Ihre Begegnung war ein Urknall; jetzt sind Jakob und Didem im deutsch-türkischen Beziehungsalltag angekommen. Dass er, der Sound-Bastler, mit seinem Plattenlabel pleite ist und sie, die selbstständige Modedesignerin, in Windeseile eine Kollektion auf die Beine stellen muss und dazu noch schwanger ist, beflügelt ihre Liebe nicht gerade. Jeder verschweigt dem anderen das Wesentliche. Und so sieht es bald nach Trennung aus. Didem macht sich auf nach Istanbul, wo ihr Baba bereits den richtigen Bräutigam für sie im Auge hat. Als wenig später Jakob völlig verstört am Bosporus eintrifft, verhindert der Schwiegervater in spe ein Zusammentreffen zwischen der deutschen „Kartoffel“ und seiner geliebten „Zitronenblüte“. Wenig später befindet sich Jakob im schlimmsten Alptraum: Pass weg, Koffer weg, Identität weg. Dafür gibt es Knast gratis. Hat Didem, die bereits mit der Bosporus-Schickeria diniert, ihren Jakob schon vergessen? Vielleicht geht ihre Liebe ja mit Musik besser?!
„Können zwei Menschen aus komplett unterschiedlichen Welten glücklich miteinander sein?“, fragen sich im Intro die Helden der Multikulti-Komödie „Schlaflos in Istanbul“, und sie sagen gleich, was Sache ist. Man konnte gespannt sein nach dem bes(ch)wingten, temporeichen Culture-Clash-Vergnügen „Liebeskuss am Bosporus“, einem Film, der die Geschichte der impulsiven Türkin und dem verpeilten Musik-Experten zu einer modernen Screball Comedy modelte. Weil die Chemie zwischen Tim Bergmann und Jasmin Gerat stimmte, die Kritiken vorwiegend gut waren und man vielleicht auch ein Stück weit gesellschaftliche Relevanz in dieser Geschichte von dem türkischen Vulkan und der liebenswerten Schlaftablette sah, entschloss sich das sonst so einschaltquotenhörige ZDF trotz der nur 3,79 Millionen Zuschauer zur Fortsetzung. Der zweite Streich besitzt allerdings nur noch wenig vom Esprit des Türkpop-Knallers von 2011. Romantik ersetzt die spielerischen Momente, der Sound des Balkans wird in seine Schranken verwiesen, dafür wird das typisch deutsche Fernsehspiel-Klaviergeklimper über die stillen Leiden des 35jährigen J. gelegt. Auch die Dialoge kommen statt mit feiner Klinge mit dem türkischen Säbel („Kannst du ’nen Türken türken“).
Dialoge, offenbar am Set, zusammengeschustert:
Didems Freundin: „Ich hole Didem – und zwar persönlich. Und wenn ich sie vom Altar weg entführen muss.“
Didems Onkel: „Altar? So was gibt es bei uns nicht. Aber es gibt den letzten Flieger – und den könntest du erreichen.“
Die Kommunikation bleibt in der 1:1-Abbildungsfalle stecken: Didem: „Alles okay bei dir?“ Jakob: „Ja, alles gut.“ Eine andere Antwort hätte den Film allerdings auch nach 15 Minuten beendet. So kann es denn noch 75 Minuten weitergehen, obwohl sich Didem und Jakob wenig später aus den Augen verlieren und der Film damit freiwillig auf die Interaktion zwischen dem Liebespaar verzichtet. Dramaturgisch muss das sein, bei zwei Helden, die sich lieben und sich viel zu schnell versöhnen würden. Damit geht aber auch ein Großteil des Potenzials dieser Liebeskomödie verloren. Diese unglückliche Grundstruktur der Geschichte ist mit nichts auszugleichen. Wenn schon eine so simple Komödien-Dramaturgie, in der alles nur Vorwand ist, dann erwartet man zumindest einen guten komödiantisch sinnlichen Endzweck. Regisseur Marcus Ulbricht tut, was er kann. Die Locations sind stimmungsvoll, die Bildgestaltung ist sehr atmosphärisch, Szenenbild, Kostüm und Schnitt wirken kongenial zusammen – kurzum: der Look macht Laune, wie am Ende auch die Bollywood-like Tanzeinlage. Doch das Meiste, was vom Drehbuch kommt, bleibt schwach: kurzatmige Gags, langatmige Gefühlsanwandlungen und immer wieder diese Parallelmontagen, die den Sinn (sie ganz oben, er ganz unten) bebildern. Ein Erzählfluss kommt so nicht zustande, auch weil es zwischen Emotion und Witz einfach nicht fließt. (Text-Stand: 16.5.2014)