Ein Abfallunternehmer wurde im Schlafzimmer seines Hauses erschlagen. Das Geld aus dem Wandtresor ist gestohlen, doch die Brutalität des Mordes deutet für die Kommissare Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Andreas Keppler (Martin Wuttke) nicht auf einen Raubmord, sondern eher auf eine Tat aus Wut oder Hass hin. Unter Verdacht gerät der Ex-Firmenpartner des Opfers (Uwe Bohm). Dessen Tochter wurde fünf Jahre zuvor bei einem Verkehrsunfall getötet. Am Steuer saß der Unternehmer. Wollte der Vater den Tod seines Kindes rächen? Auch die erwachsenen Kinder des Opfers geraten in den Fokus der Ermittlungen. Der Sohn (Tino Hillebrand) hat eine Jugendstrafe wegen Raubes mit schwerer Körperverletzung abgesessen und gibt vor, die Versöhnung mit seiner Familie gesucht zu haben. Die Tochter ist verheiratet mit einem Angestellten der Firma ihres Vaters. Der stand nach einem Erpressungsversuch kurz vor der Entlassung… Und dann gibt es ein weiteres Opfer.
Wilde Zeiten in Leipzig: Den Einstieg hat Stefan Kornatz wie einen Videoclip inszeniert: schnelle Bildfolge, starke Musik. Dann der Zeitsprung: vier Jahre später. Bis die Wahrheit ans Licht kommt wird viel geprügelt und geschrien im „Tatort – Blutschuld“. Der Regisseur, der bereits zwei bemerkenswerte „Tatort“-Episoden gedreht hat – „Es ist böse“ (HR, mit Król & Kunzendorf) und „Mord auf Langeoog“ (NDR, mit Möhring), zeichnet hier erstmals allein für Buch und Regie verantwortlich. Als Berater hat er sich einen Profi geholt, der den HR über Jahre beraten hat und mit dem Kornatz in „Es ist böse“ bereits zusammen gearbeitet hat: Axel Petermann – Kriminalist, Profiler und Autor, einige seiner Fälle wurden bereits für die „Tatort“-Reihe umgesetzt. Petermann zeigt stets Menschen in Extremsituationen, Menschen, die außer Kontrolle geraten und deren handeln stets schwer nachzuvollziehen ist.
Foto: MDR / Steffen Junghans
So auch im neuen Leipzig-„Tatort“. Doch hier trifft Kornatz auf ein Ermittler-Duo, bei dem man schon seit einigen Folgen das Gefühl hat, dass die Luft raus ist. Es ist der 20. Fall für Simone Thomalla und Martin Wuttke; eine Folge kommt noch Ende 2015, dann ist endgültig Schluss. Die von ihnen gespielten Kommissare stecken zu sehr in ihren festgefahrenen Rollen. Aus denen kann und will der Autor und Regisseur sie auch im „Tatort – Blutschuld“ nicht befreien. Eva Saalfeld muss wieder ihre Betroffenheitsmine aufsetzen und sich Vorwürfe machen, Andreas Keppler ist der ewig langsame Brüter, der die Dinge eher in sich hineinfrisst als sie rauszulassen. Da findet kaum mehr eine Entwicklung statt, das macht auch der aktuelle Fall deutlich. Allzu viel müssen die beiden in Dialogen erklären, obgleich der Krimi durchaus Action zu bieten hat (nicht aufgesetzt, sondern überwiegend aus der Geschichte heraus).
Die Besetzung ist unspektakulär, aber durchaus stimmig, nur bei einer Rolle darf und muss man die Frage stellen, was eigentlich die „Tatort“-Koordinationsstelle der ARD beim WDR in Köln so tut. Denn Uwe Bohm war erst einen Sonntag vor diesem „Tatort“ in der Bodensee-Episode ebenfalls einer der Hauptverdächtigen. Irgendwie schade, auch wenn der Schau-spieler nichts dafür kann, wenn er allsonntäglich den vermeintlich bösen Buben mimen muss. Dass er es kann, beweist er. Nur der Zuschauer hätte mehr Abwechslung verdient. Der „Tatort – Blutschuld“ ist eine Familientragödie, eine Eruption aufgestauten Hasses. Stefan Kornatz erzählt das radikal bis zum körperbetonten, blutigen Finale. „Waren wir zu früh oder zu spät?“ richtet Eva am Ende die Frage an ihren Kollegen und Ex-Mann. Der schweigt – wie meistens. Sie gehen nicht zu früh, die beiden Leipzig-Cops… einmal dürfen sie noch ran.