Kommissar Lessing ist offenbar aus Hamburg ins beschauliche Thüringen versetzt worden, um sich hier von einem Burnout zu erholen. Dafür aber meistert er den ersten Einsatz, wenige Minuten nach seiner Ankunft, fast schon zu bravourös. Eine Übung – wie sich danach herausstellt. Willkommen in Weimar! Mit Kollegin Kira Dorn dagegen stimmt die Chemie von Beginn an. Sie kennt sich aus in der Stadt, und Lessing will alles wissen. Ihr erster Fall: die Entführung der meist gehassten Frau in Weimar – Brigitte Hoppe, wohlhabende Wurstkönigin und stadtbekannt kaltherzig. Obwohl sie die beste Rostbratwurst Thüringens herstellt, die Fette Hoppe, werden als Lösegeldsumme schlappe 45.000 € verlangt; das lässt auf einen Amateur-Kidnapper schließen. Die Geldübergabe geht zwar gehörig schief, dafür gibt es anschließend eine Reihe verdächtiger Personen: der Sohn der Fleischer-Domina, seine Geliebte, die schon zwei Männer unter die Erde gebracht hat, ein trunksüchtiger Stadtführer hoch zu Ross, die Chefin vom Gewerbeamt… Auch an Motiven besteht kein Mangel.
Was sich wie ein klassischer Whodunit liest, funktioniert nicht als solcher. Wen interessiert schon der Krimifall, wenn Nora Tschirner und Christian Ulmen am „Tatort“ sind?! Das Multitalent des neuen deutschen Humors und die süßeste Versuchung der Kinokomödie seit Katja Riemann sind das Ereignis von „Die Fette Hoppe“. Und so haben sich die Autoren auch gar nicht erst bemüht, eine in sich stringente, logische Krimihandlung zu entwickeln. Vielleicht ein Fehler – da auch der Spaß-Faktor in zunächst deutlich gegen Null tendiert. Gähn-Humor ohne Fluss und Ziel, außer Blut (im Kofferraum) fließt da wenig – und die selbstreferentiellen Witzchen („Mutter schaut gern ‚Tatort’“) sind so flach, dass sie auch keinem einzigen des vermutlich zweistelligen Millionenpublikums entgehen werden. Da ist es bewundernswert, wie sich Tschirner und Ulmen mehr und mehr emanzipieren vom drögen Ermittlungskrimi und wie es den beiden gelingt, sich abzulösen von diesem belanglosen Krimiplot, der weder vordergründig interessant ist, noch irgendeine tiefere Bedeutung in sich birgt. Das spricht allein für das Duo. Das Konzept bleibt schwach, weil es zwanghaft einen Spagat versucht: es will den „Tatort“ konventionell bedienen, anstatt sich auf die Eigenart, das Typische seiner beiden „Stars“ zu verlassen. So muss „Die Fette Hoppe“ eine halbe Sache bleiben.
Da ist man schon dankbar für jeden Kalauer („Das ist Messing, Lessing“), für jedes „Stinktier“ unter der Motorhaube und für jeden Schiller-Doppelgänger. Die Entwicklung der Charaktere ist ausbaufähig: Tschirner als hochschwangere, nassforsch sarkastische Jungkommissarin und Ulmen als neugieriger Terrier, der zuhören kann – das besitzt schon Charme. Auch gut, wenn beide in Ironie verfallen und mit den Verdächtigen ihr Spiel treiben – Beiseite-Sprechen inklusive. Dass sie und die Drehbuchautoren auch ein Spiel mit dem Zuschauer treiben, ein falsches Spiel (mehr soll nicht verraten werden), führt im Nachhinein jede Szene dieses „Tatorts“, in der Lessing und Dorn zu zweit auftreten, ad absurdum.
Mit Wehmut erinnert man sich an das, was Pro Sieben vor einigen Jahren Christian Ulmen und seinen Kollegen Anneke Kim Sarnau, Hinnerk Schönemann und Roeland Wiesnekker in Sachen Krimikomödie zutraute: „Dr. Psycho“ meets „Tatort“ – so etwas in dieser Art hätte man sich gewünscht. Franziska Meletzky zu verpflichten, die zwei Episoden der Serie in Szene setzte und auch ein paar „Stromberg“-Folgen zu verantworten hatte, war ja durchaus keine schlechte Idee. Dennoch: Die besonderen Qualitäten dieser Regisseurin liegen eindeutig im (Krimi-)Drama Marke „Bloch“. Und so fehlt es der Inszenierung gerade an dem, was Ulmen und Tschirner auszeichnet: Timing und Tempo. Es verwundert auch, wie mau dieser Film ausgeleuchtet, wie einfallslos er mitunter geschnitten und wie unelegant er insgesamt inszeniert ist. Die Kamera sich (sinnlos) drehen zu lassen, hilft da auch nicht viel. Das sieht alles mehr aus nach „Kika-Krimi.de“ als nach „Tatort“. Schade. (Text-Stand: 29.11.2013)