Steirerblut

Miriam Stein & Hary Prinz in Murnbergers Provinzkrimi. Korruption, Doppelmoral, Schuld

04.02.2025 22:00 BR
Foto: ORF / Petro Domenigg
Foto Volker Bergmeister

Eine eingeschworene Dorfgemeinschaft, ein Bürgermeister, den keiner mag, eine ermordete Journalistin, ein Ermittler-Duo aus der Stadt, das so recht nicht zusammen passen will, und eine belastete Familiensituation – der österreichische Landkrimi „Steirerblut“ hat wahrlich viel zu bieten, ist spannend und unterhaltsam, aber auch ein wenig konventionell. Wolfgang Murnberger hat dieses Sittenbild der Provinz in Szene gesetzt, die Besetzung mit Miriam Stein, Hary Prinz, August Schmölzer und Robert Stadtober ist stimmig, die Charaktere sind kantig, der Humor ist gelegentlich schwarz. Ein atmosphärischer und rustikaler Krimi.

Die Landidylle trügt. Bei einer Treibjagd im Obersteirischen stößt man im Wald auf ein Auto mit einer weiblichen Leiche. Das LKA wird verständigt. Ermittler Sascha Bergmann (Hary Prinz) nimmt seine junge Kollegin Sandra Mohr (Miriam Stein) mit, denn die kommt aus dem Dorf St. Anna, hat also bei den Untersuchungen „Heimvorteil“, wie Bergmann es nennt. Schnell wird klar, dass es sich um Mord handelt, das Opfer, eine Journalistin, war an einer Enthüllungsstory über Amtsmissbrauch und Vetternwirtschaft dran. So gerät der selbstherrliche Bürgermeister Leitgeb (August Schmölzer) unter Verdacht. Der steht kurz vor der Wiederwahl, ist umstritten und will jeden Skandal vermeiden. Hilfe bekommt Leitgeb von seinem Neffen, Postenkommandant Max (Thomas Stipsits). Der lässt sogar Beweismittel verschwinden. Der erhoffte Heimvorteil erweist sich für Sandra bald schon als Last: Die Ermittlungen sind für sie auch eine Reise in die Vergangenheit: die schwierige Beziehung zur eigenen Mutter (Aglaia Szyszkowitz) und zu ihrem gewalttätigen Halbbruder Mike (Robert Stadlober), den sie vor Jahren durch eine Anzeige ins Gefängnis brachte, das Trauma ihrer Freundin Franzi (Magdalena Kronschläger), die einst vom Vater missbraucht wurde. Als dann der Verdacht auch noch auf Mike fällt, wird die Situation für Sandra immer schwieriger.

2012 in der Steiermark gedreht, 2014 im ORF ausgestrahlt, findet der Alpenkrimi „Steirerblut“ jetzt erst den Weg ins deutsche Fernsehen. In Österreich lief er in der Reihe „Landkrimi“, das Erste platziert ihn an einem Samstagabend. Regional angesiedelt und mit viel Lokalkolorit erzählte Geschichten liegen seit Jahren im Trend. Beinahe jeder Landstrich, ob in Deutschland oder Österreich, hat mittlerweile eigene Ermittler. Beliebt als Schauplatz ist das Dorf. Das ländliche Setting hat eigene Motive, hier gelten unausgesprochene Gesetze, die nur begreift, wer hier lebt. Und das Dorf hat landläufig das Image der heilen Welt. Und die gerät ins Wanken, wenn hier das Verbrechen Einzug hält. So auch in diesem steirischen Dorf. Claudia Rossbachers Alpenkrimis – “Steirerblut“ war ihr Debüt – sind solide Kost für Genrefreunde. Drehbuchschreiberin Susanne Freund („Clara Immerwahr“, „Alpenklinik“) hat die Vorlage gemeinsam mit Regisseur Wolfgang Murnberger bearbeitet und verdichtet. Die Geschichte ist als klassischer Krimi aufgebaut. Eine Leiche, eine Handvoll Mordmotive, mal steht der eine, mal der andere Verdächtige im Fokus, dann eine überraschende Schlusswendung und ein Täter, den die meisten sicher nicht auf der Rechnung hatten. Das ist eher konventionell.

SteirerblutFoto: ORF / Petro Domenigg
Sandra Mohr (Miriam Stein) will sich endlich dem Konflikt mit ihrem Stiefbruder Mike (Robert Stadlober) stellen. Dass er zu den Tatverdächtigen gehört, macht es nicht einfacher.

Die Story bekommt ihren besonderen Reiz durch die Figuren und deren Beziehungen untereinander. Da sind die beiden Ermittler: Sascha Bergmann, ein Zyniker, ein Macho, ein Kettenraucher, der mit seinen Sticheleien und Anzüglichkeiten seine Kollegin gerne provoziert, der aber auch einen herrlich bösen Humor hat und sich in schwierigen Situationen als menschlich zeigt. Und sie, Sandra, die idealistische Gerechtigkeitsfanatikerin, sportlich, Vegetarierin, die einst das Dorf verlassen hatte und dort als „verlorene Tochter“ gilt. Die Frotzeleien zwischen den beiden beginnen früh: „Kein Dirndl für die Landpartie?“ fragt Bergmann, als er die Mohr abholt: „Ist in der Reinigung“, kontert sie. Das zieht sich durch den Film: „Sie haben eine spannende Familie, ich freu mich schon, auch noch ihren Vater kennenzulernen“, stichelt er, nach einer Begegnung mit Sandras Mutter und ihrem Halbbruder. Darauf sie: „Der ist schon lange vor mir von hier abgehauen“. Die Dialoge zwischen den Ermittlern sind vortrefflich, Ton und Timing stimmen. Sie schaffen die Verbindung zum Dorf: Er hat – wie der Zuschauer – den Blick von außen, sie durch den „Heimvorteil“ kennt die Abgründe und Verstrickungen in dieser kleinen Welt voll kantiger und kauziger Charaktere. Da ist der korrupte, herrische Bürgermeister, dem man den Mord zutraut, bei dem man aber das Gefühl hat, der ist so negativ gezeichnet, dass er es nicht sein kann. Da ist Max, der Posten-Kommandant, früher mal liiert mit Sandra, immer noch scharf auf sie. Er hat sich in der Provinz eingerichtet, mit den Machtverhältnissen arrangiert, sein Onkel, der Bürgermeister, hat ihm zum schmucken Eigenheim verholfen. Eine Hand wäscht nun mal die andere.

Ein prima Ensemble hat Regisseur Wolfgang Murnberger da zur Verfügung: August Schmölzer als Dorfregent, Hary Prinz als Macho-Bulle mit Humor, Menschenkenntnis und starkem Zigarettenkonsum ragen heraus, dazu Miriam Stein („Unsere Mutter, unsere Väter“) als idealistische Jungkommissarin. Murnberger haben beim Drehbuch und der Inszenierung seine Erfahrungen mit den „Brenner“-Krimis (u.a. „Das ewige Leben“ / „Silentium“) geholfen. Und er kennt die Region: Auch „Der Knochenmann“ spielt in der Steiermark. Und dieser Sascha Bergmann ist ein ähnlich reizvoller Charakter wie Brenner einer ist. Das Leben in der steirischen Provinz ist gut getroffen: die Enge, die eingeschworene Dorfgemeinschaft, die allen Fremden gegenüber skeptisch ist, die Kontrolle. Auch der landestypische Schmäh vermittelt sich. Murnberger arbeitet konsequent mit dem steirischen Dialekt; die Dialoge bleiben dennoch weitgehend verständlich für deutsche Ohren. Diese Welt voller Korruption, Doppelmoral & Schuld wird in stimmigen Situationen eingefangen. Wenn beispielsweise die Kommissare aus der Stadt auftauchen und die örtlichen Polizisten auf der Motorhaube des Dienstwagens gerade ein Leberkäsfrühstück machen, lautet die Anweisung des Vorgesetzten: „Geh’, ramt’s den Leberkas weg, die Krimineser kommen.“ (Text-Stand: 19.2.2017)

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Reihe

ORF

Mit Miriam Stein, Hary Prinz, Thomas Stipsits, August Schmölzer, Aglaia Szyszkowitz, Andreas Kiendl, Robert Stadlober, Hans-Michael Rehberg, Julia Cencig, Magdalena Kronschläger, Johannes Silberschneider

Kamera: Peter von Haller

Szenenbild: Maria Gruber

Schnitt: Evi Romen

Musik: Roman Kariolou

Produktionsfirma: Allegro Film

Drehbuch: Susanne Freund, Wolfgang Murnberger – nach dem Roman „Steirerblut“ von Claudia Rossbacher

Regie: Wolfgang Murnberger

Quote: 7,03 Mio. Zuschauer (22,6% MA); Wh (2022): 3,42 Mio. (14,3% MA)

EA: 11.03.2017 20:15 Uhr | ARD

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