„Der hat 250 000 Follower und wir kennen nicht mal den Namen. Ich hab 29 Follower und denke, das ist viel“, sagt Moritz Eisner und meint den Wiener Rapper „Ted Candy“, bürgerlich Theodor Sänftner (Aleksandar Simonovski aka „Yugo“). Der lieferte sich zuletzt ein „Beef“ , eine musikalische Auseinandersetzung voller handfester Drohungen, mit dem Gangsterrapper Akman 47, eigentlich Aman Onur (Murat Seven). Jetzt ist Candy tot – nach einem Konzert mit reichlich Koks und voller Adrenalin liegt er erschlagen im Parkhaus. Ein ungewohntes Ermittlungsterrain für Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser). Bald stellt sich heraus, dass Ted nicht zuletzt auf Drängen seiner ehrgeizigen Mutter (Edita Malovčić) zu einem größeren Label wechseln und sich von seinem Mentor Akman 47 und dessen Label lossagen wollte. Der Ex-Knacki hat auf jeden Fall nur ein schwaches Alibi. Eine weitere Spur führt zu dem schönen Ferdl (Tobias Resch), Mitarbeiter eines Hip-Hop-Clubs und Lover des Opfers. Ted wollte die Beziehung geheimhalten, weil sie nicht zu seinem Image als harter Rapper passte. Schließlich stoßen Eisner und Fellner auf einen Immobilien-Unternehmer und Ex-Bordellbetreiber (Hary Prinz), der im Musikgeschäft die Fäden zieht.
„Tatort“ meets Rap: In ihrem 34. gemeinsamen Fall blicken die Wiener Ermittler hinter die Fassade der hiesigen Hip-Hop-Szene und bekommen es mit Publicity, Hate & Fake zu tun. Sie entdecken eine Musik, die ihnen bisher eher fremd war, die ihnen aber im Lauf der Zeit immer besser gefällt. Das Drehbuch zu „Deine Mutter“ stammt von Franziska Pflaum und Samuel Deisenberger. Die beiden kennen sich bestens aus mit dieser ehemaligen Subkultur, die längst Mainstream ist. Es gelingt ihnen, viele Facetten der Hip-Hop-Szene zu zeigen: das sexistische Frauenbild, Homosexualität vs. Homophobie, Drogenmissbrauch, Fame, Rap als Sprachrohr und Ausdrucksform der weniger Privilegierten. Das ist weder zu nischig, noch zu Klischee-beladen. Nur etwas zu viel der Themen. Den Krimi-Plot aber verlieren sie nie aus den Augen.
„Wir haben jede Figur an wahre Personen aus der Szene angelehnt. Kein Musik-Genre hat weltweit so viel Gewicht, seine Protagonistinnen und Protagonisten sind Stars mit den unterschiedlichsten Stilen, Attitüden und Haltungen. In unserem Film steht Ted Candy für den modernen Hip-Hop als Mainstream-Pop und Social-Media-Phänomen. Es gibt mehrere Künstler, die die Figur inspiriert haben. Dessen Gegenspieler Akman 47 ist eher ein Veteran des harten Gangster-Raps, der besonders um 2010 in Deutschland erfolgreich war. Bashir, als Dritter im Bunde, gehört zu der jungen politischen Generation, die um die alte Authentizität kämpft und sich auf die Realness von Hip-Hop beruft.“ (Mirjam Unger, Regisseurin)
Mit der früheren Musikjournalistin Mirjam Unger (einige ORF-„Landkrimis“, die Serie „Tage, die es nicht gab“) hat eine Regisseurin den Stoff umgesetzt, die ebenfalls eine große Affinität zu dieser Szene hat. Sie weiß, das Milieu und die Protagonisten in Szene zu setzen, sie findet die richtige Balance zwischen Hip-Hop-Authentizität und dem Wiener-„Tatort“-Flair. Ein paar schöne Szenen zwischen den Kommissaren inklusive, etwa wenn Bibi, im zweiten Monat Vegetarierin, dem Wurstliebhaber Moritz am Imbiss mit dem schönen Namen „Auszeit“ die Vorzüge von Fleischersatz erklärt und ihm eine vegetarische Wurst unterjubelt. Unger kennt die Hip-Hop-Welt, kann sich auf tolle Locations – vom Pillow Club über das Rapper-Studio bis zur cool gestylten Welt eines Erfolgslabels samt abgehobenem Chef und Kaffeefetischisten – verlassen (Top-Szenenbild: Katharina Wöpperman) und das fein abgestimmte Sounddesign zieht sich über die gesamten 90 Minuten. Unger und die Autor:innen arbeiten die Bruchlinien zu den eigenen Schicksalen der beiden protzenden Straßen-Rapper gut heraus, zeigen, was hinter der Fassade steckt, wie die Branche arbeitet und dass die Grenzen zwischen Fake und Reality zuweilen durchaus fließend sein können.
Yugo und Frayo 47 haben die meisten der Rap-Texte, die im Film zu hören sind und die unterschiedlichen Typen charakterisieren, verfasst. Der Score und die Tracks stammen von den Wiener Musikproduzenten Lamettas. Eine gelungene Nebenfigur ist Unterweltboss Igor (herrlich: Hary Prinz), der im Luxus schwelgt, Blumen züchtet und im Hintergrund die Fäden seines schmutzigen Geschäfts zieht. Und schließlich darf auch Bibi noch ein wenig rappen; bereits ziemlich am Anfang des Films. Auf einer Brücke liefert sie sich einen „Beef“ mit Candy. Doch alles nur geträumt. „Die Traumsequenz ist ein wenig an das Video Sabotage der Beastie Boys angelehnt, für das die Musiker in Polizeiuniformen geschlüpft sind“, sagt Unger. So hat man die Majorin und am Ende auch den Oberstleutnant wohl noch nie gesehen.