Scheidung für Anfänger

Sawatzki, Berkel, Bohlmann, Thorsten M. Schmidt. Tragikomischer Abgesang einer Ehe

Foto: Degeto / Christoph Assmann
Foto Tilmann P. Gangloff

Drum prüfe, wer sich ewig bindet: Paare in der Krise sollten diesen Film vielleicht besser meiden; oder ihn erst recht anschauen. Dem Ehepaar Andrea Sawatzki und Christian Berkel gelingt das Kunststück, die sehenswerte Trennungskomödie „Scheidung für Anfänger“ (Degeto / ITV) aller Tragik zum Trotz vorwiegend heiter wirken zu lassen. Drehbuchautorin Nina Bohlmann und Regisseur Thorsten M. Schmidt haben eine Mischung gefunden, die dem Thema vollauf gerecht wird: Sawatzki und Berkel verkörpern das scheidungswillige Paar, dessen Auseinandersetzungen schließlich zum Rosenkrieg eskalieren, mit angemessenem Ernst; witzig wird der Film durch die Dialoge, die Nebenfiguren und die Situationskomik. Für den Anspruch der Tragikomödie stehen neben dem interessanten ästhetischen Konzept auch die verwendeten Chansons, die hier weit mehr als bloß Stimmungsverstärker sind.

Der Film beginnt mit einem Absturz: Zwei Menschen purzeln in die Tiefe. Da sie an Gummiseilen hängen, passiert ihnen nichts, doch die Szene ist trotzdem symptomatisch. Die Übung ist Teil einer Paartherapie und soll die Teamfähigkeit stärken, aber Anja und Christoph machen umgehend dort weiter, wo sie vermutlich vor dem Sprung aufgehört haben: Sie streiten sich. Viele Filmminuten und einige Handlungswochen später erreicht das Paar dann einen tatsächlichen Tiefpunkt. Viele andere Filme hätten mit diesem Bild begonnen, um die Vorgeschichte anschließend nachzureichen: Anja und Christoph haben einander einst bedingungslos vertraut, sie haben zwei Kinder miteinander gezeugt und hatten fast ein Vierteljahrhundert lang überwiegend gute Zeiten; aber nun haben sie nicht nur ihre Ehe ruiniert, sondern auch ihr Haus. Im Hintergrund ist die Feuerwehr damit beschäftigt, schlimmere Schäden zu vermeiden, zumindest am Eigenheim; die Ehe ist nicht mehr zu retten.

Das vermutlich berühmteste Paar der Filmgeschichte, Elizabeth Taylor und Richard Burton, hat die Szenen seiner Ehe mehrfach vor der Kamera ausgelebt (allen voran in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, 1966). Auch „Scheidung für Anfänger“ bezieht einen gewissen Reiz aus der Tatsache, dass Andrea Sawatzki und Christian Berkel miteinander verheiratet sind. Der Film profitiert jedoch vor allem von ihrer Eingespieltheit; und von Dialogen, die mitunter schmerzlich nah an der Realität sind. Paare in der Krise werden ihre Beziehung angesichts des Rosenkriegs, den sich Anja und Christoph liefern, womöglich auf der Stelle beenden.

Scheidung für AnfängerFoto: Degeto / Christoph Assmann
Feine Balance zwischen ernsthaft und komödiantisch. Nach 24 Ehejahren ist bei den Bremermanns die Luft raus: Einvernehmlich beschließen Innendesignerin Anja (Andrea Sawatzki) und Bauingenieur Christoph (Christian Berkel), sich in Frieden scheiden zu lassen. Doch es soll anders kommen.

Andererseits hat die Geschichte vielleicht auch den therapeutischen Effekt, es erst gar nicht erst soweit kommen zu lassen. Zu Beginn wollen sich Anja & Christoph noch einvernehmlich trennen, sie suchen sogar gemeinsam eine Anwältin auf, aber die Dame (Doris Schretzmayer) stellt gleich mal klar: Sollte es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommen, kann sie nur eine der Parteien vertreten; und das wäre Anja. Als Christoph einige Berechnungen später klar wird, wie teuer ihn die Scheidung zu stehen kommt, braucht er eigenen Beistand. Mittlerweile ist der Trennungsprozess längst eskaliert, weshalb die Gattin vorsorglich für verbrannte Erde gesorgt hat: Weil sie alle guten Berliner Scheidungsanwälte zwecks eines Erstgesprächs aufgesucht hat, dürfen die Kanzleien Christoph nicht mehr beraten. Am Ende landet er bei einem etwas heruntergekommenen und entsprechend fragwürdig wirkenden Juristen (Pierre Besson), der zwar ebenso mit allen Abwassern gewaschen ist wie Anjas Rechtsbeistand, der die Kontrahentin allerdings auch umgehend und mit Erfolg anflirtet.

Die besten Komödien sind oft verkappte Tragödien; das ist in diesem Fall nicht anders. Klugerweise haben Sawatzki und Berkel darauf verzichtet, die Figuren komisch anzulegen. Die Rahmenbedingungen sind ebenfalls nicht ulkig. Es spricht für die außerordentliche Qualität des Drehbuchs, dass „Scheidung für Anfänger“ trotzdem vorwiegend heiter ist; Autorin Nina Bohlmann hat zuletzt unter anderem die sehenswerte Trennungstrilogie „Eltern allein zu Haus“ (2017) geschrieben. Natürlich entsteht der Heiterkeitseffekt auch durch die Überspitzung vieler Szenen, aber gerade Anjas verletzende Sarkasmen sind im Grunde gar nicht lustig. Gleiches gilt für die Ratschläge ihrer besten Freundin, Jana (Tanja Schleiff), die schonungslos feststellt, dass Frauen nicht attraktiver werden, wenn ihnen der Hass auf ihren zukünftigen Ex-Mann ins Gesicht geschrieben steht. Christoph findet zwar Trost bei einer früheren Liebe (Katharina Müller-Elmau), aber auch Monika kann das Thema Scheidung irgendwann nicht mehr hören. Die Affäre hat außerdem zur Folge, dass er in ein „Boardinghouse“ ausweichen muss, eine Art Hotel für Dauergäste, denn Anja hat einen Detektiv engagiert: Ein Seitensprung Christophs, hat sie erfahren, wäre die beste Voraussetzung, um nicht ausziehen zu müssen, und den Gefallen tut er ihr ja prompt auch.

Scheidung für AnfängerFoto: Degeto / Christoph Assmann
Ganz schlechtes Timing. Ist etwa die Ex-Freundin (Katharina Müller-Elmau) wieder im Spiel? Andrea Sawatzki & Christian Berkel

Schon im Rahmen von „Eltern allein zu Haus“ ist es Bohlmann gelungen, das Drama eines Ehe-Endes als Komödie zu erzählen („Die Winters“). Das funktioniert auch diesmal wieder, weil viele Dialoge erst durch ihre Prägnanz komisch werden. Einige der Fotos, die der Detektiv gemacht hat, zeigen Christoph beim Tennis. Weil er von seinem Chef und Freund (Ludger Pistor) versetzt worden ist, bitten ihn drei Frauen zum Doppel. „Wer ist das denn?“, fragt Anja entgeistert, und Jana, die Christoph schon vorher als „Spitzenprodukt“ eingestuft hatte, stellt trocken fest: „Der Markt.“ Ein weiterer Quell der Heiterkeit ist der Hund des Paars: Die Bulldogge reagiert äußerst sensibel auf die ständigen Streitereien. Ihr scheinbar zerknirschter Blick passt perfekt zu den Gefühlen, die Hundeliebhaber in das Tier projizieren. Zur Belohnung durfte die vorzüglich trainierte Darstellerin Bitch Christophs kleine Rache ausleben und sich über Anjas Handtaschensammlung hermachen. Gleichfalls hübsch umgesetzt ist die Liaison zwischen Anwalt & Anwältin: Tagsüber erzielen die beiden mit allen nur erdenklichen Tricks Vorteile für ihre Mandanten, nachts teilen sie das Bett miteinander.

Neben der munteren Musik (Oli Biehler) sorgen ohnehin vor allem die im Gegensatz zu den beiden zentralen Rollen leicht überzeichneten Nebenfiguren für das komödiantische Vorzeichen, allen voran zwei rheinische Frohnaturen: Mitten in Christophs etwas umständlichen Versuch, die erwachsenen Kinder möglichst schonend über die beschlossene Trennung zu informieren, platzt Tochter Franziska (Amelie Plaas-Link) mit der Nachricht, dass sie heiraten wird; prompt bringen Anja und Christoph es nicht übers Herz, ihre euphorische Stimmung zu dämpfen. Ihre Begeisterung für die Hochzeit hält sich allerdings in Grenzen, was Sawatzki & Berkel mit einer identischen Körpersprache zum Ausdruck bringen. Die Eltern des Bräutigams entpuppen sich als neureiches Paar aus Düsseldorf, das von Katharina Abt und Guntbert Warns als typische Comedy-Charaktere verkörpert wird; das hätte zwar nicht sein müssen, ist aber durchaus amüsant. Ähnlich spaßig inszeniert, dramaturgisch jedoch ungleich folgenreicher ist ein Friseurbesuch Anjas. Als sie Jana auf den neuesten Stand bringt, mischen sich zwei gleichaltrige Kundinnen ins Gespräch ein und geben ungebetene, aber folgenreiche Ratschläge; auf diese Weise kommt überhaupt erst der Detektiv ins Spiel.

Scheidung für AnfängerFoto: Degeto / Christoph Assmann
Und wer nimmt den Hund? Auch Hund Hasso leidet unter der geplanten Scheidung. Andrea Sawatzki und Christian Berkel

Überraschend witzig ist auch der Tiefpunkt mit dem demolierten Eigenheim: Anja hat Christophs Sachen entrümpeln lassen, der ist verständlicherweise sauer, und nun nimmt die Auseinandersetzung des Paars handfeste Züge an. Sie bombardiert ihn mit Tennisbällen aus der Ballmaschine, er wehrt die Geschosse mit einem Skateboard ab; ein Querschläger fliegt durchs Küchenfenster und löst eine Kettenreaktion aus. Das ist natürlich höchst dramatisch, aber Thorsten M. Schmidt inszeniert das Scharmützel als Slapstick. Der Regisseur hat ein paar mittelprächtige Episoden für Krimireihen wie „Ein starkes Team“ und „Mordkommission Istanbul“ gedreht, aber auch einige richtig gute Filme. „Papa und die Braut aus Kuba“ (2016) zum Beispiel, ein Freitagsfilm im „Ersten“, war dem Titel zum Trotz eine feinfühlige, nachdenkliche und einfühlsam gespielte Komödie. Zu Schmidts besten Arbeiten zählen zwei Siegried-Lenz-Verfilmungen: „Arnes Nachlass“ (2013), unsagbar traurig, und „Schweigeminute“ (2016), zutiefst romantisch, aber auch melancholisch. Mit „Scheidung für Anfänger“ hat er eine ähnlich reizvolle Mischung gefunden, diesmal klassisch tragikomisch. Dafür steht auch das Liedgut. Während Popsongs anderswo als Lückenfüller dienen oder Emotionen vorgeben, haben die sorgfältig ausgewählten Chansons hier einen klaren Bezug zur Handlung. Als Eröffnungslied erklingt „Du lässt dich geh’n“ von Charles Aznavour, und tatsächlich ist Anja und Christoph zu Beginn anzusehen, dass sie sich keine besondere Mühe mit ihrem Erscheinungsbild geben; dazu passt die triste Bildgestaltung (Felix Wiedemann). Als angesichts des Scheidungskriegs die Lebensgeister des Paars erwachen, werden auch die Bilder bewegter und farbenfroher. Später erklingt Françoise Hardys Abschiedslied „Comment te dire adieu“; ein weiterer Hinweis auf die hintergründig ernsten Absichten des Films, für dessen Qualität sicher auch die für RTL-Hits wie „Nikola“, „Ritas Welt“, „Alles Atze“ oder „Mein Leben und ich“ 2003 mit dem Grimme-Preis geehrte Produzentin Christiane Ruff steht.

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Andrea Sawatzki, Christian Berkel, Doris Schretzmayer, Pierre Besson, Tanja Schleiff, Ludger Pistor, Katharina Müller-Elmau, Amelie Plaas-Link, Marcel Glauche, Guntbert Warns, Katharina Abt, Anna Stieblich

Kamera: Felix Wiedemann

Szenenbild: Anne Schlaich

Kostüm: Corinna Baum

Schnitt: Simone Klier

Musik: Oli Biehler

Soundtrack: Charles Aznavour („Du lässt dich geh’n“), Françoise Hardy („Comment te dire adieu“), India.Arie („Just Let It Go“), Nat King Cole („L-O-V-E“), Dschinghis Khan („Dschinghis Khan“)

Redaktion: Stefan Kruppa, Sascha Schwingel

Produktionsfirma: ITV Studios Germany

Produktion: Christiane Ruff, Imre von der Heydt

Drehbuch: Nina Bohlmann

Regie: Thorsten M. Schmidt

Quote: 4,98 Mio. Zuschauer (16,2% MA); Wh. (2021): 3,47 Mio. (12,5% MA)

EA: 26.01.2019 20:15 Uhr | ARD

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