Sarah Kohr – Teufelsmoor

Potthoff, Eidt, Knaup, Rohde, Berndt, Rosenmüller. Das Dorf der Verdammten

Foto: ZDF / Marion von der Mehden
Foto Tilmann P. Gangloff

Der vierte Film mit Lisa Maria Potthoff als Einzelgängerin Sarah Kohr erzählt eine hochinteressante Geschichte, die in die frühen Neunziger zurückführt: Bei einem Raubüberfall auf eine Tankstelle verwendet ein Jugendlicher eine Pistole, mit der Linksterroristen 1993 einen Soldaten erschossen haben. „Teufelsmoor“ (ZDF / die film gmbh) verblüfft mit einigen unerwarteten Wendungen und ist durchgehend fesselnd, zumal die Hauptdarstellerin erneut einige Male ihr Kampfgeschick beweisen darf. Der Krimi ist i.w. S.d.W. sehenswert: Die Bildgestaltung bemüht sich immer wieder um besondere Blickwinkel. Und auch hörenswert: Boris Bojadzhiev sorgt mit seiner Thriller-Musik dafür, dass sich die Spannung zunächst hintergründig aufbaut, bis sie schließlich zupackt und nicht mehr loslässt. Eher überflüssig ist hingegen ein Zickenkrieg zwischen der Heldin und der Ex-Frau ihres Geliebten.

Je länger die Terrortaten der RAF zurückliegen, desto mehr Legenden lassen sich rund um die teilweise nicht mal namentlich bekannten verschwundenen Mitglieder der „dritten Generation“ spinnen. Irgendwo müssen sie untergetaucht sein; und darauf basiert Timo Berndts Drehbuch zum vierten Krimi mit Lisa Maria Potthoff als Polizistin, die ihre Fälle gern im Alleingang löst. Der Film beginnt harmlos: Sarah Kohr ist gemeinsam mit Mutter Heike (Corinna Kirchhoff) bei der jährlichen Fahrt zum Grab ihres Vaters, als sie Zeugin eines Tankstellenüberfalls wird. Plötzlich hat der maskierte Täter eine Pistole in der Hand. Beim Schusswechsel wird er lebensgefährlich verletzt. Als die Kommissarin ihm die Maske abnimmt, entpuppt sich der Räuber als Teenager, was ihr schwere Vorwürfe einbringt. Das ist zwar einigermaßen absurd (soll sie sich erschießen lassen, weil der Täter minderjährig ist?), hat aber zur Folge, dass sie fortan unter besonderer Beobachtung steht. Entscheidender für den weiteren Handlungsverlauf ist die Waffe des Jungen: Sie ist 1993 bei einem Überfall auf einen Waffentransport der Bundeswehr benutzt worden; damals starb ein Soldat. Das Tätertrio gehörte zu den „Revolutionären Zellen“. Einer der drei konnte verhaftet werden, er hat seine Strafe abgebüßt, aber wer die anderen beiden waren, hat er nie verraten. Fest stand nur: Es handelte sich um einen Mann und eine Frau, die seither wie vom Erdboden verschluckt sind.

Sarah Kohr – TeufelsmoorFoto: ZDF / Marion von der Mehden
Aus einem Forstarbeiter (Armin Rohde) wurde ein Waldbesitzer, der auch noch Bürgermeister ist. Was ist vor gut 25 Jahren in dem Dorf passiert? Isaak Dentler

Timo Berndt, Stammautor der ZDF-Reihe „Die Toten vom Bodensee“, hat mit Ausnahme des ursprünglich als Einzelfilm geplanten ersten Abenteuers („Der letzte Kronzeuge“, 2014) bislang alle „Sarah Kohr“-Drehbücher geschrieben und dabei anders als bei seinen ZDF-Episoden für „Friesland“ oder „Ein starkes Team“ jedes Mal ungewöhnliche Geschichten erzählt. Der besondere Reiz von „Teufelsmoor“ liegt neben der Spur in die Vergangenheit in einer speziellen Konstellation: Nach dem Schuss auf den Jungen, der später seiner Verletzung erliegt, hat Kohr ein ganzes Dorf gegen sich. Hohenbek liegt abgelegen in einer Moor-Gegend. Die Einwohner bilden eine verschworene Gemeinschaft, die vor gut 25 Jahren zu plötzlichem Reichtum gekommen ist. Damals wurde aus dem einfachen Forstarbeiter Grebe (Armin Rohde), dem Großvater des Tankstellenräubers, ein Waldbesitzer; der Mann ist außerdem Bürgermeister und ungekrönter König des Ortes. Als sich Kohr mit einem Informanten im Moor treffen will, wird sie beschossen. Trotzdem entdeckt sie das einstige Fluchtfahrzeug; die Terroristen hatten offenbar einen schweren Unfall. Grebe, der auch Chef der Freiwilligen Feuerwehr ist, gibt zu, dass er und seine Männer sehr viel Geld in dem Auto gefunden hätten; die Insassen seien tot gewesen. Die Polizistin bleibt misstrauisch: Die „Revolutionären Zellen“ haben zwar für die Umverteilung des Kapitals gekämpft, aber nie Geld geraubt; auch bei dem Überfall 1993 hatten sie es nur auf die Waffen abgesehen.

Berndt verblüfft gerade in der zweiten Hälfte des Films mit einigen unerwarteten Wendungen, und Marcus O. Rosenmüller, Regisseur der meisten (und zuletzt meist ziemlich guten) „Taunus-Krimis“ im ZDF, hat das Drehbuch angemessen spannend umgesetzt. Weil Kohr nicht bloß klug, sondern auch knallhart ist, darf Potthof wie zuletzt in einigen telegenen Action-Einlagen zeigen, dass sie die israelische Selbstverteidigungstechnik Krav Maga nach wie vor beherrscht. Der eine oder andere Zweikampf hätte sich zwar mit etwas clevererem Verhalten leicht vermeiden lassen, aber natürlich sollen solche Aktionen die Ausnahmestellung der Rolle unterstreichen; Polizistinnen, die sichtlich Spaß daran haben, Kerle aufs Kreuz zu legen, sind im öffentlich-rechtlichen Krimiwesen in der Tat rar.

Sarah Kohr – TeufelsmoorFoto: ZDF / Marion von der Mehden
Anna Mehringer (Stefanie Eidt) ist die Ex-Frau von Staatsanwalt Mehringer (Herbert Knaup), mit dem Kohr (Lisa Maria Potthoff) ein Verhältnis hat oder hatte. Das Teufelsmoor sorgt endlich dafür, dass die beiden Kommissarinnen zusammenhalten.

Überflüssig ist dagegen das eifersüchtige Kompetenzgerangel zwischen Kohr und ihrer weisungsbefugten Kollegin Anna Mehringer (Stefanie Eidt). Berndt hat die Figur im ersten Reihenfilm nach dem Piloten eingeführt („Mord im Alten Land“, 2018). Die Kommissarin ist die Ex-Gattin von Staatsanwalt Mehringer (Herbert Knaup), mit dem Kohr ein Verhältnis hat oder hatte; so genau wissen die beiden das vermutlich selbst nicht. Deshalb kommt es immer wieder zu Szenen, in denen sich die beiden Frauen angiften, was dem Film nicht gut tut; und das nicht nur, weil das Verhalten die Polizistinnen höchst unprofessionell wirken lässt. Endgültig absurd wird der Zickenkrieg, als die Kollegin die Schüsse auf Kohr herabspielt.

Glücklicherweise ist Stephanie Eidt, zuletzt als verführerische Betrügerin in der „Wilsberg“-Jubiläumsepisode „Erbschleicher“ (2020) zu sehen, eine Schauspielerin von Format, die noch das Beste aus den angriffigen Dialogen macht. Als sich die Beamtinnen am Ende zusammenraufen müssen, weil sie ihr Leben nur gemeinsam retten können, sind die entsprechenden Szenen sehr viel schlüssiger. Außerdem entschädigt Berndt seine Heldin für die Anfeindungen mit einem sehr coolen Abgang. „Teufelsmoor“ ist dank der ungewöhnlichen Geschichte ohnehin durchgehend fesselnd, zumal die Schlüsselrollen der Dorfbewohner mit Kai Schumann, Harald Schrott und Karoline Eichhorn angemessen besetzt sind. Die Bildgestaltung (Tobias Schmidt) bemüht sich immer wieder um besondere Blickwinkel; Komponist Boris Bojadzhiev sorgt mit seiner Thriller-Musik dafür, dass sich die Spannung anfangs eher hintergründig aufbaut, bis sie schließlich zupackt und nicht mehr loslässt.

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Reihe

ZDF

Mit Lisa Maria Potthoff, Stephanie Eidt, Herbert Knaup, Armin Rohde, Corinna Kirchhoff, Harald Schrott, Karoline Eichhorn, Stephan Bissmeier, Kai Schumann, Lilly Barshy, Lisa Karlström

Kamera: Tobias Schmidt

Szenenbild: Thomas Neudorfer

Kostüm: Rike Russig

Schnitt: Raimund Vienken

Musik: Boris Bojadzhiev

Redaktion: Daniel Blum

Produktionsfirma: die film gmbh

Produktion: Uli Aselmann, Sophia Aldenhoven

Drehbuch: Timo Berndt

Regie: Marcus O. Rosenmüller

Quote: 8,47 Mio. Zuschauer (24,8% MA); Wh. (2021): 5,15 Mio. (19,5% MA)

EA: 06.04.2020 20:15 Uhr | ZDF

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