Die Pilcher-Filme zeichnen sich selten durch subtile Charakterzeichnungen aus. Mitunter wirken die Konstellationen wie Anleihen aus dem Kinderfernsehen, weil den Antagonisten der Schurke stets ins Gesicht geschrieben ist. „Wie von einem anderen Stern“ ist ein fast schon abschreckendes Beispiel. Dass der Film trotzdem keine Zeitverschwendung ist, hat Regisseur Marco Serafini seiner hinreißenden Hauptdarstellerin zu verdanken: Liza Tzschirner wirbelt mit viel Temperament durch die Handlung und lässt ihre Figur derart vor Lebensfreude sprühen, als wolle sie die ganze Welt an ihrer Freude über die erste Hauptrolle teilhaben lassen.
Die Geschichte ist schlicht und das Gegenteil von originell, aber sympathisch: Wissenschaftler Benjamin Wilson (Daniel Aichinger) ist Witwer mit drei Kindern und sucht händeringend eine Tagesmutter, Natalie (Tzschirner) braucht dringend einen Job. Und weil sie in jeder nur denkbaren Hinsicht eine Traumfrau ist, die ein riesengroßes Herz für Kinder hat und den Astrophysiker aus seinem Elfenbeinturm schüttelt, stünde dem Happy End nichts im Wege, doch dann wäre der Film kaum länger als die Kurzgeschichte, auf der er basiert. Jetzt wird es allerdings richtig ärgerlich. Zwar sind auch die Rollen des potenziellen Liebespaars nicht gerade differenziert, aber Tzschirner spielt alle Einwände weg. Außerdem ist Natalie, wie Benjamin irgendwann entzückt feststellt, in der Tat eine Frau „wie von einem anderen Stern“ und fast zu schön, um wahr zu sein. Daniel Aichinger wiederum erfüllt nach Kräften das Stereotyp des in Alltagsdingen eher ungeschickten weltentrückten Wissenschaftlers, der Natalie gleich mehrfach in die Arme stolpert und dem irdische Probleme erst dann bewusst werden, wenn sie ihm auf die Füße fallen. Beide machen durch Sympathie wieder wett, was ihren Figuren an Tiefe fehlt. Pure Oberfläche ist jedoch die Nebenbuhlerin. Saskia Valencia muss Benjamins Schwägerin Ellen als durch und durch verbitterte und verbiesterte Frau verkörpern, die in der kinderlosen Ehe mit ihrem Mann Paul (Francis Fulton-Smith) unglücklich ist und sich ganz offenkundig an die Seite von Pauls jüngerem Bruder wünscht. Ellen behandelt das Kindermädchen mit eisiger Kälte und lässt keine Gelegenheit verstreichen, um bei Benjamin gegen Natalie zu sticheln. Die Schauspielerin trifft gar kein Vorwurf, sie spielt diese Figur vermutlich exakt so, wie zumindest die Regie sie sich vorgestellt hat; aber bislang zeichneten sich die Drehbücher der früheren Degeto-Redakteurin Astrid Ruppert („Obendrüber, da schneit es“) durch deutlich differenziertere Charakterzeichnungen aus.
Foto: ZDF / Jon Ailes
Während sich Ellens Motive immerhin nachvollziehen lassen, ist Johnny (Béla Gabor Lenz), Natalies minderjähriger Bruder, einfach nur böse, woran Serafinis Führung schon beim ersten Auftritt keinen Zweifel lässt. Natalie arbeitet als Kassiererin in einem Supermarkt und legt aus eigener Tasche was drauf, als eine alte Frau nicht genug Geld dabei hat. Wenn sie ein Wesen von einem anderen Stern ist, dann verkörpert Johnny ein Schwarzes Loch. Natalie kümmert sich um ihn, seit ihre gemeinsamen Eltern gestorben sind. Warum der Junge trotz dieses Engels auf die schiefe Bahn geraten ist, lässt der Film offen. Jedenfalls braucht Johnny ständig Geld, und weil ihm Natalie nichts mehr geben will, klaut er die Einnahmen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie sich einen neuen Job suchen muss, weshalb sie überhaupt erst zu den Wilsons kommt, aber andererseits pflanzt der Film mit Johnnys Diebstahl auch einen Virus. Die Gewissheit des nahenden Unglücks hängt fortan wie ein Damoklesschwert über der Handlung: Es ist völlig klar, dass der Junge irgendwann auch auf dem prächtigen Landsitz der Wilsons auftauchen und das Tafelsilber klauen wird; und selbstredend bedeutet dies das Ende von Natalies Arbeitsverhältnis, weil Ellen ihren Schwager erfolgreich gegen sie aufhetzt.
Natürlich gehört eine gewisse Vorhersehbarkeit zum Stil solcher Geschichten; die Frage ist nur, wie ein Regisseur damit umgeht. In „Wie von einem anderen Stern“ erstreckt sich die Erwartbarkeit bis ins Detail einzelner Szenen: Als Natalie vom frühen Tod ihrer Eltern erzählt und Benjamin sie tröstend in den Arm nimmt, taucht selbstredend just in diesem Moment die halbwüchsige Tochter auf, die ohnehin mit Argwohn beobachtet, wie sich ihr Vater für das Kindermädchen begeistert. Als sich Benjamin nach einem Streit mit seinem Bruder wütend in sein Arbeitszimmer zurückzieht und nach einem Buch greift, ist völlig klar, dass er den Band in seinem Zorn wegwerfen wird. Und selbstverständlich findet der kleine Will, der seit dem Tod der Mutter kein Wort mehr gesagt hat, dank Natalie seine Sprache zurück (genauso hat es sich kürzlich im ZDF-Sonntagsfilm „Katie Fforde – Tanz auf dem Broadway“ zugetragen).
Der Film hat es einzig und allein Liza Tzschirner zu verdanken, dass diese kleinen und großen Ärgernisse nicht zu einem Totalverriss führen. Die frühere Hauptdarstellerin der ARD-Telenovela „Sturm der Liebe“ hat schon in einer kleinen Rolle in dem Pilcher-Film „Ein Doktor & drei Frauen“ angedeutet, dass sie zu Höherem berufen ist, und erobert als Kindermädchen zum Verlieben nicht nur Benjamins Herz im Sturm. Bei ihr hat sich das Kostümbild zudem erkennbare Mühe gegeben: Wie in vielen Sonntagsfilmen zeichnet sich auch hier die Hauptfigur durch einen ganz speziellen Kleidungsstil aus, der nicht extravagant, aber fröhlich bunt ist und sehr lebensbejahend wirkt. Der Rest ist „Herzkino“ von der Stange, auch wenn Serafini auf die im Pilcher-TV eigentlich unvermeidlichen Küstenflüge verzichtet.