„Boy Meets Girl“ gilt als älteste Geschichte der Welt. Im „Herzkino“ des ZDF heißt es „Girl Meets Boy“, aber oft genug ist das nur die halbe Wahrheit: weil die Girls in den Reihen „Rosamunde Pilcher“ und „Inga Lindström“ gern auch mal zwei Boys treffen. Reizvoll sind diese Liebesfilme nur dann, wenn die Männer Konkurrenten auf Augenhöhe sind. Immerhin diese Voraussetzung ist in „Vier Luftballons und ein Todesfall“ gegeben, die weibliche Hauptfigur hat eine echte Qual der Wahl, und der Wettstreit um die Gunst ihres Herzens ist originell eingefädelt: Gwen (Meriel Hinsching) arbeitet für einen Blumengroßhandel, verspätet sich bei der Auslieferung eines Kranzes und fällt dummerweise während der Bestattungs-Zeremonie ins Grab. Was in einem anderen Genre ein böses Omen wäre, führt hier zur Begegnung mit einem attraktiven Notarzt. Als sich Gwen mit einem Apfelkuchen bedanken will, erfährt sie, dass Lennard (Moritz Otto) Vater einer 14jährigen Tochter und seit einem Jahr Witwer ist. Der zweite Mann in ihrem Leben ist ihr Chef: Eigentlich will die Floristin einen eigenen Betrieb eröffnen, doch Joey (Bernd-Christian Althoff) macht ihr ein Angebot, dass sie nicht ablehnen kann, und ernennt sie zu seiner Stellvertreterin; außerdem ist er schon lange in sie verliebt. Aber Lennard geht ihr nicht mehr aus dem Kopf, zumal sich seine Tochter Lilly (Eline Doenst) vorgenommen hat, die beiden miteinander zu verkuppeln.
Die Beiträge zu den Reihen „Pilcher“ und „Lindström“ erzählen immer wieder die gleichen Geschichten. Die Qualität der Filme resultiert daher letztlich aus ihrer Liebe zum Detail sowie aus den Leistungen des Ensembles. Zu den besonderen Drehbucheinfällen (Andreas Bradler, Karsten Rüter) gehören hier unter anderem die Luftballons. Die Assoziation, die der Titel zu „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ (1994) nahelegt, weckt jedoch falsche Erwartungen, zumal die romantische Komödie aus England in einer ganz anderen Liga spielt: Lilly schreibt Briefe an ihre Mutter, die sie per Ballonpost in den Himmel schickt; einer dieser knallroten Ballons ist kurz nach dem Besuch bei Lennard scheinbar zufällig in Gwens Garten gelandet. Dass Lilly viel eher als ihr Vater gelernt hat, die Verstorbene loszulassen, ist ungewöhnlich genug; dass sie ein Jahr nach dem Verlust nicht nur bereit ist, eine neue Frau an der Seite ihres Vaters zu akzeptieren, sondern ihn förmlich dazu drängt, sich zu verlieben, dürfte außergewöhnlich sein. Gwen wiederum braucht bei ihrer Wahl eine Entscheidungshilfe, und zumindest der krimiversierte Teil des Publikums könnte etwa zur Hälfte des Films ahnen, für welchen der beiden Männer sie sich letztlich entscheiden wird; und vor allem, warum.
Die Inszenierung ist allerdings belanglos. Bei allem Respekt für das ZDF, mit Nina Vukovic eine junge, vergleichsweise unerfahrene Regisseurin zu beschäftigen: Für frischen Wind konnte oder durfte sie nicht sorgen; der Film orientiert sich gerade bei der routiniert einfallslosen Bildgestaltung (Holger Greiß) trotz gezielt eingesetzter roter Farbtupfer an den Konventionen der Reihe. Vukovics Langfilmdebüt war vor einigen Jahren das als Teil der ZDF-Thriller-Reihe „Stunde des Bösen“ entstandene Familiendrama „Detour“ (2017)
Sehenswert ist „Vier Luftballons und ein Todesfall“ in erster Linie wegen des zentralen Trios. Gerade Meriel Hinsching, bereits als Nebendarstellerin in dem romantischen Lindström-Drama „Liebe verjährt nicht“ (2020) sehr positiv aufgefallen, ist dank Gwens jederzeit glaubwürdigen Herzlichkeit eine echte Freude, zumal sie die wichtigen kleinen Momente sehr überzeugend spielt. Sehr hübsch ausgedacht und umgesetzt ist zum Beispiel die zweite Begegnung Gwens mit Lennard: Vor der Tür öffnet sie noch rasch einen Blusenknopf, den sie aber peinlich berührt wieder schließt, als sie im Haus ein Familienfoto entdeckt. Moritz Otto verkörpert den Arzt eher in sich gekehrt, offenbart dafür aber den Oberkörper eines Zehnkämpfers. Bernd-Christian Althoff schließlich hat schon in seinen Rollen als junger Geliebter („Billy Kuckuck“, „Herzkino-Märchen: Der Froschkönig“) oder als Nebenbuhler („Der Ranger“) gezeigt, dass er zumindest in diesem Genre immer eine gute Wahl ist. Aus dem Rahmen fällt allein Janina Hartwig als Gwens übergriffige verwitwete Mutter Ellen, die ihre Rolle ältlicher, betulicher und nerviger verkörpert, als nötig wäre. Geradezu wohltuend ist dagegen die Entspanntheit, mit der Andreas Hoppe Ellens Lebensgefährten versieht.