Der Schauspieler Hans-Martin Carsdorff sitzt nach dem Mord an seiner Freundin hinter Gittern. Doch jetzt presst sich der einstige Publikumsliebling aus der psychiatrischen Klinik frei. Damit nicht genug. Der krankhaft narzisstische Mann will Rache für die Demütigung, die er durch Lena Odenthal erfahren hat. Die Jungpolizistin hat ihn damals zur Strecke gebracht. Therapiegespräche hat Carsdorff immer wieder genutzt, seinen Hasstiraden und Tötungs-Phantasien dieser Frau gegenüber freien Lauf zu lassen. Allen Vorkehrungen zum Trotz, gelingt es dem Psychopathen, sich der Kommissarin zu nähern. Am Ende stehen sich die beiden in einer leeren Berliner U-Bahn-Station gegenüber. Ein Messer, ein Grinsen, Angst.
„Die Zärtlichkeit des Monsters“ war der erste „große“ Fiktion-Film des vierfachen Grimme-Preisträgers Hartmut Schoen. Mit seinem ersten „Tatort“ versuchte er sich auch erstmals am Thriller-Genre. 1993 war dieser Film ein Ausreißer aus dem Whodunit-Muster und ein Novum in seiner Machart. In den Jahren danach wurden der Thriller und das Zweikampf-Muster sowohl von den privaten als auch den öffentlich-rechtlichen Sendern zunächst salonfähig gemacht und schließlich zu Tode geritten. Da wurden mächtig Psychologie, Erotik und Mystery auf die dünne Grunddramaturgie draufgesattelt. „Die Zärtlichkeit des Monsters“ nimmt sich dagegen aus wie ein TV-Thriller, der seine Genre-Unschuld noch nicht verloren hat. Unaufhaltsam rückt das große Finale im Berliner Untergrund (gedreht wurde u.a. in den Katakomben unter dem Olympiastadion) näher. Hier ein Kranker, der vor allem von den Medien zum Monster gemacht wurde und der nun diese Rolle mit großem Ehrgeiz verkörpern möchte. Und dort die junge Polizistin, der ihr Wagemut und ihre Blauäugigkeit am Ende beinahe das Leben kosten. Die „Lösung“ gerät eher realistisch. Schoen ist kein Kintopper!
In seiner Grundstruktur funktioniert dieser „Tatort“ auch 2011 noch gut. Thrill bleibt Thrill – auch wenn das Bedrohungsszenario ein wenig unter den Konventionen des „Zeitgeists“ leidet. Der Einstieg mit seinem Hang zum überdramatisierten Schauspiel-Stil und den nicht sonderlich einfallsreichen Texten („Geben Sie auf, Carsdorff, Sie sind krank!“) sind der erste Stolperstein. Und nicht nur das 3:4-Bild, sondern auch Kripochef Friedrichs weckt Erinnerungen an das nicht immer nur gute alte Fernsehspiel. Die Bilder in den Nicht-Thriller-Momenten sind mitunter etwas altbacken „aufgelöst“. Der menschlich tragische Parallelfall mit Manfred Steffen und dem horror vacui des Alters ist dagegen eine gelungene Reminiszenz an die empathiestarke Sozialkritik der 80er Jahre. Ulrike Folkerts, jung, androgyn, mit Spät-80er-Popper-Frisur, überzeugt als Typ, als Schauspielerin (damals) nicht immer. Getragen wird „Die Zärtlichkeit des Monsters“ 1993 wie 2011 vom Manfred Zapatka. Sein Carsdorff ist ein größenwahnsinniger Verkleidungskünstler. Ein wilder, verrückter Mann. Ganz so simpel würde heute kein Autor mehr einen Psychopathen anlegen, aber genau diese Unschuld des Genres macht auch einen Großteil des heutigen Reizes dieses Films aus.