Bevor Axel Milberg im nächsten Jahr seine Rolle als „Tatort“-Kommissar an den Nagel hängt, widmet er sich in der Episode „Borowski und das ewige Meer“ noch einmal großen Themen: der längst wahrnehmbaren Klimakatastrophe und den scheinbar genzenlosen Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI). Der Kieler Kommissar erweist sich dabei als sympathischer Vertreter seiner am Zustand der Welt ja nicht ganz unschuldigen Generation. Bevor er sich am Ende unter die jungen Leute mischt, die am Strand Müll aufsammeln, hat er es, obwohl Polizist, bereits zu einem väterlichen Freund der jungen Aktivisitin Leonie Mewes (Johanna Götting) gebracht – durch praktische Hilfe und Bereitschaft zum Zuhören. Der „Tatort“-Kommissar als Vorbild, das geht nicht immer gut, aber diesem von Milberg zutiefst menschlichen und im Auftreten stets leisen Einzelgänger Borowski traut man den Blick über den eigenen (Polizei-)Horizont ohne weiteres zu.
Das Drehbuch-Duo Katharina Adler und Rudi Gaul versucht sich an einer ambitionierten Erzählung über menschlichen Kontrollverlust sowohl durch Natur (Klimawandel) als auch durch Technik (Künstliche Intelligenz). Sie greifen dabei auf ein KI-kritisches Gedankenexperiment des Philosophen Nick Bostrom zurück. Demnach könnte ein auf die Produktion von Büroklammern programmierter Computer, der nur dieses eine Ziel kennt und diesem alles unterordnet, letztlich die Welt zerstören. Auf der poetisch-sinnlichen Ebene sorgt „Der Tod des Meeres“, ein 1954 veröffentlichtes Gedicht von Gabriela Mistral, Literatur-Nobelpreisträgerin aus Chile, sowie Bilder von Küste, Strand und Meer für eine melancholische Endzeit-Stimmung.
Grundsätzlich ist es zwar erfreulich, dass sich der „Tatort“ an große Themen wagt. Doch der Kern der Geschichte bleibt nur eine waghalsige Behauptung: Junge, intelligente und engagierte Menschen lassen sich von einer „Freundin“, die sie nur als Influencerin in einem sozialen Netzwerk kennen, zum Selbstmord überreden. Wieso Zenaida (Milena Tscharntke) eine solche Macht über Klara, Martha und Jakob (die nacheinander ertrunken aus dem Meer gefischt werden) gewinnen konnte, kann die Inszenierung von Katharina Bischof beim besten Willen nicht schlüssig erzählen. Neben der (natürlich nachvollziehbaren) Verzweiflung darüber, dass es zu langsam vorangeht mit dem Kampf gegen die menschengemachte Erderwärmung, treibt letztlich ein ziemlich schlichtes Argument die jungen Aktivist:innen zum Äußersten: „Bin ich weg, gibt es eine CO2-Schleuder weniger“, erläutert Leonie dem Kommissar. Der einzelne Mensch entsorgt sich als „radikale Konsequenz“ selbst und die internationale Klimabewegung wird zu einer sektenähnlichen Gruppe mit Todessehnsucht.
Damit dies nicht etwa als Botschaft missverstanden wird, endet der Film auch noch mit erhobenem Zeigefinger und einer Art Ansprache ans Publikum. Sofia Hoffmann (Pauline Fusban), die Schöpferin von Zenaida, appelliert ans Publikum, nicht aufzugeben und aktiv zu werden: „Die Möglichkeit, die Welt zu gestalten, sie liegt bei mir. Und bei Dir.“ Spätestens dann wird klar: Das Krimi-Format, in dem auch noch Platz für einen möglicherweise eifersüchtigen, gewalttätigen Verdächtigen (Jonathan Berlin) und eine neue Kollegin im Kieler Kommissariat (Thea Ehre) neben Borowskis Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) sein muss, ist hier sichtlich überfordert mit einem Szenario, das gleich mehrere große Themen verarbeiten will. (Text-Stand: 18.10.2024)