Spieleabend

Mojen, Uhse, Luca, Mühe, Stein, Hasanovic, Marco Petry. Im Monopoly des Lebens

Foto: Netflix / Sasha Ostrov
Foto Tilmann P. Gangloff

Der Netflix-Film „Spieleabend“ (W&B Television) ist eine romantische Komödie aus der Kategorie „Die schlimmsten Stunden meines Lebens“: Jan und Pia (Dennis Mojen, Janina Uhse) sind frisch verliebt. Als sie ihn zum traditionellen Spieletreffen ihrer Clique mitnimmt, will er natürlich einen guten Eindruck machen. Der Abend entwickelt sich jedoch zum Desaster: Pias Ex-Freund (Stephan Luca) zieht alle Register, um Jan zu provozieren und sie zurückzugewinnen. Neben dem Wortwitz erfreut das Buch von Claudius Pläging durch viele heitere Missgeschicke, die vor allem Jans bestem Freund (Edin Hasanović) widerfahren.

Sechs Personen treffen sich für einige heitere abendliche Stunden, es wird gegessen und viel getrunken, der Alkohol lockert die Zungen, latente Feindseligkeiten schlagen schließlich in unverhohlene Aggression um: Der Handlungskern von „Spieleabend“ (Netflix) erinnert frappierend an „Pärchenabend“. Das ZDF zeigt dieses Beziehungsdrama zwar erst im September, der Film steht aber bereits in der Mediathek. Beide Produktionen stammen vom gleichen Unternehmen. Es gibt noch weitere Parallelen: Eins der Paare ist frisch verliebt, eine siebte Person bringt zusätzliche Dynamik in die Gruppe. Allerdings gibt es auch wesentliche Unterschiede. Der wichtigste betrifft das Vorzeichen: „Spieleabend“ ist dank des Wortwitzes und einer Vielzahl lustiger Einfälle eine ungemein gut gelaunte Komödie, die den Ensemblemitgliedern offenkundig großen Spaß gemacht hat; das lässt ihre Spielfreude zumindest vermuten.

SpieleabendFoto: Netflix / Sasha Ostrov
Dieser Abend bringt so manche unerfreuliche Überraschung. Anna Maria Mühe, Janina Uhse & Taneshia Abt in „Spieleabend“

Zentrale Figuren der Geschichte von Claudius Pläging, als Autor der „Carolin Kebekus Show“ 2021 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, sind Jan und Pia (Dennis Moyen, Janina Uhse). Die beiden haben sich kürzlich kennengelernt, als ihre Hunde recht unverblümt gezeigt haben, dass sie sich gut riechen können. Für Herrchen und Frauchen gilt das nicht minder. Die junge Liebe erlebt ihre erste Belastungsprobe, als Pia ihren neuen Freund zum traditionellen Spieleabend ihrer Clique mitnimmt. Alex (Edin Hasanović), Jans Gefährte seit gemeinsamen Kindheitstagen und Partner im Kreuzberger Fahrradladen, schwant allerdings nichts Gutes, als er erfährt, in welchem Berliner Stadtteil das Treffen stattfinden wird. In Grunewald, warnt er Jan, leben nur Menschen, die „im Monopoly des Lebens“ gewonnen haben. Tatsächlich ist schon allein die Diele der Villa so groß wie Jans gesamte Wohnung. Karo (Anna Maria Mühe) hat als Unternehmerin ein beträchtliches Vermögen gemacht und lässt ihren Mann Oliver (Axel Stein) gern spüren, dass sie ihn für einen Versager hält.

Die Gegen-Meinung:
„Spieleabend“ wirkt stereotyp urdeutsch komisch: im Ergebnis spaßbefreit, bemüht, klischeehaft, das Ätzende durch das Nackige im Vertrauen auf den Humor des „Huch!“-Moments ersetzend … Es kommt zu geringer Gagdichte, Klischee-Präsentation ohne menschliche Abgründe, gefolgt von einem Nackt-Pingpong-Duell der um Pia buhlenden Männer, bei dem Peniswitze des Humors letzten Schluss bilden. Als Komödie ist „Spieleabend“ ein Rohrkrepierer. Der Film wirft sein Potential weg, um den Männlichkeitskonkurrenten ausdauernd zwischen die Beine zu starren. (Heike Hupertz, FAZ)

Auch wenn Jan den ersten Eindruck vergeigt: Alles in allem hätte es trotzdem ein netter Abend werden können, wenn Oliver nicht einen Überraschungsgast eingeladen hätte. Was nun folgt, ist der pure Sadismus eines Autors, der seine Hauptrolle nach Strich und Faden demütigen lässt: Matthias (Stephan Luca) ist ein unsympathischer Angeber und außerdem Pias Ex. Mit tatkräftiger Unterstützung von Oliver zieht der Zahnarzt sämtliche Register, um sie zurückzugewinnen. Dank Olivers passender Stichwörter bei „Trivial Pursuit“ – Jan hat im Gegensatz zu allen anderen nicht mal Abitur und ist daher ohnehin chancenlos – präsentiert Matthias zunächst eine Diashow mit Aufnahmen gemeinsamer Urlaube, Foto vom Heiratsantrag inklusive, dann gibt er Rio Reisers Ballade „Junimond“ zum Besten. Nach einigem Hin und Her mündet der Wettbewerb in ein veritables Duell, aber das nackte Tischtennis-Match der Kontrahenten ist nicht mal der Höhepunkt des Abends; der findet mit Hilfe eines ausgewachsenen Tigers im Zoologischen Garten statt.

SpieleabendFoto: Netflix / Sasha Ostrov
Sieben sind beim Pärchenabend einer zu viel. Vor allem Jan (Dennis Moyen) bekommt das zu spüren. Dass Netflix nun eine typisch deutsche Komödie macht, passt zum Trend der Streamer: Wenn diese überhaupt noch deutsche Originale in Auftrag geben, dann sind die Ergebnisse häufig mainstreamiger und spekulativer als die Programme der öffentlich-rechtlichen Sender.

Einige Male gerät die Komödie in Sichtweite zur Klamotte, aber dank der Umsetzung durch Marco Petry („Mein Freund, das Ekel“, „Mona & Marie“) wirken die entsprechenden Szenen niemals plump. Die Inszenierung ist sowieso von einer gut gelaunten Leichtigkeit geprägt, zumal die Mitwirkenden mit sympathischer Gutmütigkeit erdulden, was Pläging ihren Figuren zumutet. Die erheiterndsten Auftritte hat Hasanović, als Alex seinem Freund zu Hilfe eilt: Jan hat versehentlich Olivers geliebten Kakadu Helmut Kohl freigelassen, eine kleine Hommage Plägings an den Klassiker „Der bewegte Mann“ (dort entkommt ein Papagei namens Schewardnadsze). Was Alex bei der Jagd auf den Vogel an Missgeschicken widerfährt, ist mit dramaturgischer Raffinesse eingefädelt und ein großer Spaß, wenn auch nicht ganz ungefährlich, denn nebenan lauert ein schießwütiger Nachbar (Bernd Hölscher) auf Wildschweine, die nachts die Gegend unsicher machen.

Besonders viel Freude bereiten die kleinen Geschichten, die Pläging rund um die Nebenfiguren erzählt: Oliver kompensiert seine Minderwertigkeitskomplexe als Elfenkönig in der virtuellen Realität einer Fantasy-Welt. Ebenfalls Teil der Spielerunde sind Sheila (Taneshia Abt), die überzeugt ist, ihre Ex-Partnerin habe bloß eine Beziehungspause eingelegt, was für einen witzigen Running Gag sorgt, sowie Karos schräger, irgendwie aber dennoch liebenswerter Bruder Kurt (Max Bretschneider), der Jan umgehend zu seinem neuen besten Freund erklärt. Das Ensemble harmoniert überdies außerordentlich gut; „Spieleabend“ würde ohne Weiteres auch im Kino funktionieren.

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Eine Antwort

  1. Sorry, hat der Kritiker wirklich den Film angeschaut oder nur die Zusammenfassung gelesen? Der Film schleppt sich zäh und langweilig durch banalen, erzwungenen Humor – eine Zumutung für Zuschauerinnen und Zuschauer.

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Reihe

Netflix

Mit Dennis Mojen, Janina Uhse, Stephan Luca, Anna Maria Mühe, Axel Stein, Edin Hasanović, Taneshia Abt, Max Bretschneider, Bernd Hölscher, Alfonsina Bencosme

Kamera: Marc Achenbach

Szenenbild: Theresia Anna Ficus

Kostüm: Filiz Ertas

Schnitt: Knut Hake

Musik: Paul Eisenach, Jonas Hofer

Soundtrack: Nina Chuba x Provinz („Ich glaub ich will heut nicht mehr gehen“), Zoe Maxwell („Game Over“)

Produktionsfirma: W&B Television

Produktion: Marcus Welke, Quirin Berg, Max Wiedemann

Drehbuch: Claudius Pläging

Regie: Marco Petry

EA: 12.07.2024 10:00 Uhr | Netflix

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