Schimanski ist erwachsen geworden. Zuletzt in Andreas Kleinerts “Tödliche Liebe” wagte er den Sprung zu einem nachdenklichen Helden, den Götz George souverän und bisweilen komödiantisch ins Charakterfach führte. In “Schimanski muss leiden” fällt er wieder ein wenig zurück in alte Marotten, steht unter Dauerstrom und Christiane Hörbiger hilft ihm in die geliebte Schmuddeljacke. Dass er mit der von ihr gespielten Chaotin Tisch und Bett teilt ist weniger Schimmis früherem Schwerenöter-Image geschuldet, als einer spontanen Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit inmitten eines einzigen Alptraums.
Eigentlich will Schimanski den 80. Geburtstag seines alten Chefs feiern. Doch es kommt mal wieder einiges dazwischen. Eine Kurdin steht vor seinem Hausboot, stumm und zitternd. Schimanski liefert sie bei dem Jungpolizisten Hunger ab, und will weiter nach Hamburg. Doch auf der Autobahn kommen ihm ein junger Wilder und dessen überdrehte Großmutter in die Quere. Jener schießt einen Drogen-Dealer nieder und die reife Dame fährt Schimanski beinahe über den Haufen. Da muss sich der einstige Haudrauf einfach angesprochen fühlen. Gemeinsam mit der großmauligen Großmama (“Ich bin ein Magnet für Idioten”) macht er sich auf, Schlimmeres zu verhindern. In der psychiatrischen Klinik, in der ihr Enkel arbeitet, stößt Schimanski auch wieder auf die verängstigte Kurdin, die erst von den Türken und später, des Verrats verdächtigt, von den eigenen Leuten bestialisch gefoltert wurde. Brenzlig wird es auch für den jungen Loser, der zwischen die türkisch-kurdischen Fronten gerät.
Der Film von Matthias Glasner erzählt einen verrückten Tag aus dem Leben des Horst Schimanski. Der Krimi gerät dabei deutlich ins Hintertreffen. Was ist schon ein Krimi-Toter gegen eine Welt, die völlig aus den Fugen geraten ist!? Der Superheld von einst stößt in diesem Zufalls-Fall sichtlich an seine Grenzen. “Auch ein Schimanski kann nicht eben mal schnell den Konflikt zwischen Türken und Kurden lösen”, betont Glasner. Darin spiegelt sich bei aller filmischer Verspieltheit ein realistisch-ernsthafter Ansatz. “Die letzten Filme sind zu sehr in Richtung der Persiflage gegangen”, so der 35-Jährige. “Ich möchte die Schimanski-Figur lieber ernst nehmen und als einen in die Jahre gekommenen Mann verstehen, der anfängt, vom Chaos der Welt überfordert zu sein.”
Und weil außergewöhnliche Umstände eine außergewöhnliche Anziehungskraft schaffen, landen die Oma und der Hauptkommissar a.D. schließlich im Doppelbett. Christiane Hörbiger, die in ihren Rollen meist etwas Grande-Dame-haftes an den Tag legt, hielt die Sexszene für ziemlich natürlich. “So lange es ästhetisch ist, sollte man es zeigen und nicht durch ein Busserl auf die Nase oder Händchenhalten im Wald ersetzen. Sex ist doch nicht nur auf die Jugend beschränkt.” Glasner inszenierte die Szene ganz natürlich und beiläufig. “Wie alles in diesem Film entsteht die Bett-Szene in einer Mischung aus Zwangsläufigkeit und Chaos.”
Ein zufriedener Götz George ist selten. “Schimanski muss leiden” habe ihm Spaß gemacht. Das sei teilweise Kino im Fernsehen. “Bisschen schwer zu verstehen ist der politische Stoff”, sagt er zwar, “dennoch glaube ich, dass die Geschichte aufgeht.” Das Chaos der Ereignisse spiegelt sich in der außergewöhnlichen Inszenierung. Glasner kommt wie Tom Tykwer oder Mark Schlichter aus der Videoclip-geprägten Generation. Tempo ist alles, weggucken gilt nicht. Auch George imponiert der moderne Erzählrhythmus. “Glasner schüttelt die gewöhnliche Filmsprache schon ganz schön durcheinander.” (Text-Stand: 3.12.2000)