Vielleicht ist keines von Grimms Märchen so schwer zu verfilmen wie „Schneewittchen“: weil man unwillkürlich den Disney-Klassiker vor Augen hat; das Werk war 1937 Walt Disneys erster abendfüllender Zeichentrickfilm und bildete zeichnerisch und dramaturgisch die Grundlage eines Lebenswerks. Naturgemäß kann es das Personal der Neuverfilmung kaum mit den überhöhten Animationsfiguren aufnehmen, selbst wenn Sonja Kirchberger die von Hass und Neid zerfressene Stiefmutter angemessen verabscheuungswürdig verkörpert. Dass sie außerdem auch das Gesicht im Zauberspiegel spielt, sorgt für einen wirkungsvollen Effekt. Schwerer hat es da schon die junge Laura Berlin in ihrer ersten Hauptrolle. Entscheidenderes Manko des Films sind allerdings die sieben Zwerge, die schon bei Disney die heimlichen Stars waren. Da der Zielgruppe der Märchenfilme die beiden Filme von Otto Waalkes („7 Zwerge – Männer allein im Wald“, „7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug“) bekannt sein dürften, könnten die kleinen Helden für eine Enttäuschung sorgen: Lustig jedenfalls sind sie nicht.
Höchst Gelungen ist hingegen der Einfall von Autor Andreas Knaup, den Hofnarren als Identifikationsfigur anzubieten. Jörg Schüttauf spielt ihn als weisen Kasper, der als einziger auch unbequeme Wahrheiten aussprechen darf; wenn er bei der Ankunft der neuen Königin den Kopf schief legt, wissen die jungen Zuschauer gleich, was sie von der Dame zu halten haben. Ansonsten ist „Schneewittchen“ eine äußerst werkgetreue Verfilmung, namhaft besetzt (Jaecki Schwarz als König und Martin Brambach als Jäger) und von Thomas Freundner angemessen zurückhaltend inszeniert. Gemeinsam mit Kameramann Patrick Popow verstößt er allerdings nach Herzenslust gegen das ungeschriebene Bildgestaltungsgesetz, nach dem es Beleuchtung nur dort geben darf, wo auch entsprechende Lichtquellen sind: Der nächtliche Wald ist derart festlich illuminiert, dass es in der Tat eine Art hat. (Text-Stand: 2009)