Sechs Personen treffen sich für einige heitere abendliche Stunden, es wird gegessen und viel getrunken, der Alkohol lockert die Zungen, latente Feindseligkeiten schlagen schließlich in unverhohlene Aggression um: Der Handlungskern von „Spieleabend“ (Netflix) erinnert frappierend an „Pärchenabend“. Das ZDF zeigt dieses Beziehungsdrama zwar erst im September, der Film steht aber bereits in der Mediathek. Beide Produktionen stammen vom gleichen Unternehmen. Es gibt noch weitere Parallelen: Eins der Paare ist frisch verliebt, eine siebte Person bringt zusätzliche Dynamik in die Gruppe. Allerdings gibt es auch wesentliche Unterschiede. Der wichtigste betrifft das Vorzeichen: „Spieleabend“ ist dank des Wortwitzes und einer Vielzahl lustiger Einfälle eine ungemein gut gelaunte Komödie, die den Ensemblemitgliedern offenkundig großen Spaß gemacht hat; das lässt ihre Spielfreude zumindest vermuten.
Zentrale Figuren der Geschichte von Claudius Pläging, als Autor der „Carolin Kebekus Show“ 2021 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, sind Jan und Pia (Dennis Moyen, Janina Uhse). Die beiden haben sich kürzlich kennengelernt, als ihre Hunde recht unverblümt gezeigt haben, dass sie sich gut riechen können. Für Herrchen und Frauchen gilt das nicht minder. Die junge Liebe erlebt ihre erste Belastungsprobe, als Pia ihren neuen Freund zum traditionellen Spieleabend ihrer Clique mitnimmt. Alex (Edin Hasanović), Jans Gefährte seit gemeinsamen Kindheitstagen und Partner im Kreuzberger Fahrradladen, schwant allerdings nichts Gutes, als er erfährt, in welchem Berliner Stadtteil das Treffen stattfinden wird. In Grunewald, warnt er Jan, leben nur Menschen, die „im Monopoly des Lebens“ gewonnen haben. Tatsächlich ist schon allein die Diele der Villa so groß wie Jans gesamte Wohnung. Karo (Anna Maria Mühe) hat als Unternehmerin ein beträchtliches Vermögen gemacht und lässt ihren Mann Oliver (Axel Stein) gern spüren, dass sie ihn für einen Versager hält.
Die Gegen-Meinung:
„Spieleabend“ wirkt stereotyp urdeutsch komisch: im Ergebnis spaßbefreit, bemüht, klischeehaft, das Ätzende durch das Nackige im Vertrauen auf den Humor des „Huch!“-Moments ersetzend … Es kommt zu geringer Gagdichte, Klischee-Präsentation ohne menschliche Abgründe, gefolgt von einem Nackt-Pingpong-Duell der um Pia buhlenden Männer, bei dem Peniswitze des Humors letzten Schluss bilden. Als Komödie ist „Spieleabend“ ein Rohrkrepierer. Der Film wirft sein Potential weg, um den Männlichkeitskonkurrenten ausdauernd zwischen die Beine zu starren. (Heike Hupertz, FAZ)
Auch wenn Jan den ersten Eindruck vergeigt: Alles in allem hätte es trotzdem ein netter Abend werden können, wenn Oliver nicht einen Überraschungsgast eingeladen hätte. Was nun folgt, ist der pure Sadismus eines Autors, der seine Hauptrolle nach Strich und Faden demütigen lässt: Matthias (Stephan Luca) ist ein unsympathischer Angeber und außerdem Pias Ex. Mit tatkräftiger Unterstützung von Oliver zieht der Zahnarzt sämtliche Register, um sie zurückzugewinnen. Dank Olivers passender Stichwörter bei „Trivial Pursuit“ – Jan hat im Gegensatz zu allen anderen nicht mal Abitur und ist daher ohnehin chancenlos – präsentiert Matthias zunächst eine Diashow mit Aufnahmen gemeinsamer Urlaube, Foto vom Heiratsantrag inklusive, dann gibt er Rio Reisers Ballade „Junimond“ zum Besten. Nach einigem Hin und Her mündet der Wettbewerb in ein veritables Duell, aber das nackte Tischtennis-Match der Kontrahenten ist nicht mal der Höhepunkt des Abends; der findet mit Hilfe eines ausgewachsenen Tigers im Zoologischen Garten statt.
Einige Male gerät die Komödie in Sichtweite zur Klamotte, aber dank der Umsetzung durch Marco Petry („Mein Freund, das Ekel“, „Mona & Marie“) wirken die entsprechenden Szenen niemals plump. Die Inszenierung ist sowieso von einer gut gelaunten Leichtigkeit geprägt, zumal die Mitwirkenden mit sympathischer Gutmütigkeit erdulden, was Pläging ihren Figuren zumutet. Die erheiterndsten Auftritte hat Hasanović, als Alex seinem Freund zu Hilfe eilt: Jan hat versehentlich Olivers geliebten Kakadu Helmut Kohl freigelassen, eine kleine Hommage Plägings an den Klassiker „Der bewegte Mann“ (dort entkommt ein Papagei namens Schewardnadsze). Was Alex bei der Jagd auf den Vogel an Missgeschicken widerfährt, ist mit dramaturgischer Raffinesse eingefädelt und ein großer Spaß, wenn auch nicht ganz ungefährlich, denn nebenan lauert ein schießwütiger Nachbar (Bernd Hölscher) auf Wildschweine, die nachts die Gegend unsicher machen.
Besonders viel Freude bereiten die kleinen Geschichten, die Pläging rund um die Nebenfiguren erzählt: Oliver kompensiert seine Minderwertigkeitskomplexe als Elfenkönig in der virtuellen Realität einer Fantasy-Welt. Ebenfalls Teil der Spielerunde sind Sheila (Taneshia Abt), die überzeugt ist, ihre Ex-Partnerin habe bloß eine Beziehungspause eingelegt, was für einen witzigen Running Gag sorgt, sowie Karos schräger, irgendwie aber dennoch liebenswerter Bruder Kurt (Max Bretschneider), der Jan umgehend zu seinem neuen besten Freund erklärt. Das Ensemble harmoniert überdies außerordentlich gut; „Spieleabend“ würde ohne Weiteres auch im Kino funktionieren.
Eine Antwort
Sorry, hat der Kritiker wirklich den Film angeschaut oder nur die Zusammenfassung gelesen? Der Film schleppt sich zäh und langweilig durch banalen, erzwungenen Humor – eine Zumutung für Zuschauerinnen und Zuschauer.