Rückkehr nach Rimini

Karl Fischer, Bock, Schütz, Pistorius, Winkenstette. Drei Rentner und ein Baby

Foto: Degeto / Martin Rattini
Foto Tilmann P. Gangloff

„Rückkehr nach Rimini“ (Degeto / Lieblingsfilm) ist eine wunderbar gespielte, heiter-melancholische Tragikomödie über einen Witwer (Karl Fischer), der nach dem Tod seiner Frau erfährt, dass er nicht der Erzeuger seiner Tochter ist, und gemeinsam mit seinen beiden ältesten Freunden (Rainer Bock, Bernhard Schütz) nach Rimini reist, wo vor 50 Jahren alles begann. Das Tempo ist dem Alter der Herren angemessen, aber die Geschichte ist dank der vielen Haken, die sie schlägt, überaus abwechslungsreich und entsprechend kurzweilig. Der ARD-Samstagsfilm wechselt ohnehin mehrfach sein Vorzeichen: Er beginnt als Road-Movie, wandelt sich zur Urlaubskomödie und wird gegen Ende überraschend romantisch.

Im wahren Leben kommt das vermutlich eher selten vor, aber viele Filme leben von der schockierenden Erkenntnis, dass der Mensch, den man in- und auswendig zu kennen glaubte, mit einem Mal ungeahnte Seiten offenbart; oft jedoch erst nach seinem Ableben, sodass ein klärendes Gespräch nicht mehr möglich ist. Als den Rentner Helmut (Karl Fischer) Post aus dem Jenseits erreicht, die gar nicht für ihn bestimmt war, will er den Dingen dort auf den Grund gehen, wo alles vor fünfzig Jahren seinen Anfang genommen hat: in Rimini. Der Einfachheit halber heißt diese heiter-besinnliche Komödie auch so: „Rückkehr nach Rimini“. Und weil es viel interessanter ist, gleich mehrere Personen mit ihrer Vergangenheit zu konfrontieren, lässt sich Helmut, wenn auch widerstrebend, in seinem alten Mercedes von seinen Freunden Peter (Rainer Bock) und Edgar (Bernhard Schütz) begleiten, denn die waren damals ebenfalls mit dabei. Diese Reise in die Vergangenheit wird das Leben der drei Männer gründlich verändern; allerdings völlig anders, als sie erwarten.

Rückkehr nach RiminiFoto: Degeto / Martin Rattini
Das Tempo ist dem Alter der Herren angemessen; trotzdem ist „Rückkehr nach Rimini“ nicht nur dank Fischer, Bock und Schütz eine kurzweilige Angelegenheit.

Damit die Geschichte keine reine Männersache ist, bringt Autorin Kerstin Pistorius noch zwei Frauen ins Spiel. Genau genommen sind es drei. Helmuts Frau lebt zwar nicht mehr, aber sie hat die ganze Geschichte mit ihren Briefen, in denen sie sich kurz vor ihrem Tod von den wichtigsten Menschen in ihrem Leben verabschiedet hat, ins Rollen gebracht; darunter war auch ein Schreiben an einen Priester, aus dem hervorgeht, dass Helmut nicht der Vater seiner fünfzigjährigen Tochter Fritzi (Miriam Maertens) ist. Die Gattin war Peters Schwester, dessen Frau Maria (Lena Stolze) hat die Briefe zur Post gebracht, und einer ging nach Rimini. Also machen sich auch Maria und Fritzi, der nun klar wird, warum sie sich ihrem Vater immer fremd gefühlt hat, kurzerhand und voller Sorge auf den Weg nach Italien, denn Helmut hat eine Pistole aus seiner Waffensammlung mitgenommen; und nun geht der Film erst richtig los.

Soundtrack:
Toto Cotugno („Innamorati”), The Rolling Stones („Satisfaction”), The Beatles („Drive My Car”), Adriano Celentano („Il Tempo se ne va”, „Svaluation”), Gianna Nannini („Il Maschi”), Luca Carboni („La Nostra Storia”), Eros Ramazotti („Cose della Vita”), Umberto Tozzi („Ti amo”), Ricchi e Poveri („Sarà perché ti amo”)

Das Tempo ist dem Alter der Herren angemessen, aber die Geschichte ist dank der vielen Haken, die sie schlägt, überaus abwechslungsreich und entsprechend kurzweilig, zumal die Suche nach dem vermeintlichen Vater Fritzis nach dem Schema Versuch und Irrtum funktioniert. Die drei wissen nur, dass der Mann Massimo Rossi heißt, was zu allerlei heiteren Missverständnissen führt, weil es auch einen prominenten Fußballspieler gleichen Namens gibt; deshalb bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich durchzufragen, und auch das ist leichter gesagt als getan, denn das angeblich gute Italienisch von Edgar, der zur Prahlerei neigt, erweist sich als wenig hilfreich. Auf diese Weise erlebt das Trio diverse Begegnungen und trifft immer wieder auf Menschen, die sich noch lebhaft an sie erinnern können; wenn auch nicht nur im Guten. Der Film wechselt mehrfach sein Vorzeichen: Er beginnt als Road-Movie, wandelt sich dank schöner Postkartenmotive und passender Canzoni von Umberto Tozzi oder Adriano Celentano zur Urlaubskomödie und wird gegen Ende recht romantisch.

Rückkehr nach RiminiFoto: Degeto / Martin Rattini
Road-Movie, Urlaubsfilm, romantische Zielgerade – für jede Stimmung etwas dabei. Rainer Bock, Lena Stolze, Bernhard Schütz, Miriam Maertens, Karl Fischer (v.l.n.r.)

Über allem schwebt zudem mehr als nur ein Hauch von Melancholie, schließlich weckt die Reise viele Erinnerungen an die Jugendjahre des Trios, weshalb auch diverse englischsprachige Popklassiker erklingen. Ein kleiner musikalischer Höhepunkt ist ein abendlicher Auftritt der drei auf der Strandpromenade, als sie spontan Songs der Beatles und der Stones anstimmen; so lässt sich auch die Reisekasse auffüllen, denn zwischenzeitlich sind Helmut und Peter ihrer Barschaft beraubt worden. Die drei Hauptdarsteller sind ohnehin ein großes Vergnügen, zumal es die drei sicherlich auch dank Regisseurin Sarah Winkenstette vermieden haben, dass ihre Rollen durch die potenzielle Klischeehaftigkeit der Figuren dominiert werden: Peter, ein pensionierter Polizist, ist der Bedenkenträger der Gruppe und laut seiner Nichte ein „Kontroletti vor dem Herrn“, während sich Edgar, der ewige Schwerenöter, seiner gesperrten Kreditkarte zum Trotz stets auf der Sonnenseite des Lebens wähnt.

Schließlich lässt Pistorius, deren Auftakt zur ZDF-Reihe „Gipfelstürmer – Das Berginternat“ (2019) im Wesentlichen eine Kombination aus den üblichen „Helferin mit Herz“-Klischees mit Alpenkulisse und Internatsromantik war, die Geschichte in ein Ende voller Überraschungen münden, denn die Rimini-Romanze, die zur Zeugung Fritzis führte, war damals keineswegs die einzige Urlaubsliebe. Winkenstette hat zuletzt fürs ZDF „Ein Sommer an der Moldau“ (2020) gedreht, ein sehenswertes romantisches Melodram mit Alina Levshin als Privatdetektivin, die in Tschechien ihr Leben überdenkt. Ihr Regiedebüt, der Kinofilm „Zu weit weg“ (2020), war ein mehr als sehenswerter Familienfilm über zwei Jungs, die auf unterschiedliche Weise ihre Heimat verloren haben. (Text-Stand: 26.2.2022)

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Karl Fischer, Rainer Bock, Bernhard Schütz, Miriam Maertens, Lena Stolze, Enzo Salomone, Larissa Sophie Römer

Kamera: Peter Nix

Szenenbild: Susanna Haneder

Kostüm: Tanja Liebermann

Schnitt: Ulrike Leipold

Musik: Andrej Melita

Redaktion: Carolin Haasis, Niklas Wirth, Christoph Pellander

Produktionsfirma: Lieblingsfilm

Produktion: Robert Marciniak, Julia Rappold

Drehbuch: Kerstin Pistorius

Regie: Sarah Winkenstette

Quote: 2,36 Mio. Zuschauer (8,2% MA)

EA: 19.03.2022 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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