Tatort – Abstellgleis

Hartmann, Reinsperger, Lause, Konarske, Werner, Fischer. Zurück in die Zukunft

30.03.2025 20:15 ARD TV-Premiere
30.03.2025 20:15 ARD-Mediathek Mediathek-Premiere
30.03.2025 21:45 One
01.04.2025 00:45 ARD
Foto: WDR / Thomas Kost
Foto Rainer Tittelbach

Intimfeinde unter sich könnte das Motto von „Abstellgleis“ (WDR / Bavaria Fiction) lauten, der 26. Dortmunder „Tatort“-Episode, würde sich nicht bald ein noch markanterer Leitspruch anbieten: ein Kommissariat voller Verdächtiger. Aber zunächst mal geht es Faber an den Kragen. Jürgen Werner, Erfinder und mit 15 Episoden Stammautor dieses schmutzigen „Tatort“-Ablegers, hat wieder mal ganze Arbeit geleistet und bedient sehr viel mehr als nur das konventionelle „Ein-Kommissar-unter-Verdacht“-Narrativ. Vielmehr gibt er dem Vergangenen (Bönischs Tod, Fabers und Herzogs Vergehen im Dienst) in Kombination mit neuen potenziellen Gesichtern eine spannende Perspektive für die Zukunft. Ein besonderer Coup, sowohl dramaturgisch als auch besetzungstechnisch, ist die vorübergehende Einbindung von Daniel Kossik / Stefan Konarske. Und die Flamme des Ungewissen flackert bedrohlich über das Filmende hinaus weiter.

Was hat Faber (Jörg Hartmann) jetzt schon wieder angestellt? Weshalb fährt er auf einem Güterzug Richtung Container-Hafen und wirkt wie ein gehetzter Hund? Und warum jagt Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) mit gezückter Waffe hinter ihm her? Tags zuvor war alles noch wie immer. Sprich: miese Stimmung auf dem Kommissariat. Ira Klasnic (Alessija Lause), die neue Chefin, die Faber offensichtlich gern loswerden würde, kommandiert die beiden zu einem banalen Fall ab: tödlicher Unfall mit Fahrerflucht. Die Ex-Freundin eines mutmaßlichen Albaner-Clan-Mitglieds (Kasem Hoxha) ist von einem SUV überfahren worden. Doch Faber und Herzog kommen nicht groß zum Ermitteln. Denn der nächste Tag beginnt mit einem Paukenschlag: KTU-Chef Haller (Tilman Strauß) ist ermordet worden. „Mord im Affekt – was für ein persönliches Motiv spricht“, kombiniert Klasnic. Schlechte Karten für Faber. Denn der ist am selben Tag mal wieder mit seinem Intimfeind aneinandergeraten, und alle haben es mitbekommen. Der Fall geht ans LKA. Und so sitzt Faber bald einem Mann gegenüber, der mit ihm noch eine alte Rechnung offen hat: Ex-Kollege und Möchtegern-Alphamännchen Daniel Kossik (Stefan Konarske).

Tatort – AbstellgleisFoto: WDR / Thomas Kost
Alles fängt ganz harmlos an. War es „nur“ ein tödlicher Unfall mit Fahrerflucht? Oder ein geplanter Mord-Anschlag? KTUlerin Rabea Sharif (Ann-Kathrin Hinz), Faber (Jörg Hartmann) & Herzog (Stefanie Reinsperger). Später machen sich alle verdächtig.

Intimfeinde unter sich könnte das Motto von „Abstellgleis“ lauten, derm 26. Dortmunder „Tatort“-Episode, würde sich nicht bald ein noch markanterer Leitspruch anbieten: ein Kommissariat voller Verdächtiger. Denn auch Rosa Herzog, deren Mutter die Ex-Terroristin Susanne Bütow (Esther Zschieschow) ist, gerät in Kossiks Visier. Was war damals mit dem vermaledeiten Prepaid-Handy, das Faber für sie aus der Asservatenkammer geklaut hat? Da Haller von dem kleinen Geheimnis Herzogs wusste, hätte auch sie durchaus ein Motiv. Und dann sind da ja noch Otto Pösken (Malick Bauer), der freundliche Polizist, der gern bei der Kripo Karriere machen würde und sich privat etwas zu auffallend für Herzog interessiert. Aber auch der neue Rechtsmediziner Magnus Gabor (Stefan Haschke), der unverblümt am Stuhl von Greta Leitner (Sybille Schedwitz) sägt, könnte beim Komplett gegen Faber seine Hand im Spiel haben. Und was ist mit der KTUlerin Rabea Sharif (Ann-Kathrin Hinz), die vom Tod Hallers nicht unmaßgeblich profitiert und immer wieder von ihm gedemütigt wurde? Einzig Rechtsmedizinerin Leitner steht außer Verdacht, und ausgerechnet sie wurde vom Dienst suspendiert, weil sie Faber einen entscheidenden Tipp gegeben hat. Selbst Chefin Klasnic, die sich ohnehin durch eine noch unangenehmere Art als einst Faber auszeichnet, gibt weiterhin (auch über diesen Film hinaus) Rätsel auf. Jürgen Werner, Erfinder und mit 15 Episoden Stammautor dieses „Tatort“-Ablegers, hat wieder einmal ganze Arbeit geleistet und bedient sehr viel mehr als nur das konventionelle „Ein-Kommissar-unter-Verdacht“-Narrativ.

Tatort – AbstellgleisFoto: WDR / Thomas Kost
Alt geworden, oder ist es der Ausnahmezustand, in dem sich Daniel Kossik (Stefan Konarske) – in Diensten des LKA – befindet?

„Abstellgleis“ beginnt nach der vorausblickenden Sequenz am Hafen vermeintlich überraschungsarm: Klasnic kommt nicht ohne eine verbale Spitze aus, Narzisst Haller provoziert Faber am Tatort („Ihre Chefin will Sie loswerden, ich will Sie loswerden, und der Polizeichef lässt die Korken knallen, wenn und das gelingt.“) – und der kann sich gerade noch beherrschen. Doch als dann Rosa Herzog in das perfide Spiel von Haller hineingezogen wird, der bekanntlich maßgeblich am Tod von Kommissarin Bönisch schuld war, bekommt diese Episode – im Hinterkopf die unklare Lage am Hafen – eine unterschwellig grummelnde Spannung. Ob am Tatort oder später auf dem Kommissariat: Es ist ein ewiges die anderen Beäugen und Belauern. Diese Politik der Blicke haben Regisseur Torsten C. Fischer und Kameramann Andreas Köhler eindrucksvoll eingefangen – besonders dicht in der Sequenz, in der sich die Schlinge um Fabers Hals zusammenzieht. Eine clevere Raum-Inszenierung und klare Choreografie der vier Protagonisten pushen noch die hohe innere Spannung, die das Katz-und-Mausspiel zwischen Kossik und Faber ohnehin schon besitzt. „Wir nehmen ihn fest, wenn er genügend Lügen erzählt hat, damit er aus der Sache nicht mehr rauskommt.“ Mit diesem Satz wird die Bedrohung Fabers explizit. Und die Spannung kippt aus der Latenzphase ins offen Physische. Faber macht die Fliege – aus dem Toilettenfenster, übers Dach, in Richtung Hafen. Der Letzte aus der Urformation des „Tatort“ Dortmund in Gefahr: Auch der Score (Warner Poland, Wolfgang Glum) arbeitet immer wieder stimmungsvoll an diesem Unbehagen mit, sogar über das Handlungsende hinaus.

Das einzige Manko des „Tatort“ Dortmund war zuletzt die hohe Fluktuation beim Stammpersonal. Jürgen Werner versucht deshalb in „Abstellgleis“, dem Vergangenen (Bönischs Tod, Fabers und Herzogs Vergehen im Dienst) in Kombination mit neuen potenziellen Gesichtern eine narrative Perspektive für die Zukunft dieses schön schmutzigen Reihen-Ablegers zu geben. Ein besonderer Coup, sowohl dramaturgisch als auch besetzungstechnisch, ist die vorübergehende Einbindung von Daniel Kossik alias Stefan Konarske (auch noch bei „Tatort“ Nr. 27 dabei). Zurück in die Zukunft quasi. Ein großer Gewinn ist auch Malick Bauer als Aufsteiger-Bulle, bekannt geworden durch die Titelrolle in der Serie „Sam – Ein Sachse“ (2024), die ihm den Grimme-Preis einbrachte. Werner hat es für den „Tatort“ aus Dortmund also wieder mal geschafft: zu verblüffen und die Flamme des Ungewissen bedrohlich & horizontal weiterflackern zu lassen. Das Funktionale mit dem Besonderen kurzzuschließen ist eine seiner Stärken. Das gilt auch für seine Dialoge. Nötige Informationen formulieren sie möglichst knapp. Aber es gibt auch immer wieder Sätze, die die Eigenarten der Figuren betonen. „Was ist Ihr Problem?“, will der verdächtige Albaner von dem nervenden Faber wissen. „Oh, ich wäre froh, wenn ich nur eins hätte.“ Und dass Kossik Faber in Sachen Ironie und Sarkasmus heute in nichts nachsteht, macht Werner unmissverständlich deutlich, als sich Faber der Befragung lächelnd mit den Worten entzieht: „Es geht um den aktuellen Fall, und der Kaffee drückt auch.“ Darauf Kossik: „Solange es nicht das dritte Bier zum Frühstück ist.“

Tatort – Abstellgleis
Styling-Wechsel. Faber (Jörg Hartmann) musste untertauchen. Kann er sich auf Kollegin Herzog (Stefanie Reinsperger) verlassen?

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1 Antwort

  1. Malick Bauer im Dortmunder Tatort!
    Wenn der TO aus DO nicht ohnehin jedes Mal einen Blick wert ist, dann ist es diese Personalie.
    Da freu ich mich.

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WDR

Mit Jörg Hartmann, Stefanie Reinsperger, Alessija Lause, Stefan Ko-narske, Malick Bauer, Sybille Schedwill, Stefan Haschke, Ann-Kathrin Hinz, Kasem Hoxha, Tilman Strauß, Simon Steinhot, Esther Zschie-schow

Casting: Iris Baumüller

Kamera: Andreas Köhler

Szenenbild: Michaela Schumann

Kostüm: Ella Imig

Schnitt: Dora Vajda

Musik: Warner Poland, Wolfgang Glum

Soundtrack: Lady Blackbird („Lost and Looking“), Lisa Germano („From a Shell“)

Redaktion: Frank Tönsmann

Produktionsfirma: Bavaria Fiction

Produktion: Lucia Staubach

Drehbuch: Jürgen Werner

Regie: Torsten C. Fischer

EA: 30.03.2025 20:15 Uhr | ARD

weitere EA: 30.03.2025 20:15 Uhr | ARD-Mediathek

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