Schwarzach 23 und der Schädel des Saatans

Brückner, von Thun, Morreis, Horwitz, Jeltsch, Tiefenbacher. Einfach weggeschreddert

Foto: ZDF / Barbara Bauriedl
Foto Rainer Tittelbach

Mit schräger Wucht und Genre-ironischen Zwischentönen fiel die Krimi-Reihe „Schwarzach 23“ mit bisher zwei Episoden aus dem Gebrauchskrimi-Kanon des ZDF. Auch „Schwarzach 23 und der Schädel des Saatans“ (TV60 Filmproduktion) wartet mit einem außergewöhnlichen Mords-Szenario auf: Ein Menschenkopf wurde auf eine Vogelscheuche aufgespießt. Allerdings taucht das Schwarzhumorig-Makabre, das ein wenig Coen-Brothers-Like, das sich genauso wie die kriminalistisch-komödiantische Doppelstruktur à la Hitchcock systemisch durch die beiden ersten Filme zog, nun nur noch punktuell auf. Auch in punkto dramaturgische Dichte, Eigen-Sinn der Episodenfiguren und Extravaganz der Handlung gibt es Abstriche. Es sieht so aus, als habe der Sender hier mal wieder auf seine Art „nachgebessert“! Trotzdem ist auch dieser Film ein ZDF-Krimi-Highlight. Was sagt uns das über die Krimikultur im Zweiten?

Ein Sohn, der seinen Vater Saatan nennt, ein anderer Sohn, der seinen Vater anzeigt
Weil der Maisbauer Herbert Zidinger (Andreas Giebel) den Genmais nach Oberbayern brachte, war er der Platzhirsch unter den hiesigen Landwirten; regelrecht auf dem Kriegspfad mit ihm befand sich hingegen sein Sohn Alois (David Zimmerschied), ein Öko-Bauer, dessen Existenz vom eigenen Vater mit seinen pestizidverseuchten Nachbargrundstücken zerstört wurde. Ein Motiv also hat der Sohn, sogar eine Morddrohung gegen den Senior gibt es auf Video, dafür fehlt dem verschuldeten Bio-Bauern ein Alibi für die Mordnacht, in der sein alter Herr offensichtlich mit ihm reden wollte. Nicht gerade unverdächtig benehmen sich auch die anderen des Zidinger-Clans: seine Noch-Ehefrau (Marion Mitterhammer), deren Halbschwester und Zidingers neue Lebenspartnerin (Franziska Schlattner), aber auch ein polnischer Saisonarbeiter (Florian Karlheim) kommt den ermittelnden Germingers, der toughen Anna (Marlene Morreis) und ihrem dauergenervten Bruder Franz (Maximilian Brückner), irgendwie seltsam vor. In Sachen Penetranz schießt allerdings Joon de Ville (Dominique Horwitz), Handlungsreisender in Sachen Agrarchemie und Saatgut, den Vogel ab. Der Freund der Zidingers ist auch ein alter Freund der Familie Germinger. Während Franz sen. (Friedrich von Thun) und sein Kumpel Karl Obermaier (Jockel Tschiersch) vor über 30 Jahren jenen „Zappler“ mit allen – auch illegalen Mitteln – einzubuchten versuchten, hatten Joon und Erika Germinger (Gundi Ellert) mehr als nur ein Auge aufeinander geworfen. Ausgerechnet jetzt knüpfen die beiden an die alte Liebschaft wieder an. Und weil sich der alte Franz mal wieder einmischt, droht ihm der Junior mit einer Anzeige wegen Amtsanmaßung.

Schwarzach 23 und der Schädel des SaatansFoto: ZDF / Barbara Bauriedl
„Schwarzach 23 und der Schädel des Saatans“: Verglichen mit den konventionellen ZDF-Gebrauchs-Krimis ein Whodunit-Schmankerl der besonderen Art; verglichen mit der Hausnummer, die die ersten beiden „Schwarzach“-Episoden hinterließen, fehlt es diesem Krimi allerdings an Dichte, Raffinesse & filmischer Extravaganz. Das Schräge der Handlung und den Eigensinn der Charaktere muss Dominique Horwitz allein stemmen.

Launiger Whodunit, ein aufgespießter Schädel & eine noch leicht schräge Tonlage
Mit schräger Wucht und Genre-ironischen Zwischentönen fiel die Familienkrimi-Reihe „Schwarzach 23“ mit bisher zwei Episoden aus dem Gebrauchskrimi-Kanon des ZDF. Am Rande der Weltstadt mit Herz ermittelten die Germingers, die einen mit, die anderen ohne Lizenz, in extrem bizarren Mordfällen. Auch „Schwarzach 23 und der Schädel des Saatans“ wartet mit einem außergewöhnlichen Mordsszenario auf: Der Kopf des toten Maisbauern prangt auf einer Vogelscheuche. Skurriler noch sind die Umstände, die zu dem Leichenfund führen. Nach einer wilden Verfolgungsjagd mitten durch ein Getreidefeld stellt Polizistin Anna ihren aktuellen Bettgenossen und seine Fremdvögel-Barbie, in Gottes schöner Natur und gibt einen Warnschuss ab. Dem fällt eine Krähe zum Opfer, der ein Auge aus dem Schnabel kullert; wenig später wird der Blick auf den Besitzer des Auges – dessen aufgespießten Schädel – freigegeben. So rasant & ungewöhnlich der Einstieg auch ist, im Mittelteil des Films dominiert ein Whodunit, launiger zwar als in den Ermittlungsreihenkrimis des Mainzer Senders, aber längst nicht mehr so abgedreht und kultverdächtig wie in der geradezu neurotischen Auftakt-Episode „Schwarzach 23 und die Hand des Todes“. Bereits in „Schwarzach 23 und die Jagd nach dem Mordsfinger“ ruderten Autor Christian Jeltsch und Regisseur Matthias Tiefenbacher deutlich zurück. Auch das Milieu der Geschichten, Familien-Konflikt und Landwirtschaft mit chemischer Keule, wirkt nun noch eine Idee angepasster an den Themen-Mainstream als das facettenreiche Back to the Eighties der letzten Episode. Und was der Wechsel vom Samstag auf den Montag bewirkt, ist noch nicht recht abzusehen.

Ein Prahlhans, der seinen Samen verschleudert, ersetzt das Schwarzhumorige
Überschaubar ist dagegen die Handlung. Platzten die beiden ersten Filme geradezu vor Ideen und wurden in ihnen sehr viel mehr Handlungsstränge parallel erzählt (was den Zuschauer mehr forderte), geben in „Schwarzach 23 und der Schädel des Saatans“ Rätsel vornehmlich die Charaktere auf. Allerdings kommen Marion Mitterhammer, Franziska Schlattner und David Zimmerschied dabei kaum über Klischee-Verdächtige hinaus. Umso dominanter schiebt sich Dominique Horwitz als egomanischer „Manager“, der nichts dem Zufall überlässt und alles für den Mordfall Relevante dokumentiert, ins Zentrum des Films. So bestimmt er fast mehr als das Stammpersonal Stimmung und Tonlage. „Alles mein Samen da“, prahlt er bereits zu Beginn vor Morreis‘ Anna Germinger; da weiß man noch nicht, dass dieser omnipotente Franzose bald auch bei Mutter Erika seinen Samen verstreuen wird. Die Liaison der beiden wirkt ein bisschen bemüht, besonders dadurch, dass sie mit dem Krimi-Plot kurzgeschlossen wird. Sich zwei Familiengeschichten gegenseitig bespiegeln zu lassen, ist zwar dramaturgisch nicht gerade innovativ, doch für Zuschauer, die die Reihe noch nicht kennen, durchaus aufschlussreich. Ohnehin zeigt sich spätestens im Schlussdrittel, wie gut die Geschichte gebaut ist: Alle Handlungsfäden finden zusammen, die innere Tragik wird deutlich, Franz jun. hat wieder visuell reizvoll umgesetzte Visionen, und ganz am Ende bekommt der horizontal erzählte Family-Plot noch eine dramatische Wende, durch die die zerstörte Familienbande (der Sohn ist aus dem Germinger-Haus, Schwarzach 23, ausgezogen und nächtigt auf dem Campingplatz oder im Büro) bald wieder hergestellt werden könnte. Dass das Schwarzhumorig-Makabre, das ein wenig Coen-Brothers-Like, das sich systemisch durch die ersten Krimis der Reihe zog, nun nur noch punktuell & versteckt auftaucht, ist schade.

Schwarzach 23 und der Schädel des SaatansFoto: ZDF / Barbara Bauriedl
Bei allem modernen kriminalistischen Knowhow – die Erfahrung vom alten Germinger (Friedrich von Thun) und Kumpel Karl Obermaier (Jockel Tschiersch) ist durch nichts zu ersetzen.

Wie das ZDF seine Krimi-Reihen auf stromlinienförmig & massentauglich trimmt
Es scheint System zu haben, wie das ZDF seinen Krimi-Reihen das Doppelbödige zunehmend auszutreiben versucht oder das Bewährte ins Langweilige steigert. Eigenwillige Premium-Formate sind ausgelaufen („Bella Block“) oder liegen in den letzten Zügen („Unter Verdacht“). Dauerbrenner wie „Ein starkes Team“ oder „Wilsberg“ sind Zuschauer-Magneten, verwalten aber nur ihren Erfolg, anstatt – wie viele „Tatort“-Ableger – das Format in Maßen innovativ auszureizen. Im Dauerschwächelzustand befinden sich „Helen Dorn“ und „Friesland“, auch „Nord Nord Mord“ wird es mit dem mehr als gewöhnungsbedürftigen Brix (statt Atzorn) schwer haben, den launigen Mix aus Krimi-Routine und amourös-komödiantischen Einlagen beizubehalten. „Marie Brand“ besitzt – nicht zuletzt durch Hinnerk Schönemann – zwar eine eigene Krimi-Farbe, doch kaum ein Film bricht aus dem seriellen Gebrauchskrimi-Modus aus. Typisch, dass man sich beim ZDF für den Fortbestand dieser Reihe entschied, anstatt die Finn-Zehender-Filme fortzusetzen oder auf irgendeine andere unkonventionelle Genre-Kreation von Holger Karsten Schmidt zu bauen (kein Zufall: Seine letzten 20 Drehbücher waren nur für Produktionen von ARD-Sendern). Ausnahme-Reihen wie „Spreewaldkrimi“, „Nachtschicht“ und „Spuren des Bösen“ sind mit höchstens einem Film pro Jahr nicht viel mehr als Alibi-Produktionen. Was an Krimis Nennenswertes bleibt: „München Mord“, diese 2014 gestartete Reihe hat am deutlichsten ihren Eigensinn bewahrt; häufig gut „Unter anderen Umständen“ und „Stralsund“, besonders im Aufwind sind „Kommissarin Heller“ und „Neben der Spur“.

„Schwarzach 23“ gehört ebenso nach wie vor zu den Ausreißern von der ZDF-Norm.
Diese hinterfotzige Mischung aus Generationskonflikten & Geschlechterspezifik, aus Alptraumhaftem & Sozialkritik, aus Witz, Ironie und gelegentlich deftiger Mundart gibt es leider – in Reihe – nicht oft im deutschen Fernsehen. Bleibt zu hoffen, dass das Hitchcock-like Wechselspiel von Krimi und Komödie (mehr als ein „Der-unsichtbare-Dritte“-Zitat darf es künftig ruhig wieder sein) und die privaten amourösen Nebenplots von Franz jun. im vierten Film wieder die alte Dichte, Charakterstärke & Extravaganz mit dem enorm hohen Lust-Faktor erreicht und dass sich das ZDF die Saatan-Story nicht zum Vorbild nehmen mag – von wegen: Was die Einschaltquote stört wird weggeschreddert… (Text-Stand: 5.4.2018)

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Reihe

ZDF

Mit Maximilian Brückner, Friedrich von Thun, Marlene Morreis, Dominique Horwitz, Gundi Ellert, Jockel Tschiersch, Marion Mitterhammer, David Zimmerschied, Florian Karlheim, Franziska Schlattner, Andreas Giebel, Stefan Merki

Kamera: Hanno Lentz

Szenenbild: Maximilian Lange

Schnitt: Horst Reiter

Musik: Biber Gullatz, Andreas Schäfer

Redaktion: Petra Tilger

Produktionsfirma: TV60 Filmproduktion

Produktion: Andreas Schneppe, Sven Burgemeister

Drehbuch: Christian Jeltsch

Regie: Matthias Tiefenbacher

Quote: 4,61 Mio. Zuschauer (17,1% MA)

EA: 30.04.2018 20:15 Uhr | ZDF

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