuch – und die hat so ihre Vorstellungen… Nachdem sich Professor Härtling offenbar das Leben genommen hat, ist die Stimmung vollends im Keller. Er war immerhin Boernes verehrter Doktorvater. Doch war dieser Selbstmord auch ein Schuldgeständnis oder nur Zeichen purer Verzweiflung?

„Eine Leiche zuviel“ ist der sechste Fall des Münsteraner „Tatort“-Teams. Ein Krimi, der – vom Jahre 2012 aus betrachtet – nicht so recht die Kurve bekommt zwischen halbgarem Whodunit und Witzel-Einlagen. Das Milieu des anatomischen Instituts wird ebenso wenig ausgereizt wie die privaten Anekdötchen und selbst das Gast-Personal bleibt trotz Jürgen Hentsch und Nele Mueller-Stöfen eher schwach, obwohl Boerne einige verbale Spitzen mit den Koryphäen des Instituts austauscht. Bis zum zweiten Toten – zieht sich die Geschichte zwischenzeitlich ein bisschen. Und der zweite Tote wird nicht der letzte sein. Angenehm dagegen ist die Kommunikation zwischen Thiel und Boerne. Sie reden noch relativ „normal“ miteinander. Da ist neben dem gewohnten Gefrotzel (Thiel: „Hätte schwören können, Sie sind im Reagenzglas entstanden“) auch Sympathie bis hin zur Anteilnahme im Spiel, ihre Charaktere sind noch nicht zur reinen Karikatur verkommen wie häufig in späteren Fällen. Sogar Boerne zeigt sich offen für Gefühle, und es ist ihm nicht gleichgültig, wie andere seine emotionale Kompetenz einschätzen (zu Thiel: „Halten Sie mich auch für unherzlich?“). Fazit: Das serielle Prinzip verfängt zwar wie gewohnt bei diesem „Tatort“ & seinem launigen Team (ohne Staatsanwältin!), aber dieser Fall ist nicht das Gelbe vom Ei. (Text-Stand: 16.7.2012)

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Reihe

WDR

Mit Axel Prahl, Jan Josef Liefers, Jürgen Hentsch, Friederike Kempter, Nele Mueller-Stöfen, Lars Gärtner, Christine Urspruch, Carola Regnier, Petra Hinze

Kamera: Clemens Messow

Schnitt: Hedy Altschiller

Musik: Arno Steffen

Soundtrack: Clash („Should I Stay or Should I go“), John Paul Young („Love Is In The Air“), Nazareth („Love Hurts“)

Produktionsfirma: Müller & Seelig Filmproduktion

Drehbuch: Dorothee Schön, Georg Schott

Regie: Kaspar Heidelbach

Quote: 8,89 Mio. Zuschauer (24,6% MA)

EA: 05.12.2004 20:15 Uhr | ARD

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