Grausiger Fund in einem Wald. Ein 12jähriges Mädchen wurde erdrosselt, in eine Plastikfolie gesteckt und im Unterholz verscharrt, notdürftig, damit man die Leiche findet. Offenbar keine Einzeltat – denn ein zweites Mädchen, 13 Jahre, ähnlicher Typ, wird vermisst. Die Stimmung auf dem Kommissariat ist entsprechend. Gewalttaten an Kindern, das zieht jeden runter, Faber ganz besonders: „Sie sieht meiner Tochter ähnlich“, stellt er fest. Seine Kleine und seine Frau sind ermordet worden. Ausgerechnet heute ist der Todestag des Ereignisses, das Fabers Seelenleben aus den Angeln hob. Auf seinem Schreibtisch ein Geschenk zum Todestag: Fotos von Frau und Kind. Hat also der Mörder mit seiner Tat vor allem Faber im Visier?
Foto: WDR / Thomas Kost
„Ich hab’ dich benutzt und dann weggeworfen, hab alles gut vorbereitet, ich weiß, was ich tue.“ Kommissar Faber wandelt noch immer auf den Spuren eines ebenso provokanten wie empathischen Profilers. Er badet förmlich in den Gedanken des Psychopathen, der kleine Mädchen vergewaltigt und tötet, um ihn überführen zu können. In „Auf ewig Dein“, dem vierten Einsatz der Dortmunder Mordkommission, hat Autor Jürgen Werner die bislang auffälligste Figur des dritten WDR-„Tatort“-Teams einen Tick zurückgedreht. Noch immer verhört Faber provozierend, zu Selbstmitleid und Kamikaze-Aktionen aber fehlt ihm die Zeit. Mit dem hohen Grat seiner persönlichen Involviertheit in den neuen Fall gibt ihm der Autor die Möglichkeit, sein privates Trauma zu bearbeiten – als Ermittler, der in einem Duell seinem Peiniger gegenübertreten muss. Am Ende treffen sich die beiden zum Showdown auf einem Hochhausdach. „Möchten Sie Ihrem Leben wieder einen Sinn geben?“, fragt Fabers Gegenspieler. Der Psycho-Kommissar will es, aber anders: Er wird nicht springen. Und so besteht Aussicht, dass er doch noch zu einer „gesunden“ Trauerarbeit finden könnte.
Auch die Entwicklungsbögen der anderen Kommissare, eher Team-Player klassischen Zuschnitts, gelangen im „Tatort – Auf ewig Dein“ an einen vorübergehenden Endpunkt. Zu viel sollte nicht verraten werden. Auch nicht vom Fall. Nur so viel: Was wie ein atmosphärischer Ermittlerkrimi beginnt, wird immer mehr zu einem Zweikampf. Der 90-Minüter geht denselben Weg wie das erste Viererpack: Er steigert sich in seinem Verlauf. Und in dem Maße, wie sich Peter Faber und Martina Bönisch näherkommen, entfernen sich Nora und Daniel voneinander. Die Senior-Ermittler finden sich sogar gemeinsam in einem Hotelzimmer wieder – eine symbolhafte, für ihre Beziehung wegweisende Szene. Goodbye Callboy, hello Friend Faber. Die Saat geht auf, die Figuren wachsen zusammen – und Jörg Hartmann, Anna Schudt, Aylin Tezel und Stefan Konarske helfen dabei kräftig mit. Das Team ist der Star – und doch gibt es mindestens einen Solokünstler. Dortmund eben.
Foto: WDR / Thomas Kost
Auch dramaturgisch erweist sich die Konzeption der ersten vier Episoden – vor allem retrospektiv betrachtet – als äußerst gelungen. Die vier Charaktere haben Konturen bekommen, sind emotional griffig und zu neuen „Abenteuern“ bereit. Ihren Figuren wurde zwar viel (Vorgeschichte) aufgeladen, aber sie haben es verstanden, physisch und sinnlich dichte Charaktere daraus entstehen zu lassen. Die Amerikaner hätten aus den „Linien“ der vier ersten Episoden vielleicht zwei Serien-Staffeln gemacht. Will sagen: Jürgen Werner, Produktion, Redaktion und Regie haben ein Stück weit das moderne TV-Erzählen in das 43 Jahre alte Format eingebracht. Besonders spannend ist die dramaturgische Prämisse, jede Szene aus der Perspektive der Kommissare zu zeigen. Als Zuschauer muss man da besonders die Interaktionen lesen – und auf ein kriminologisches Mehrwissen kann der „Tatort“-Fan hier nicht bauen. Nach „Alter Ego“ im September 2012 war noch Skepsis angebracht, „Mein Revier“ steigerte sich ein wenig, „Eine andere Welt“ deutlich und mit „Auf ewig Dein“ ist nun der bisherige Höhepunkt des „Tatort“-Ablegers Dortmund erreicht. Das hängt ein Stück weit auch damit zusammen, dass für das dichter gewobene Interaktionsgeflecht und die emotional packende Handlung mit Dror Zahavi ein für psychologische Zwischentöne perfekter Regisseur zur Verfügung stand. Und er war es auch, der Hartmanns Ekel gebremst hat. Denn für ihn ist dieser Faber „nicht so extrovertiert & äußerlich verrückt“. (Text-Stand: 9.1.2014)