„Bürgermeisterkandidat Frieder Lott ist tot“, teilt Kommissar Thiel seiner Chefin mit. „Das würde mich aber sehr wundern“, feixt der echte Lott, jener rechtsextreme Polithardliner, der Bürgermeister von Münster werden möchte. Der Tote erweist sich als „der wahre Lott“, ein Kabarettist, der mit seiner Doppelgänger-Nummer dem Politiker heftig zugesetzt hat. Ihn deshalb aber umzubringen oder umbringen zu lassen – das will keiner so recht glauben. Wahrscheinlicher ist ohnehin, dass der Mordanschlag dem „Kandidaten“ gegolten hat. Doch auch in der linken Szene gibt es keine ernsthaften Tatverdächtigen. Bleibt der Ex-Freund des Ermordeten. Gekränkte Eitelkeit? Eifersucht? Und was macht der Kölner Staatsanwalt Jansen plötzlich in Münster? Und weshalb schleicht sich Boerne erfolglos bei Kollege Roth in Köln ein? Der Rechtsmediziner hat sich ein wenig ins Abseits manövriert – er steht unter Verdacht, nicht ganz nüchtern eine zweite Leiche mit seinem Wagen überfahren zu haben. Thiel dagegen gerät auf amouröse Abwege: die schöne Russin Larissa hat es ihm sichtlich angetan.
„Der doppelte Lott“ aus dem Jahre 2005 ist der achte „Tatort“ aus Münster. Mit dem Blick von 2012 gehört er zu den Highlights der komödiantisch angehauchten Krimis aus dem schwarzen Herzen Westfalens. Hier werden Fall und Geschichte noch nicht auf die spätere, bisweilen allzu alberne Erfolgsformel reduziert und es wird noch nicht die schnelle Pointe hinter jedem Dialog des Teams gesucht. Dafür gibt es wunderbare Sätze wie den des braunen Lott: „Was kümmert es die deutsche Eiche, wenn ein schwules Borstentier sich an ihr wetzt“. Der bestens getimte Film von Manfred Stelzer nach dem vorzüglichen Drehbuch von Stefan Cantz und Jan Hinter ist (noch) offen für diffizile Stimmungslagen: „Der doppelte Lott“ ist mehr als ein Krimi mit komödiantischem Augenzwinkern. Axel Prahl darf sich hier noch einmal in eine slawische Schönheit vergucken wie kurz zuvor in „Der Grenzer und das Mädchen“ (WDR) von Hartmut Schoen und damit üben für seine herzerweichende Kinoliebe in „Du bist nicht allein“. Singt er in Bernd Böhlichs Tragikomödie deutsches Kulturgut, setzt er im „Tatort“ gekonnt zum Kasatschok an. Boerne nähert sich schon der Karikatur, doch Thiel ist noch nicht zum komischen Thiel-Klischee geronnen, sein Kräftemessen mit einem doppelt so großen Bodyguard verrät noch sehr viel Eigen-Sinn. Vor sieben Jahren ließ sich auch noch das Handy(bimmeln) klug und komisch zugleich als Leitmotiv einsetzen. Fazit: 2005 mussten sich die Autoren noch etwas einfallen lassen. 2012 ist der Münsteraner „Tatort“ ein Selbstläufer. Der Erfolg hat der Qualität nicht nur gut getan. (Text-Stand: 4.7.2012)