Ehemann, Kinder, Landlust und ein Beruf, der Spaß macht – klingt ideal. Doch die dreifache Mutter und leidenschaftliche Köchin Sophie hat sich ihr Leben anders vorgestellt. Mit fast 40 steckt sie in der Sackgasse: mit ihrer kleinen Catering-Agentur termingerecht zu liefern ist stets ein Kraftakt, der ihr die letzte Energie raubt (die fehlt ihr dann für die Beziehungsarbeit). Ihr Mann Hubertus – bereits überfordert mit dem eigenen Job – ist ihr nur selten eine Hilfe. Und schlimmer noch: Er nimmt sie fast schon gar nicht mehr wahr – vom Sex ganz zu schweigen. Es ändert sich auch nicht viel, als er ein Sabbatjahr einlegt. Am liebsten würde sie mal ganz laut schreien, um wieder gesehen zu werden – doch dafür ist keine Zeit. Allerdings hat sie durch die Bekanntschaft mit Popstar Marc bald einen ganz anderen Trumpf im Ärmel: Er wird ihr Fürsprecher – und so bekocht Sophie künftig die Münchener Bussi-Gesellschaft und organisiert kulinarische Events. Sie ist bald in aller Munde. Auch jetzt noch managt der Ex-Bürohengst lieber einen – nett gemeinten – Scheunenausbau zu einer Luxusküche, als seine Frau im Alltag effektiv zu entlasten. So rücken die zwei nicht wirklich näher zusammen; dafür macht Charmebolzen Marc seiner Angebeteten immer eindeutigere Avancen…
Der Plot von „Sophie kocht“ enthält alle Ingredienzien, die das „Frauenfilm“-Subgenre Eine Mutter muss sich in der Ehe behaupten in der Sparte leichte Unterhaltung für gewöhnlich zu bieten hat. Doch bei Ben Verbongs Remake des niederländischen Kinohits „Soof“ macht – wie so oft in den Degeto-Freitagsfilmen der letzten zwei Jahre – der Ton die Musik. So wie die Heldin mit ihrem Popstar nicht alsbald im Bett landet, so lösen sich kurz vor Toreschluss die Konflikte nicht zügig in Wohlgefallen auf, wie es allzu häufig die Reihenfilme des „Herzkinos“ im ZDF vormachen. Diese Geschichte lauscht die Phasen einer Beziehung dem wahren Leben ab und sie nimmt sich Zeit, um nach der außerhäusigen Euphorie in die Momente der Trauer, der Wut, der emotionalen Unsicherheit zu gehen. Der Film, der quirlig beginnt, indem er den Lebensrhythmus der Heldin auf den Erzählrhythmus überträgt und so diese Ehegeschichte komödiantisch wunderbar auspendelt, erfüllt zwar das Genremuster mit Happy End, entscheidender ist aber auch hier die Frage nach dem Wie. Kerstin Oesterlin und Jessica Schellack geben ihren Hauptfiguren viel Zeit – und so müssen sie kämpfen, leiden und sie brauchen Geduld. Umso wirksamer, umso sinnlicher, ja rauschhafter ist dann das befreiende Finale, das ohne jede Spur von Sentimentalität, ja sogar ohne Worte auskommt. Irgendwann heißt es mal ganz richtig, man müsse sich mehr um den anderen bemühen, müsse zeigen, dass man ihn noch wahrnimmt (wozu auch gehört, dass man sich selbst nicht gehen lässt). Keine Frage, das stimmt, und die Autorinnen hätten dem Zuschauer sicher noch andere gute „Ratschläge“ geben können. Dass sie es nicht tun – und sich der Film lieber aufs Zeigen verlässt, als aufs Ausdiskutieren ist die ganz große Stärke von „Sophie kocht“. Da haben die Autorinnen gut eingesät und Ben Verbong, der nicht zuletzt durch seine Kinderfilme wie „Herr Bello“ oder „Sams“ weiß, wie wichtig das Nonverbale für einen Film ist, erntet eindrucksvoll. (Oder haben sie nur genau hingeschaut und -gehört und den niederländischen Kinohit „Soof“ ins Deutsche 1:1 adaptiert?! Der Trailer lässt es vermuten. Dem Zuschauer kann’s egal sein.)
Und so werden sicherlich viele Zuschauer über das Ende des Films hinaus Bilder und Situationen im Kopf behalten. Da ist das Gruppenbild mit Köchin, in dem die Kids in der Küche herumwuseln, der Ehemann dumm herumsteht und Sophie versucht, Herrin der Lage zu sein. Da ist der Running Gag mit der fidelen Maus, die einfach nicht zu fassen ist und irgendwann ob der vielen Leckereien im Haus nicht mal mehr in die Mausefalle passt (und zur Ratte mutiert?). Situationskomisch wird es, wenn Mann und Frau gemeinsam etwas unternehmen wollen: der Auftritt vor und auf dem Roten Teppich einer Filmgala ist köstlich. Da hängt der schwarze Seidenhandschuh am Ohrring fest. „Hubi“ findet’s lustig, Sophie gar nicht. Sekunden später. Umarmung vom Nebenbuhler vor laufenden Kamera. Dann ein Foto zu dritt: Cheese! Sophie souverän, gequältes Lächeln des werten Gatten. Eine köstliche Performance legt Sophie hin, als sie den Popstar in seinem Münchner Domizil besucht und ihn damit zutextet, wie geschmacklos sie seine Wohnung findet. Auch die lukullischen Events sind originell gestaltet; besonders in Erinnerung bleibt das Fest, bei dem die Heldin wie eine wandelnde Büffet-Skulptur aussieht, an der sich die Gäste selbst bedienen können (eine starke Metapher). Auch der Versuch, mit Reizwäsche den lieben Hubertus aus der Reserve zu locken, wird – wie in „Soof“ – komisch aufgelöst. Zwischen all den Bildern gibt es auch verbale Spitzen – keine überpointierten Knallbonbons, sondern feine Schmunzeldialoge, die ihre Wirkung in Kombination mit dem Gezeigten haben. Da sitzen zum Beispiel die naseweisen Zwillinge und fragen ihre Mutter aus, die auf ihrem emotionalen Tiefpunkt angekommen ist. Ben: „Mama, bist du eigentlich sehr alt?“ – Sophie: „Nein, gar nicht, wieso?“ – Ben: „Weil du so viele Falten hast.“ – Max: „Das kommt vom Trinken.“ – Ben: „Nein, vom Rauchen.“
Bei „Sophie kocht“ am nachhaltigsten in Erinnerung bleiben dürften allerdings die beiden Hauptdarsteller. Hans-Jochen Wagner, in vielen seiner Rollen der Inbegriff des deutschen Stoffels, etwas füllig in den Hüften und entsprechend wenig geschmeidig in seinen Bewegungen (umso komischer seine Tanzeinlagen), dafür umso perfekter, wenn es darum geht, dass ihm die Gesichtszüge wegkippen. Keiner im deutschen Fernsehen muffelt „realistischer“. Aber auch im körperlichen Ausagieren des Konflikts ist Wagner in diesem Film eine Wucht. Und auch da ist es wieder dieses Moment der intensiven bildlich-sinnlichen Darstellung. Gefühle tief in einem leichten Genre zu inszenieren, ist eine von Regisseur Verbongs besonderen Qualitäten. Dasselbe gilt für Annette Frier. Ihre Figur muss eine Gratwanderung vollbringen – durch alle möglichen Gefühlslagen und Stimmungen. Himmelhochjauchzend und zutiefst betrübt. Man nimmt ihr den Wandel ab. Und auch optisch (Größe, Frisur, das Kecke, die zahlreichen Blickvarianten) passt die Schauspielerin 1A zur Rolle. Die verschiedenen Emotionen und Stimmungen, die sie zu spielen hat, sind selbstredend angelegt in dem, was der Film erzählt. Auch der wechselt die Tonlagen so gekonnt, dass man es fast gar nicht bemerkt. Die Ehe ist ein plätschernder Bach, der fast zu versiegen droht. Dann brechen Vulkane aus. Der schönste Tobsuchtsanfall kommt von Sophie. Sie kocht und endlich schreit sie auch. Wie eine Furie stürzt sie sich auf die Widersacherin. Das kann ihr „Hubi“ nicht überhören – und es wird ihn auch nicht kalt lassen. (Text-Stand: 25.4.2015)