Er ist ein freundlicher, älterer Herr, den die Kinder des Viertels als Märchenerzähler lieben. Doch dann beobachtet eine Frau, wie Märchenonkel Gruber am hellichten Tag einen Sarg vergräbt – und für Batic und Leitmayr beginnt ein Wettlauf auf Leben und Tod.
Auch wenn es als Prädikat für einen Fernsehfilm etwas abgenutzt ist: Dieser „Tatort“ aus München, „Ein mörderisches Märchen“, hat Kinoqualität. Das ungewöhnlich verzwickte und kluge Drehbuch von Daniel Martin Eckhart macht sich einen Spaß daraus, Grimm’s Märchen kunterbunt durcheinander zu schütteln und sie als Zitate dem „Märchenonkel“ (Hilmar Thate) in den Mund zu legen. Der spricht folgerichtig nur noch in Rätseln – in tödlichen Rätseln allerdings: „Noch mehr Tod ist unter’m Wald“. Tatsächlich finden die Hauptkommissare eine weitere Leiche, doch auch sie ist noch nicht der Schlüssel zum Geheimnis. Das offenbart sich erst, als Batic und Leitmayr auch die weiteren Hinweise Grubers entschlüsseln. Und nun (das allerdings ahnte man bereits) wird auch klar, warum im scheinbar losgelösten Seitenstrang ein kleines Mädchen verschwindet. Entsetzt finden die Ermittler heraus, dass der todkranke Gruber ein letztes Mal von seinen grausamen Kindheitserlebnissen heimgesucht worden ist: Sein Vater pflegte ihn für jede Verfehlung in ein unterirdisches Loch zu stecken.
Mit maßvollem, aber effektivem Einsatz der üblichen Thriller-Versatzstücke (beispielsweise diverse Effekte von der Tonspur) und dank der exzellenten Kameraarbeit von Peter Döttling ist Regisseur Manuel Siebenmann ein Krimi gelungen, der selbst aus den ohnehin überdurchschnittlich guten „Tatort“-Beiträgen herausragt. Auch der stets großartige Hilmar Thate ist brillant, und Nemec und Wachtveitl, die mit diesem Krimi ihr zehnjähriges „Tatort“-Jubiläum feiern, zeigen nicht bloß keinerlei Abnutzungserscheinungen, sondern sind womöglich besser denn je. Die Darsteller profitieren allerdings von einem komplexen Drehbuch, das immer wieder für packende Momente sorgt, ohne je in die üblichen Serienmörderkrimi-Klischees zu verfallen. (Text-Stand: 4.3.2001)