So schnell du kannst

Nicolette Krebitz, Gregorowicz, Vivian Naefe. Mit der Krankheit wächst die Tiefe

Foto: ZDF
Foto Rainer Tittelbach

Linda ist frech, frivol, witzig, hemmungslos, offen für jede Verrücktheit. Die richtige Frau, zur rechten Zeit für Ben, dem einstigen erfolgreichen Tennisprofi, der heute Nobelkarossen verkaufen muss. Was er nicht weiß, seine Traumfrau ist krank: Sie ist manisch-depressiv. Ohne die Krankengeschichte nur dramaturgisch zu nutzen, erzählt Vivian Naefe in “So schnell du kannst” vor allem eine ganz besondere Liebesgeschichte. Die “bipolare affektive Störung” der Heldin wirkt quasi als Katalysator in die Phänomene der Liebe hinein, in das Spiel aus Nähe & Distanz, aus Angst & Lust. Die psychologische Grundierung stimmt, der ständige Perspektivwechsel ist dramaturgisch clever, und Nicolette Krebitz ist umwerfend!

So was hat Ben noch nie erlebt. Eine Frau, die ihn sofort verzaubert. Linda ist frech, frivol, witzig, hemmungslos, offen für jede Verrücktheit, sie ist frei. Die richtige Frau, zur rechten Zeit. Eine Frau, die das lebt, nach dem er sich so lange sehnt. Sein Leben verlief zuletzt ganz anders. Vom Tennisprofi zum Sportinvaliden, der im Anzug Nobelkarossen verkauft. Vom Familienvater zum Lonely Boy, der mit Ende 20 mit seinen Freunden von alten Zeiten träumt. Linda könnte die Chance für ihn sein. Da gibt es nur einen Haken: Was Ben nicht weiß, Linda ist krank. Sie ist manisch-depressiv. Ohne Hoffnung schleppt sie sich durchs Leben.

Ohne die Krankengeschichte nur dramaturgisch zu nutzen, erzählt Vivian Naefe in “So schnell du kannst” vor allem eine Liebesgeschichte der besonderen Art. Die sogenannte “bipolare affektive Störung” der Heldin wirkt quasi als Katalysator in die Phänomene der Liebe hinein, in das Spiel aus Nähe und Distanz, aus Angst und Lust. “Die Krankheit erlaubt, dass die Liebe sich viel stärker zeigt und ausdrücken kann, als dies in ’normalen’ Beziehungen der Fall ist”, so die ZDF-Redakteurin Anja Helmling-Grob. “Es bieten sich den Figuren alle Freiheiten, die unter ’normalen’ Umständen nicht möglich wären.” Liebe dominiert über soziale Zwänge.

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Diese Frau (Nicolette Krebitz) ist der helle Wahnsinn; aber Ben (Lucas Gregorowicz) kapiert nicht sofort, was es auf sich hat mit Lindas Stimmungsschwankungen. Nach der ZDF-Premiere 2003 wurde „So schnell du kannst“ 2006 noch einmal auf 3sat ausgestrahlt und seither nimmer mehr gesehen. Egal, wie sich die Rechte-Frage darstellt – so mit einem etwas anderen TV-Drama umzugehen, ist verantwortungslos bis fahrlässig – denn dieser Film hat schließlich auch Geld gekostet!

„Ein bewegender Film um eine Liebe mit Hindernissen, wobei die Dramaturgie von den Schüben des Krankheitsverlaufs bestimmt wird und sich ein strapaziöses Hin und Her zwischen Anziehung und Entfremdung entwickelt, das durch humorvoll-pointierte Dialoge und wunderbare szenische Auflösungen strukturiert wird … Krebitz verleiht der emotionalen Achterbahnfahrt eine Glaubwürdigkeit, die frei von jeder affektierten Rührseligkeit ist.“ (Lexikon des internationalen Films)

„Dass es hier nicht ganz einfach ist, sich mit einer der beiden Seiten zu identifizieren, die Loyalitäten ständig wechseln, macht eine Qualität dieser Geschichte aus … Lösungs-Möglichkeiten werden allenfalls angetippt, nie ausformuliert. Die Regisseurin und Ko-Autorin hält sich aber auch mit Schuldzuweisungen an die Gesellschaft zurück.“ (Berliner Zeitung)

Endlich ist Nicolette Krebitz mal wieder in einem Film zu sehen. Nach “Der Tunnel” und den Kinoflopps “Fandango” und “Long Hello & Short Goodbye” hat sich die mittlerweile 32-jährige Berlinerin, die einst mit zwei Grimme-Preisen ihre vielversprechende Karriere startete, vor der Kamera rar gemacht. Dafür allerdings hat sie mit “Jeans” ein zumindest in Fachkreisen viel beachtetes Regie-Debüt vorgelegt. In Vivian Naefes Film knüpft die Schauspielerin, die Mitte der 90er Jahre als neuer Typ Traumfrau mit respektlos-frechem Girlie-Appeal gehandelt wurde, an diese Rolle an. “Man muss dieser Linda verfallen, sie ist wie eine Heldin aus einer Screwball-Comedy, voller Esprit, voller Freude am Leben”, betont Naefe, die zuletzt die schräge Psychiatrie-Rockmusik-Komödie “Verrückt ist auch normal“ gedreht hat. Mit dem Unterschied, dass Katherine Hephurn oder Carole Lombard in ihren Beziehungskomödien nicht in der Psychiatrie landeten. Außerdem ist “So schnell du kannst” keine Komödie. Und doch gibt es immer wieder Momente, in denen man sich als Zuschauer gerne einfangen lässt von der liebenswerten “Verrücktheit” dieser aufregenden Figur.

So schnell du kannstFoto: ZDF
Linda (Nicolette Krebitz) lebt in einer (fremden) Welt, die Ben nicht verstehen kann.

Dass der Film, obwohl er ständig die Erzählperspektive wechselt, nie kippt, liegt gewiss an der guten psychologischen Grundierung beider Hauptfiguren durch Autor Harald Göckeritz, aber auch am starken Auftritt des zweiten Hauptdarstellers, Lucas Gregorowicz. Für ihn war es keineswegs leicht, gegen die himmelhochjauchzend und depressiv betrübt auftrumpfende Krebitz anzuspielen. Er versucht es auch gar nicht erst. Leise gibt er seinen Ben, einen Mann, der sich mit Ende 20 noch nie über sein Leben Gedanken gemacht hat – und den die Herausforderung Linda deshalb doppelt heftig trifft. (Text-Stand: 25.8.2003)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Nicolette Krebitz, Lucas Gregorowicz, Meriam Abbas, Steffen Groth, Despina Pajanou, Arnd Klawitter

Kamera: Peter Döttling

Szenenbild: Egon Strasser

Kostüm: Gabriela Reumer

Schnitt: Sandy Saffeels

Musik: Dieter Schleip

Produktionsfirma: MTM Medien & Television

Drehbuch: Harald Göckeritz, Vivian Naefe

Regie: Vivian Naefe

Quote: 2,22 Mio. Zuschauer (8,3% MA)

EA: 25.08.2003 20:15 Uhr | ZDF

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