„Erscht amol a Wurscht“. Kluftinger beschwört seine geliebten Gewohnheiten, ein letztes Mal, denn bald ist alles anders als bisher. Da bringt der Sohn eine Japanerin ins Haus, was das Allgäuer Urviech in der Verlegenheit bringt, Weltoffenheit vorgaukeln zu müssen. Da sitzt eine Frau auf seinem Platz, frech feixend, Zigarillos paffend und mit einem Blick, der ihm Angst macht. Und dann flüstert ihm auch noch ein Schamane seltsame Dinge ein… So kommt es, dass Kluftinger bald nicht mehr der Alte ist. Dabei braucht er gerade für den neuen Fall seine ganze Beharrlichkeit – für diesen toten Taucher, der gar nicht tot ist und auch nicht der, für den man ihn hält. Der Kommissar selbst hat ihn beim Sonntagsauflug mit der Familie entdeckt, am geheimnisumwitterten Alatsee mit seinen purpurnen Mikroorganismen. Diesen Bakterienstämmen geht derzeit ein Forschungsteam auf den Grund, in das sich der vermeintlich tote Taucher unter falschem Namen eingeschmuggelt hat. Kluftinger, der unfreiwillig ein Bad im See genommen hat, streckt bald die Waffen. Husten kommt, die Stimme geht, er fällt ins Fieber. Der See hat sein Chi verändert. Doch bald sieht er wieder klar. Dieser See muss noch etwas anderes enthalten als eine biochemische Formel.
Foto: Degeto / Hagen Keller
Auch der dritte Kluftingerkrimi „Seegrund“ ist ein Riesenspaß, eine schräge Mixtur aus Provinzkrimi mit mythologischer Färbung und Charakterkomödie mit absurder Note. Die Pointendichte und das spielerische Moment haben nach dem etwas geradliniger erzählten „Milchgeld“ wieder etwas mehr in Richtung „Erntedank“ angezogen. Die Mixtur aus landschaftlicher Mystik und launigem Ermittlerkrimi funktioniert sogar noch besser als beim Auftaktfilm. Motive und Metaphern werden gebündelt zu einer im wahrsten Sinne des Wortes wasserdichten Geschichte. Der See hat es in sich. Kluftinger taucht in ihn ein und schluckt dessen Wasser. Ein heißes Bad kann ihm da auch nicht mehr helfen. Und was die Kollegen alle haben mit ihrem Wasser, denkt Kluftinger. Der Richard Maier trinkt es literweise – und wer so viel Wasser trinkt, der muss auch reichlich Wasser lassen. So ein G’schiss mit dieser wässerigen „Gottesgabe“: Bier, eine Halbe – das ist Kluftingers Wasser! Auch für den emotionalen Tatbestand, dass die sonst so sorgsam geordnete Welt des Trachten-Liebhabers, der sein Leben bequem auf der Kriechspur eingerichtet hat, ins Wanken gerät, finden Autor Alex Buresch und Regisseur Rainer Kaufmann wunderbare Äquivalente. Das Kommissariat ist im Umbau begriffen, ein einziges Provisorium, überall Holzlatten, Zellophan, offene Wände. Ein Witz ist der Verhörraum: eine Käfig, notdürftig aus Spanholzplatten gezimmert.
„Wenn man immer nur das macht, was man immer macht, dann bekommt man am Ende auch nur das, was man immer kriegt.“ Diesen Satz nimmt sich Kluftinger am Ende sogar zu Herzen. Hoffentlich nicht allzu sehr, kann man als Zuschauer sich nur wünschen. Aber selbst als aufgeklärter Zeitgenosse dürfte dieser Hinterweltler mit dem großen Appetit und der stoischen Heimatverbundenheit noch genügend Witzpotenzial besitzen. Die Figur, die er im Sushi-Restaurant macht, lässt hoffen für die Zukunft. Eine Figur, dessen Ausführungen die eigene Ehefrau damit quittiert, er kriege jetzt seine „Kässpatzen“, weil er dann wenigstens den Mund halte, in einer solchen Figur dürfte noch genug Potenzial stecken für die derzeit komischste Krimikomödienreihe. Das Zitat aus dem Film vom Immer-nur-dasselbe-Machen trifft natürlich auch das Kernproblem des deutschen Fernsehens, respektive des Krimifernsehens. „Seegrund“ ist eine etwas andere Kriminalkomödie. Poetischer, magischer, witziger als „Wilsberg“ oder als „Tatort“ Münster, direkter und deftiger in seiner Humorlage als Färberböcks „Niederbayernkrimis“. Die Geschichte öffnet am Ende die Büchse der Pandora nicht. Der Fall ist geklärt, das Geheimnis bleibt. Ein Sinnbild: Was interessiert schon der Inhalt, das wusste schon Hitchcock und erfand den Begriff „McGuffin“, ein Geheimnis, eine Fährte, ein Objekt, an dem sich die Gemüter erhitzen. Was allein zählt sind: die Lust am komischen Intermezzo, die Lust am spannungsreichen Wechselspiel zwischen Komik, Krimi und Charakterfach, die Lust an der Überraschung in vorgegebenen Bahnen. Kurz: Was zählt, ist der Unterhaltungswert. Und der ist riesig. Größer als bei den meisten Krimidramen. Wann lacht man schon mal lauthals vorm Fernseher? (Text-Stand: 27.10.2013)