Der kleine Hof steht kurz vor der Pleite. Ein Lieferauftrag für Erdbeeren soll dem Bauern vorübergehend die Existenz sichern. Doch der ist nach einem Herzinfarkt plötzlich wochenlang außer Gefecht gesetzt. Jetzt muss seine 19-jährige Tochter Nike ran. Obwohl sie eine Ausbildung im Ausländeramt macht, stürzt sie sich in die Arbeit am Hof. Sie pflückt Erdbeeren, fährt Traktor, füttert Schweine – alles eine Selbstverständlichkeit. Nur die Sache mit den illegalen Saisonarbeitern, die ihr Vater angeheuert hat, bereitet ihr Bauchschmerzen und bringt sie immer wieder in arge Gewissenskonflikte. Immerhin ist einer ihrer Bekannten bei der Polizei und Razzien sind an der Tagesordnung in der niedersächsischen Pampa.
„Ich wollte wissen, wie in den Ausländerbehörden mit diesen Leuten und über sie geredet wird“, betont die Regisseurin Kerstin Ahlrichs. Deshalb legte sie größten Wert auf die Recherche. Der Aufwand, die Gespräche mit Beamten und Betroffenen haben sich gelohnt. „Sieh zu, dass du Land gewinnst“ ist ein sensibler, realistischer Film, der seine Wahrheit aus dem Alltag und den kleinen, beiläufigen Situationen zieht und deren ungekünstelten Dialoge allen Beteiligten wie von selbst über die Lippen gehen. Zwischen Disco-Nächten und Behördenalltag geht der Heldin so langsam ein Licht auf. Erstmals real konfrontiert mit der Notlage illegaler Einwanderer und den eigenen wirtschaftlichen Problemen lernt jene Nike Verantwortung und sie lernt, für was es sich zu leben lohnt. Das ist mehr, als nur Spaß zu haben und hübsch auszusehen. Je mehr sich Nike mit der rebellischen Bosnierin Milena anfreundet, umso mehr steht ihre oberflächliche Freundin Suse im Abseits.
Foto: ZDF / Dirk Plamböck
In ihrem Debütfilm, der bereits auf einigen Filmfestivals sehr positiv auffiel, erzählt Kerstin Ahlrichs nach dem Drehbuch von Petra Lüschow von Freundschaft und Erwachsenwerden. Vielleicht ist thematisch etwas zu viel in die kleine Geschichte hineingepackt worden, aber die leise Machart lässt den Betrachter nur selten über die problembelastete Gemengelage stolpern. In der Erinnerung dagegen werden Bilder bleiben: Girlie Nike, wie sie mit ihrem Traktor durch die karge Landschaft tuckert; die Dorfjugend, wie sie mit Komasaufen die Zeit totschlägt; die zarten Annäherungsversuche Nikes zwischen Schweinetrögen, Matsch und Erdbeerbeeten.
Kamera, Drehbuch, Regie, Musik, Schnitt, Produktion, Cast – „Sieh zu, dass du Land gewinnst“ ist ein Film, in dem Frauen vor und hinter der Kamera das Sagen haben. Für den Zuschauer ist besonders augenfällig, dass die drei Hauptdarstellerinnen eindrucksvolle Leistungen abliefern. Grimme-Preisträgerin Susanne Bormann („Nachtgestalten“) gibt grandios gut die Provinz-Zicke, Lea Mornar, die durch Detlev Bucks „Liebe Deine Nächste“ bekannt wurde, spielt ihre bärbeißige Milena physisch stark – in jeder Bewegung ein Stück Verzweiflung. Die Krone setzt allem aber Anna Maria Mühe („Was nützt die Liebe in Gedanken“) auf, die in jeder Geste, jedem Gesichtsausdruck die Zerrissenheit ihrer Figur spürbar macht und dabei angenehm verhalten bleibt. (Text-Stand: 1.6.2007)