Spreewaldkrimi – Tödliche Heimkehr

Christian Redl, Nadja Uhl, Merten, Kirchner, Jan Fehse. Komplexes Krimi-Melodram

Foto: ZDF / Hardy Spitz
Foto Rainer Tittelbach

Zehn Jahre ist es her, dass Tanja Bartko ihrer Heimat den Rücken gekehrt hat, nachdem ihr Vater ihren Mann erschlagen hatte. Jetzt ist auch der tot – und die Mittvierzigerin versucht, Frieden mit diesem verwunschenen Landstrich zu schließen. Die Seelenverwandtschaft zwischen dem Kommissar und der Schönen, die sich bereits in „Der Tote im Spreewald“ (2009) begegneten, scheint im „Spreewaldkrimi – Tödliche Heimkehr“ (Aspekt Telefilm), dem elften Beitrag zur ZDF-Ausnahme-Reihe, noch größer geworden zu sein. Wie gewohnt fließen die Zeitebenen anregend assoziativ und wahrnehmungspsychologisch wirkungsvoll ineinander. Markante Ausschnitte aus der ersten Bartko-Episode sorgen für eine Reihe Aha- und Wow-Effekte – und erinnern daran, wie wegweisend die Reihe nach den Drehbüchern von Thomas Kirchner war und immer noch ist. Trotz der „sprunghaften“ Dramaturgie ist die komplexe Tragödie klar und klug strukturiert. Der Film von Jan Fehse ist etwas heller, wirkt mitunter weniger bedrückend, lotet dennoch die Seelenpein sichtbar und spannend aus.

Die Heimkehr in den Spreewald hat sich die schöne Mutter ganz anders vorgestellt
Zehn Jahre ist es her, dass Tanja Bartko (Nadja Uhl) ihrer Heimat den Rücken gekehrt hat, nachdem ihr Vater ihren Mann erschlagen hatte. Damals wollte sie ihr Erbe für ihren Sohn Daniel (Elias Martini) gewinnbringend anlegen. Darüber lernte sie den Anlageberater Holger Bingel (Matthias Lier) kennen. Eine Rückkehr in den Spreewald war für sie nie ein Thema, auch nicht, als ihr Vater, der unlängst selbst einem Gewaltverbrechen zum Opfer fiel, ihr ein Stück Land vermacht hat. Ihr Sohn aber ist ganz vernarrt in die verwunschene Gegend und auch Bingel, mit dem Tanja mittlerweile liiert ist, erkennt die Möglichkeiten, die diese Wiese des alten Bartko, im Herzen der touristisch attraktiven Gegend, ihr und ihm bieten könnte. Eine Hotelanlage mit Spa-Bereich, nachhaltig und naturbelassen – mit einem solchen Projekt ließe sich vielleicht auch Frieden schließen mit dem Spreewald und den traumatischen Erfahrungen, die die Mittvierzigerin hier machen musste. Doch der Neuanfang verläuft keineswegs so problemlos, wie der neue Lebenspartner ihr weismachen möchte. Ein Investor ist zwar schnell gefunden, aber die aufgeschreckte Gemeinde wehrt sich gegen die Pläne von Bartko & Co. Warum bekommt Bingel die Baugenehmigung und andere nicht? wundert man sich. Als das Projekt trotz Baugenehmigung zu platzen droht, liegt plötzlich Bartkos Anwalt (André Jung) tot im Flies‘. Kurz zuvor ist ein Notruf bei Fichte (Thorsten Merten) eingegangen. Der in einem Boot treibende Mann, der zuvor angeschossen wurde, nennt den Namen „Tanja Bartko“, bevor er kentert und ertrinkt. Und die muss nun in einer ersten Verhandlung alle Zweifel der gestrengen Richterin (Inka Friedrich) gegen sich ausräumen, andernfalls wird Anklage erhoben. Ein alter Bekannter steht ihr wieder hilfreich und konzentriert zur Seite: Kommissar Krüger (Christian Redl), der beim ersten Zusammentreffen fasziniert war von dieser Frau, mit der es das Schicksal alles andere als gut meint.

Spreewaldkrimi – Tödliche HeimkehrFoto: ZDF / Hardy Spitz
Nach dem traumatischen Erlebnis in „Zwischen Tod und Leben“ hat Krüger einen abgeklärten Blick auf die Welt und seine Selbstgewissheit verloren. Christian Redl

Die Prüfungen des Lebens sind an Krüger & Bartko nicht spurlos vorübergegangen
Die Seelenverwandtschaft zwischen dem Kommissar und der Schönen scheint im „Spreewaldkrimi – Tödliche Heimkehr“, dem elften Beitrag zur ZDF-Ausnahme-Reihe, noch größer geworden zu sein. Im zweiten Film, „Der Tote im Spreewald“ (2009), der damals noch als Einzelstück firmierte, mit seinen 5,4 Millionen Zuschauern und dem überragenden Presseecho mehr oder weniger der Grundstein war für die Entscheidung, Krüger und den magischen Wald in Reihe gehen zu lassen, trafen schon einmal zum melancholischen tête-à-tête zusammen. An beiden sind die Prüfungen des Lebens nicht spurlos vorübergegangen. Streifenpolizist Fichte erinnert sich noch an eine junge, temperamentvolle und optimistische Frau, damals, als ihr Mann noch lebte. Die Pläne mit dem Wellness-Resort war ein Zwischenhoch, jetzt sitzt die Frau tief im Schamassel, ihr einziger Anker ist ihr Sohn. Auch der Kommissar hat sich verändert seit dem Anschlag auf ihn in „Zwischen Tod und Leben“, dem zehnten „Spreewaldkrimi“ (2017), in dem ihm Fichte in letzter Sekunde das Leben gerettet hat. „Krüger hat seine Selbstgewissheit verloren“, sagt sein Darsteller Christian Redl. „Er stellt vieles in Frage, was für ihn bisher fraglos richtig war, und er erkennt, dass es eine Gerechtigkeit jenseits des Gesetzes gibt.“ Die alte Wunde ist noch nicht verheilt, und seine Sehnsucht wird in jedem Bild sichtbar. „Wenn Sie mal Hilfe brauchen – ich hab‘ zwei gute linke Hände“, bot er Bartko damals an. Jetzt kann sie ihn beim Wort nehmen.

In den Fluss der Zeiten werden Bilder von „Der Tote im Spreewald“ geschnitten
Wie immer bei dieser Krimidrama-Reihe, die von Thomas Kirchner (zuletzt „Kruso“) konzipiert und ausschließlich geschrieben wird, fließen auch in „Tödliche Heimkehr“ von Jan Fehse („Storno – todsicher versichert“) die Zeitebenen anregend assoziativ und wahrnehmungspsychologisch effektiv ineinander. Da ist die kurzzeitige Rückkehr Bartkos nach dem Tod des Vaters, da sind Situationen mit ihr und Krüger nach ihrem Neuanfang, da ist die prekäre, tränenreiche Situation am Tatort, und da ist die Verhandlung, in der geschickt zunächst an die Vorgeschichte erinnert wird. Besonders reizvoll – nicht nur vom Aspekt der Produktionskosten her – sind die markanten Ausschnitte aus „Der Tote im Spreewald“, die eine Reihe Aha- und Wow-Effekte (Hinnerk Schönemann mit bemerkenswerter Frisur) nach sich ziehen. Da spürt man die sinnliche Anziehungskraft zwischen den beiden, dieses stille poetische Begehren – und man erinnert sich an Momente, die man so im TV-Krimi der 00er Jahre damals nicht kannte. Und so liefert – wenn man so will – dieser Film obendrein auch ein Stück sinnliche Fernsehgeschichtsschreibung. Und diese Wiederaufnahme einer alten Geschichte macht noch mal besonders deutlich, dass Krüger als Filmfigur, weil er wie ein realer Mensch eine Biographie besitzt, ernst genommen wird (was ja immer schon so war).

Spreewaldkrimi – Tödliche HeimkehrFoto: ZDF / Hardy Spitz
Traumatisch aufgeladene Beziehungen, melodramatische Verstrickungen. Therese (Steffi Kühnert) ist die Schwester von Tanjas Ehemann, der vor zehn Jahren von ihrem Vater getötet wurde. Und Daniel (Elias Martini) ist der Sohn des Ermordeten.

Strukturelle Klarheit, komplexe Tragödie, Krimi-Melodram & Fantasy-Momente
In „Tödliche Heimkehr“ wird die Nähe zwischen den beiden sukzessiv aufgebaut. Die ersten Begegnungen sind knapp, werden aber von markanten Sätzen flankiert („Ich habe gehofft, dass Sie kommen werden“), und diese Situationen werden im Verlauf des Geschehens wiederkehren, kurze Sequenzen davon werden wiederholt, dann aber handlungsentscheidend verlängert. Das mag nicht immer so elegant wirken, nicht immer so atmosphärisch dargeboten sein wie in anderen Filmen der Reihe, in denen die Jahreszeiten und Elemente sich thematisch und ästhetisch in den Vordergrund schoben, dafür aber sorgt die Verhandlung als Zentrum für die strukturelle Klarheit, die nötig ist für diese komplexe Tragödie. Aber es ist nicht nur ein privates Drama, auch ein gesellschaftlich brisantes Thema hat Kirchner mit leichter Hand in das schwere Krimi-Melo integriert: Bartko gerät in den Strudel globaler Geschäfte und internationaler Gerichtsbarkeit, die ausländischen Investoren schützt und die Gemeinde zur Kasse bittet. Banker bleibt eben doch Banker, und die öffentliche Wut hat ihre Berechtigung. Und dann geistert noch der legendäre Plon, eine sorbische Sagengestalt durch die Bilder (Kamera: Philipp Kirsamer); es ist ein Glücksdrache, der lange Zeit von Bartkos phantasievollem Sohn gesehen wird – bis er eines Tages verschwindet und die neue kleine „Familie“ daraufhin tragisch abstürzt. Die Animation dieses Wesens übernahmen Charakter-Designer einer VFX-Firma aus Babelsberg und Los Angeles, die ihr Können schon bei „Games of Thrones“ unter Beweis gestellt haben. Dieser Plon fliegt vornehmlich über die (un)glückselige Wiese oder oberhalb der Baumwipfel – wie im Übrigen der gesamte Film von der visuellen Anmutung her weniger bedrückend und düster wirkt als die meisten anderen „Spreewaldkrimis“. Immer wieder schimmert der goldene Herbst durch die Blätter. Die Weite des Grundstücks, auf dem sich die „Bartkos“ ihr kleines Idyll mit Wohnkarren und Tippi errichtet haben, ist öfter zu sehen als das tödliche Fließ. Und immer wieder steigt die Kamera auf, schwenkt über die Landschaft oder verfolgt den Plon. In den letzten 20 Minuten verfinstert sich die Lage, die Tiefe der Tragödie wird deutlich, Fichte hat seinen großen Auf-tritt, Krüger bleibt klasse cool – und spätestens jetzt erkennt man,wenngleich die Auflösung zu erahnen ist.dass auch „Tödliche Heimkehr“ dramaturgisch äußerst klug gebaut ist.

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Reihe

ZDF

Mit Christian Redl, Nadja Uhl, Thorsten Merten, Elias Martini, Matthias Lier, André Jung, Claudia Geisler, Inka Friedrich, Oliver Stokowski, Steffi Kühnert, Natalia Rudziewicz, Samuel Weiss

Kamera: Philipp Kirsamer

Szenenbild: Thilo Mengler

Kostüm: Petra Fichtner

Schnitt: Carolin Biesenbach

Musik: Andrej Melita

Redaktion: Pit Rampelt

Produktionsfirma: Aspekt Telefilm

Produktion: Wolfgang Esser

Drehbuch: Thomas Kirchner

Regie: Jan Fehse

Quote: 5,89 Mio. Zuschauer (18,6% MA)

EA: 26.11.2018 20:15 Uhr | ZDF

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