Rebecca ist sich sicher – das wird nichts mehr bei ihr mit der Liebe und mit einem Mann, der zu ihr passt. Das letzte Mal hat sie neun Jahre gekämpft, gelitten und gestritten, damit dieser Kerl das alles, was sie von ihm, aber er nicht von ihr wollte, jetzt mit einer anderen lebt. Ähnlich desillusioniert vom Leben und der Liebe ist Bruno. Die beiden lernen sich auf kuriose Weise am Tag der Hochzeit von Rebeccas bestem Freund kennen. Und so ist nun dieser etwas grimmige Zeitgenosse der neue „beste Freund“ an ihrer Seite, wenn es darum geht, über die anderen und ihre blöden Gewohnheiten abzulästern. Im sicheren Glauben, jeweils nicht der Typ des anderen zu sein, verbringen sie viel Zeit miteinander und stehen sich bald auch in schwierigen Situationen bei. So gerät Rebecca in Brunos Vater-Sohn-Konflikt und lernt auch Joelle & Beat kennen, die Bruno in jungen Jahren verließ, weil er die Verantwortung als Vater nicht übernehmen wollte. Obgleich es beide sich nur schwer eingestehen können: Wenn man sich so gut versteht, wenn man miteinander Freude und Leid teilen kann und viele glückliche Momente gemeinsam verbringt, könnte dann mit diesem „besten Freund“ und dieser „besten Freundin“ nicht auch so etwas wie eine romantische Beziehung möglich sein?
Caroline Peters und Misel Maticevic spielen in der ARD-Liebeskomödie „Süßer September“ diese beiden Übriggebliebenen, die unter Wert durchs Leben gehen, sie, die leidenschaftliche Fotografin, an der Rezeption eines Hotels, er, der gescheiterte Restaurantbesitzer als der Mann von der Telefonauskunft. Rebecca und Bruno sind zwei Seelenverwandte, die sich nicht in Nebensächlichkeiten verlieren, selbst der Hang zur Ironie verkommt bei ihnen nie zum Selbstzweck und ein pessimistischer Unterton ist unüberhörbar. Rebecca: „Und verwenden Sie auch Gin für Ihren Gin Fizz?“. Barkeeper: „Ansonsten sind alle zufrieden.“ Rebecca: „Das ist das Wesen der Welt.“ Auch Rebeccas Schlagfertigkeit ist mehr als eine bloße Eigenschaft, denn sie legt mehr oder weniger dezent den Finger in die Wunde. Rebecca: „Ohne Träume verdient es sich leichter.“ Bruno: „Das klingt ziemlich traurig.“ Rebecca: „Sagt der Mann von der Auskunft.“ Was sich da in 90 Minuten überwiegend gewitzt vermittelt, kommt nie vom Wesentlichen ab, von der Suche nach dem Glück, das viel mehr als die Suche nach dem richtigen Partner ist. Voraussetzung dafür: Man braucht Figuren, die glaubhaft in der Lage sind, über das Leben zu philosophieren, aufgeklärte Charaktere, die sich für den Zuschauer nicht dümmer stellen müssen und die den Weg zum Happy End zum Ziel werden lassen.
Dass in „Süßer September“ zwei Protagonisten dieser seltenen TV-Spezies (auch in US-Komödien werden sie ersetzt von extrovertierten Mainstream-Tussis, die am globalisierten Glanz des american way of life allenfalls ein wenig kratzen dürfen) ausgiebig zu Wort kommen, ist dem Autor Sathyan Ramesh zu verdanken, ein ausgewiesener Experte für Geschlechterspiele in vielen Genre-Zwischentönen. Mit dieser wunderbar melancholischen, lebensklugen und alles anderen als nur leichten Komödie legt er sein Meisterstück vor, auch weil er mit Peters und Maticevic auf wahre Meister ihres Fachs trifft. Können Rameshs Dialoge auch schon mal zu viel des pointiert gesprochenen Guten sein: jeder Satz ein Merksatz, eine Metapher, eine Sentenz, darunter kann dann schon mal die Glaubwürdigkeit einer Figur etwas leiden (dabei geht es doch Ramesh um Authentizität der Figuren und wenig um das Genre). Hier aber leidet nichts, weil es dem Autor und den Schauspielern selbst in der langen Eine-Nacht-in Berlin-Sequenz gelingt, die Häufung der Paarbeziehungswahrheiten als eine Art lebens- und liebesphilosophisches Kennlernspiel zu präsentieren – zu dessen Gelingen auch die luftige Inszenierung von Florian Froschmayer beiträgt. Während Maticevic seine geballten Lebensweisheiten entsprechend der Mentalität seiner Figur eher männlich aussitzt, sich Zeit nimmt für seine Dialoge, entspricht Peters’ Prinzip eher dem Screwball-Touch: Sie eliminiert aus ihren Dialogen den letzten Rest Verkopftheit, indem sie sie mit Tempo, Lust und Temperament lebendig & menschlich werden lässt und ihr Mienenspiel ist immer ein Ereignis.
Obwohl man weiß, dass es sich um eine romantische Komödie handelt, schafft es „Süßer September“, dass man das Genre vergisst und sich einlassen kann: anfangs auf wunderbare (kinohafte) Momente offener, aufrichtiger Freundschaft, später auf die Geschichten, die sehr viel tiefer gehen als die Ausgangsfrage, „Können Männer und Frauen einfach nur miteinander befreundet sein?“. Darauf gibt der Film erfreulicherweise keine Antwort. Er zeigt uns nur, wie es sich bei Rebecca und Bruno verhält. Verallgemeinerungen sind etwas für pseudowitzige Geschlechter-Ratgeber, nicht aber für eine gute Komödie. Auch wenn sich die beiden am Ende kriegen – bei diesen zwei Individualisten darf man zumindest hoffen, dass sie es in ihrer Beziehung besser machen als zu viele andere, die Nähe mit Symbiose verwechseln. Oder vielleicht auch nicht. Die Schlussszene – von Rebeccas Seite her ein einziges Bombardement der Vorwürfe, dem Bruno nur kleinlaut und ziemlich hilflos mit Gemeinplätzen („Man ist, wer man ist; man kann nicht so einfach aus seiner Haut“) begegnet – könnte auch der Anfang vom Ende einer Beziehung sein. Das wäre dann aber ein anderer Film. Mit Caroline Peters und Misel Maticevic könnte das durchaus auch eine Komödie sein.