Spätzünder 2 – Der Himmel soll warten

Liefers, Strauss, Fuchsberger, Hallervorden, Murnberger. Gereatrie-Anarchie?!

Foto: ORF / Domenigg
Foto Rainer Tittelbach

„Die Spätzünder“, der Überraschungsquotenhit 2010, bekommt einen zweiten Aufguss und der ist deutlich schwächer. Die Story braucht lange, um die Wohlfühlebene zu erreichen. Nicht gewitzte Dialoge, nur Alten-, Esoterik- und Hippie-Klischees purzeln. Höchst simpel die Dramaturgie, alles muss mit Hang zum Merksatz („Warum ist alles schlecht, nur weil wir alt sind?“) ausgesprochen werden – viel traut der BR der Zielgruppe nicht zu. Etwas Mut und ein glückliches Händchen bewies man nur bei Sidos Titelsong „Der Himmel soll warten“.

Drei Jahre auf Tour – Roccos „Herzschrittmacher“ laufen ein wenig unrund. Kein Wunder, der jüngste der Band ist 77. Eine Verschnaufpause in der Seniorenresidenz ist dringend angeraten. Doch obwohl Roccos Flamme Marina, hochschwanger und entsprechend auf Harmonie-Trip, die neue Heimleiterin ist, will keine gute Stimmung aufkommen. Degenhard ist das alles viel zu uncool – Malen, Urschreitherapie, gereatrische Bio-Küche und dieses ewige sich liebhaben. Der alte Grantler mag nicht mehr. Auch Neuzugang Dieter ist kaum besser drauf. Doch als der Ex-Gourmetkoch in Althippie Sandra eine neue Liebe entdeckt und seine alte in der Residenz-Küche wiederbelebt, geht es wieder aufwärts – auch mit Degenhard. Es wird wieder Musik gemacht, aber auch sonst haben die Oldies tolle Ideen: weniger Bevormundung, mehr Eigeninitiative; am besten Selbstverwaltung. Doch die alte Heimleiterin Frau Glück, die Karriereleiter hoch gefallen, macht den Rebellen erneut das Leben schwer.

Spätzünder 2 – Der Himmel soll wartenFoto: ORF / Domenigg
Zwei Legenden, Degenhard (Joachim Fuchsberger) und seine Herzdame (Bibiana Zeller). Den Senioren fehlt einfach das „Live“!

„Die Spätzünder“ war 2010 der Überraschungsfernsehfilm schlechthin: mit über acht Millionen Zuschauern ein Riesenerfolg beim Publikum, dazu ein Thema, das Aufbegehren der Alten, verpackt als poppige Chartsstürmer-Komödie, das fortan häufiger in Fernsehfilmen („Lotta und die alten Eisen“) Gehör fand. Der Trendsetter bekommt nun einen zweiten Aufguss und – wie beim Tee – ist dieser deutlich schwächer. Zu Beginn holpert es mächtig. Die Story kommt nicht in Gang, dafür purzeln die Klischees recht uninspiriert und die Dialoge geben vor, trendy zu sein („Alter, Ihr hattet eure Zeit“). Die Stimmung muss erst wieder auf Null gefahren wieder, damit es mit den Senioren wieder bergauf gehen kann. Das ist alles so offensichtlich, dass der Spaß beim Zuschauen deutlich leidet. Sicher ist die arg simple Dramaturgie und der Hang, alles auszusprechen („ein Haufen alter Leute, die keiner mehr sehen will“) und aus Sätzen Merksätze zu machen („Warum ist alles schlecht, nur weil wir alt sind?“), der Zielgruppe geschuldet. Das soll an dieser Stelle prinzipiell nicht kritisiert werden (oft genug wird ja in komplex erzählten Krimis keine Rücksicht auf ältere Zuschauer genommen). Ein weiterer Grund für die eingeschränkte Sehfreude: Nach der Überraschung von „Spätzünder“ ist die Erwartung gestiegen. Der Wunsch, noch mal überraschend beglückt zu werden und sich wohl zu fühlen auch im Setting von „Die Spätzünder 2“, ist deshalb ziemlich aussichtslos, solange den Machern kein neuer Dreh einfällt.

Spätzünder 2 – Der Himmel soll wartenFoto: ORF / Domenigg
Gegen Ende des Films kommen die „Herzschrittmacher“ wieder richtig in Fahrt. Oben: Jan Josef Liefers, Ursula Strauss, Sido, Dieter Hallervorden und Bibiana Zeller. Unten: Lisa Kreuzer, Hans Michael Rehberg und Joachim Fuchsberger in „Spätzünder 2 – Der Himmel kann warten“

Soundtrack: Mamas & Papas („California Dreaming“), Them („It’s all over now, Baby Blue“), Sido („Der Himmel soll warten“)

Und dieser Dreh fehlt. Es ist die typische Mit-Verzweiflung-zum-großen-Auftritt-Story, versehen mit einem komödiantisch aufbereiteten Last-Minute-Rescue, die die tapferen Goldies vom Tiefpunkt des Niedergangs ab zum Happy End führt. The same procedure. Die Alten, die ihre „Residenz“ am liebsten kaufen würden, um ihr eigenes Ding zu machen, besinnen sich auf das, was sie und Rocco am besten können: mit Leidenschaft Musik machen. Wenn sie den Worten („es ist ja wie früher“ / „eine Revolution wie damals“) endlich Taten folgen lassen, kommt „Der Himmel soll warten“ mit seiner zuvor nur behaupteten Gereatrie-Anarchie endlich in Schwung. Jan Josef Liefers darf seinen zerknirschten Blick gegen das Lausbuben-Lächeln eintauschen, Ursula Strauss herzallerliebst strahlen – und Sido sich als Schauspieler versuchen. Dass sein Titelsong erträglicher ist als das abgenudelte „La la la la la Live is Life“, das schon vor 30 Jahren eine Ohrfeige für den guten Geschmack war, ist wenigstens ein Pluspunkt für „Die Spätzünder 2“. Und dass das hiphoppende „Der Himmel soll warten“ auch jüngere Zuschauer locken wird, ist auch nicht verkehrt.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

BR

Mit Jan Josef Liefers, Ursula Strauss, Joachim Fuchsberger, Bibiana Zeller, Hans Michael Rehberg, Dieter Hallervorden, Lisa Kreuzer, Gerhard Liebmann, Gisela Salcher, Petra Morzè, Sido

Kamera: Peter von Haller

Szenenbild: Hans Jager

Schnitt: Benedikt Rubey, Alarich Lenz

Produktionsfirma: Dor Film

Drehbuch: Uli Brée

Regie: Wolfgang Murnberger

Quote: 6,6 Mio. Zuschauer (20,8% MA)

EA: 23.10.2013 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach