Charlotte Lindholm verschlägt es in den norddeutschen „Schweinegürtel“. Der Chauffeur von Jan-Peter Landmann, dem mächtigsten Fleischfabrikanten in der Region, ist erschossen worden. Die LKA-Kommissarin geht davon aus, dass der Anschlag seinem Chef galt. Der macht auf kuschelweiches „Familienunternehmen“, hat aber so manchen Bauern in den Ruin getrieben. Lindholm tut sich zunehmend schwer mit dem Fall. Die Kollegin vor Ort ist ihr keine große Hilfe; außerdem buhlt Landmann um Lindholms Aufmerksamkeit. Er umflirtet sie, macht Geschenke, kocht für sie. Auch als sich erste Verdachtsmomente gegen ihn ergeben, ein vorbestrafter, wenig zimperlicher Leibwächter, ein Scheck über 130.000 € für die Mutter des Getöteten, fällt es der LKA-Frau schwer, gegen den charmanten Landmann und seine Sippschaft zu ermitteln. Wahrscheinlich ist es jener Unfall kurz nach dem Mord, der für kurze Augenblicke die beiden ganz nah zusammenrücken ließ, der die professionelle Distanz zu diesem Mann so schwer macht: Ein Radbolzen hatte sich gelöst oder ist manipuliert worden. Durch Lindholms reaktionsschnelles Handeln kamen beide mit dem Schrecken davon.
Foto: NDR / Christine Schröder
Nach zwei Jahren Pause ist die kühle, sonst so taffe „Tatort“-Hauptkommissarin wieder im Einsatz. Der mehrfache Grimme-Preisträger Alexander Adolph (zuletzt: „München Mord“ & „Polizeiruf 110 – Morgengrauen“) hat sie und Darstellerin Maria Furtwängler vom Superheldinnen-Image befreit. Da passt der idyllische Musterhof mit der malerischen Windmühle gut ins Bild. In „Der sanfte Tod“ stößt die Ermittlerin an ihre Grenzen. Diese Familie ist ein harter Brocken. So umgänglich der Fleischmagnat, so eiskalt die Frau Mama und so psychisch durch den Wind, das Würstchen der Landmanns, der werte Neffe. Der Krimi entwickelt sich nach knalligem Beginn mit doppeltem Anschlag ganz im Spannungsfeld seiner Charaktere. Die finale Whodunit-Frage wird ersetzt durch die Aufmerksamkeitsspur, die sich durch einzelne Szenen zieht: Amüsant, wie Lindholm und ihre seltsam verhuschte Kollegin Bär „guter Bulle böser Bulle“ spielen, aber auch wie die Kommissarin immer wieder Anläufe nimmt, etwas Verwertbares aus den Befragten herauszubekommen (vor allem, wenn man das mit Lindholms üblichem Ermittlungsstil vergleicht). Überzeugend geschrieben und gespielt sind aber auch die Szenen, in denen der Fleischbaron mit dem Brustton der Überzeugung seine minderwertige Billigwurst, zum Beispiel vor Journalisten, verteidigt und sie mit Zigaretten vergleicht (allein der Konsument sei verantwortlich). Besonders spannend wird es natürlich auch immer dann, wenn Lindholm und Landmann aufeinandertreffen. Elegant zieht er das Gespräch ins Private, während sie verzweifelt zu ermitteln versucht.
Foto: NDR / Christine Schröder
Geschichte und Inszenierung sind dicht & konzentriert, einige Szenen wie der Clinch der Lindholm mit einem angriffslustigen Eber sorgen für Auflockerung und die Gastrollen sind großartig besetzt. Heino Ferch ist geradezu ein Glücksfall. Sein durchaus sympathischer Fleischbaron macht es auch dem Zuschauer emotional nicht so einfach. Auch wenn einem die Worte von Bibiana Beglaus V-Effekt auf zwei Beinen noch im Kopf klingen mögen, dass dieser Mann alles & jeden kaufe; sein einnehmendes Wesen zeigt Wirkung. Dass Furtwängler in diesen gemeinsamen Szenen eher blass bleibt, hat gewiss neben der Beißhemmung ihrer Kommissarin auch mit der größeren Anziehungskraft zu tun, die Antagonisten generell besitzen. Adolph: „Ein guter Bösewicht hat viele Facetten – je gutmütiger, sanftmütiger und wohlwollender er ist, umso mehr packt er uns.“ Beim Showdown schließlich scheint einem dann wieder die alte Charlotte Lindholm zu begegnen, die Heldin, die sich allein aus der Todeszone rettet. Und doch – eine Siegerin sieht anders aus. (Text-Stand: 28.11.2014)