Stilles Tal

Wolfgang Stumph & Robert Atzorn. Im Fenster der deutschen Geschichte ausgestellt

Foto: MDR / Conny Klein
Foto Rainer Tittelbach

„Rückgabe vor Entschädigung“ – was das heißen kann, deutet „Stilles Tal“ an. Doch alles nur halb so schlimm! Die Geschichte dieses Ossi-Wessi-Streits wird relativiert durch die Allmacht der Naturgewalten. Historische Wahrheiten werden zu Binsenweisheiten reduziert, starke Metaphern werden zerredet und mittels Gemeinplätzen aufpoliert. Der deutsch-deutsche Stoff, die dramatisch-dramaturgische Grundkonstellation und die Elbfluten als Filmmotiv hätten ein einfallsreicheres Drehbuch und eine weniger vorgestrige Machart verdient!

Müglitztal in Sachsen 2002. Thomas Stille und seine Frau Barbara fürchten um ihre Existenz. Sie haben den jahrelangen Prozess um den ehemaligen Bauernhof, aus dem sie ein einfaches, aber beliebtes Ausflugslokal gemacht haben, verloren. Alteigentümer Konrad Huberty ist nun der rechtmäßige Besitzer. Seine Eltern verließen mit ihm nach dem Krieg sein Geburtshaus in Richtung Westen. Der Einigungsvertrag ist die Grundlage für die neuen Eigentumsverhältnisse. Die Stilles trifft es völlig unvorbereitet: ihr Anwalt hat den Gerichtsbeschluss nicht weitergeleitet, die Tochter ist hochschwanger, gerade erst hat der Vater viel Geld in die Renovierung der Küche gesteckt – und da sollen sie am nächsten Tag das Haus räumen!? Außerdem spielt auch noch die Natur verrückt. Es gießt seit Stunden. Hochwasserwarnung für ganz Sachsen. Das Wohnmobil der Hubertys wurde von den Wassermassen mitgerissen. Jetzt müssen „die Feinde“ sogar noch unter einem Dach ausharren. Und der Regen lässt nicht nach. Das Wasser steht bereits im Erdgeschoss.

„Alles findet sich irgendwann wieder. Was du nicht vergisst, geht auch nicht verloren.“ Und so sehnt sich Konrad Huberty, der gebürtige Sachse, im Westen aufgewachsen, nach dem Erbe seines Elternhauses. Da steckt nicht nur Geschäftsinteresse dahinter, da sind auch Gefühle und Erinnerungen im Spiel. Aber auch die Ost-Familie verbindet eine Geschichte mit diesem Haus und dem dazugehörigen Lokal, das Thomas Stille 1973 gepachtet und nach dem Mauerfall ordnungsmäßig gekauft hat. Der Fernsehfilm „Stilles Tal“ bringt dem Zuschauer beide Perspektiven nahe. Doch die Geschichte dieses Ossi-Wessi-Streits wird ohnehin relativiert durch die Allmacht der Naturgewalten, denen sich der Mensch fügen muss. Katastrophen, Krankheit und Krieg schweißen die Menschen zusammen – diese historische Wahrheit bekommt im Rahmen der simplen Handlung allerdings etwas von einer Binsenweisheit. So wie Vieles in diesem Film mit bemühten Metaphern bedeutungsvoll im Fernster der deutschen Geschichte ausgestellt wird. Da sitzen die beiden Sturköpfe, plötzlich altersmilde, auf den Überresten „ihres“ Hauses, der Sachse und der Wahlhesse. Eigentlich ein starkes Bild, die Kontrahenten gemeinsam wie auf einer Insel, eine Schicksalsgemeinschaft.

Stilles TalFoto: MDR / Conny Klein
Optisch bizarr. Ganz oben: Teile des Hauses sind weggebrochen. Unten: Wo ist das Haus? Wolfgang Stumph und Robert Atzorn

Doch den Autoren reichen solche Metaphern nicht: „Glauben Sie an Gott? … Eine gewisse Ironie hat das Ganze ja schon“, heißt es da. Nach der schwer erträglichen Exposition und einem abwechslungsreichen Mittelteil muss man sich nach 75 Minuten als Lebensphilosophie verkleidete Gemeinplätze („Der Mensch ist ein Egoist“) anhören. Immer wieder heben die Figuren zu grundsätzlichen Statements an – über das Leben im Allgemeinen und die deutsch-deutsche Geschichte im Besonderen. Halb bewusstlos wird der herzkranke Huberty aus dem Wasser gezogen und ins Haus getragen – und 10 Sekunden später weiß er schon den Einigungsvertrag („Rückgabe vor Entschädigung“) zu zitieren. Am Ende dann wird ein Leben genommen und ein neues Leben gegeben. So kann man erzählen. So hat man Jahrzehnte erzählt. Man kann es auch anders machen! Der deutsch-deutsche Stoff, die dramatische Grundkonstellation und die Elbfluten hätten ein einfallsreicheres Drehbuch verdient gehabt!

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Fernsehfilm

Arte, MDR

Mit Wolfgang Stumph, Robert Atzorn, Ulrike Krumbiegel, Victoria Trauttmansdorff, Sarah Alles, Tom Wlaschiha

Kamera: Stefan Spreer

Szenenbild: Marcus Berndt

Schnitt: Raimund Vienken

Produktionsfirma: Ufa Fernsehproduktion

Drehbuch: Michael Illner, Alfred Roesler-Kleint

Regie: Marcus O. Rosenmüller

Quote: ARD: 6,66 Mio. Zuschauer (22,4% MA); Wh. (2019): 2,39 Mio. (9,9% MA)

EA: 27.05.2011 20:15 Uhr | Arte

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